TEST: Concrete Genie – Wie Graffiti, nur schöner

By Toni Add a Comment
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Das amerikanische Entwicklerstudio Pixel Opus aus dem Hause Sony hat sich mit dem Rhythmusspiel Entwined erstmals einen Namen gemacht. Einen ähnlich artistischen, spielerisch aber etwas komplexeren Ansatz verfolgen die Entwickler mit ihrem neuesten Projekt Concrete Genie. Wir haben das düster-bunte Abenteuer getestet und verraten euch, ob sich der Kauf lohnt.

Vom Winde verweht

In Concrete Genie schlüpfen wir in die Rolle des künstlerisch begabten Teenagers Ash. Der ist mit seinem Skizzenbuch in der verlassenen Hafenstadt Denska unterwegs, als er von einer Gruppe etwa gleichaltriger Kids überrascht wird, die ihm kurzerhand seine Zeichnungen stehlen und diese wortwörtlich in alle Winde verstreuen.

In einem nahegelegenen Leuchtturm findet Ash eine seiner Skizzen wieder, die ein mysteriöses Wesen abbildet. Dieses erwacht plötzlich zum Leben und entpuppt sich als ein Genie namens Luna. Der drückt dem jungen Nachwuchskünstler einen Pinsel mit magischen Kräften in die Hand, der Ash dazu befähigt, der düsteren Stadt Farbe, Licht und Leben zu verleihen. Damit zieht der kleine Künstler los, um seine verstreuten Zeichnungen zu finden und den alten Glanz seiner früheren Heimatstadt wiederherzustellen.

Auf den Dächern der Stadt

Denska ist menschenverlassen, dunkel und wirkt zeitlich entrückt. Man kann sich das vorstellen wie eine Mischung aus einer britischen Stadt zur Zeit der Industrialisierung und einem abgerockten Ghetto in New Jersey – nur eben ohne Bewohner. Die sind nämlich in Scharen geflüchtet, wie wir in Zeitungsartikeln erfahren. Es scheint, als hätte sich hier eine dunkle Energie ausgebreitet und die Stadt so weit vereinnahmt, dass sie unbewohnbar wurde. Unsere Aufgabe ist es, diesen Prozess wieder umzukehren – und hier kommt der magische Pinsel ins Spiel.

Der Gameplay-Loop von Concrete Genie gestaltet sich wie folgt: In der Spielwelt finden wir Bilder von Genies, denen wir Leben einhauchen können. Dadurch werden sie unsere Begleiter und greifen uns unter die Arme. Die Genies haben nämlich nützliche Fähigkeiten: Sie können Dinge in Brand setzen, Strom erzeugen oder schwere Objekte per Windstoß bewegen. Sie mögen aber keine Dunkelheit. Deswegen müssen wir Lichterketten entzünden, indem wir Wände mit unserem magischen Pinsel bemalen und den Genies damit neue Laufwege eröffnen. Die Besonderheit dabei: Die Genies sind zweidimensionale Wandbilder und können sich nur entlang angrenzender Häuserwände bewegen. Wir müssen also überlegen, wie wir unsere Begleiter dorthin bekommen, wo wir sie benötigen.

Gelegentlich versperrt uns dunkle Energie den Weg und hindert uns am Weiterkommen. Diese beseitigen wir, indem wir alle Lichterketten in einem Areal erleuchten. Auf diese Weise öffnet sich die Semi-Open-World des Spiels immer weiter und wir können in zusätzliche Bereiche vordringen. Allerdings müssen wir uns dabei vorsehen: Die fiesen Kids, die unser Skizzenbuch gestohlen haben, schleichen nämlich auch durch die verlassenen Straßen und kommen uns immer wieder in die Quere. Wir müssen also Wege finden, uns an ihnen vorbeizuwieseln. Ash ist aber ein guter Kletterer und springt geschickt von Dach zu Dach – was ungemein hilfreich dabei ist, ungesehen zu bleiben und gegebenenfalls Verfolger abzuschütteln. Spielerisch bewegt sich Concrete Genie also irgendwo zwischen Action-Adventure und 3D-Platformer. Und auch wenn die Steuerung zuweilen etwas hakelig ist und die Rätsel keine kognitiven Kopfnüsse bieten, fühlt sich das grundlegende Gameplay sehr befriedigend an. Im zweiten Akt des Spiels kommen auch noch ein paar weitere spielerische Elemente dazu, auf die wir aus Spoilergründen nicht weiter eingehen möchten. So viel sei gesagt: Das Spiel ist nicht wahnsinnig komplex, hat uns über seine circa 5-stündige Spielzeit aber hervorragend unterhalten.

Malen nach Zahlen

Concrete Genie hat ein Alleinstellungsmerkmal, auf das wir an dieser Stelle gesondert eingehen wollen: Die Mal-Mechanik. Die funktioniert so: Wir wählen per Menü Motive aus, die wir an die Wand projizieren wollen. Mittels Bewegungssteuerung des Controllers (wahlweise auch per Joystick) malen wir sie dort auf und fügen sie zu regelrechten Kunstwerken zusammen. Das funktioniert so intuitiv und ist so gut designt, dass das Ergebnis praktisch immer gut aussieht. Die dabei entstehenden Bilder sind animiert und bieten mit ihrer bunten Neon-Optik einen direkten Kontrast zum düsteren Stadtbild. Im Verlauf des Spiels finden wir verlorene Seiten aus dem Skizzenbuch wieder und erweitern damit unser künstlerisches Repertoire, um noch abwechslungsreichere Wandbilder zu gestalten.

Aber auch darüber hinaus bietet Concrete Genie eine ganze Menge Schauwert: Das komplette Design des Spiels ist an Stop-Motion-Filme à la „Coraline“ angelehnt. Die Figuren wirken überzeugend puppenhaft: Sie haben zum Beispiel keine flüssigen Gesichtsanimationen, sondern bewegen Mund und Augen nach dem Stop-Motion-Verfahren. Diese stilistische Ausrichtung passt hervorragend zur Geschichte, die zugleich märchenhaft aber auch düster ist. Man merkt, dass die Entwickler ihrer Liebe zur Kunst Ausdruck verleihen wollten – und aus unserer Sicht ist ihnen das verdammt gut geglückt.

TEST: Concrete Genie – Wie Graffiti, nur schöner
Concrete Genie ist ein kurzweiliges Abenteuer, in dem eine ganze Menge Herz steckt – auch wenn sich die Handlung einiger Klischees bedient. Die Spielmechanik ist erfrischend und hervorragend umgesetzt. Auch wer zwei linke Hände hat, wird hier problemlos zum Künstler. Ein bisschen schade finden wir, dass die Geschichte schon nach wenigen Stunden auserzählt ist. Eine Menge leerer Betonwände gibt es aber auch noch im Post-Game zu bemalen. Und weil das so viel Spaß macht, gibt‘s von uns eine klare Empfehlung.
8.5

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