TEST: Wolfenstein: Youngblood – Gebt dem Nachwuchs eine Chance

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Das Mutterspiel Castle Wolfenstein hatte in Deutschland mehrere Jahrzehnte (-2012), u.a. wegen seiner Darstellung von nationalsozialistischen Symbolen, einen Langzeiturlaub auf dem Index verbracht (ältere Semester können sich vielleicht noch daran erinnern, wenn man das Game, trotz des Verbots, auf einer Floppy-Disc für seinen C64 besaß – kicher).  Daher wurde jeder weitere Teil kritisch beäugt und solange man alternativ nur gegen das sogenannte “Regime” statt Nazis kämpfte, war alles gut. Mit „Wolfenstein: Youngblood“ bricht nun aber eine Art neues Zeitalter in dieser Hinsicht an.

Gesamt betrachtet ist die Reihe nicht mehr so ein Aufreger wie in den Achtzigern und die hiesigen Kontrollorgane entscheiden zur Zeit großzügiger als früher. Wer es Uncut mag, nimmt die internationale Version von Bethesda Softworks, ansonsten wählt der Käufer die Deutsche und begnügt sich mit fiktiven Zeichen, statt Hakenkreuze. Um den gesamten Wolfenstein-Overkill perfekt zu zelebrieren, kam am gleichen Tag (26.07.19) ein weiteres  Wolfenstein mit den Beinamen Cyberpilot heraus. Interessierte sollten daher den erschienenen Playfront-TEST: “Wolfenstein Cyberpilot – Viel Rauch um nichts?” lesen.

Wie der Vater so die Töchter

Dieses Mal nimmt sich der altgediente Held B.J. Blazkowicz bei dieser Fortsetzung –  Handlung 1980 und somit 19 Jahre nach Wolfenstein II: The New Colossus – in dieser fiktiven Realität eine Auszeit durch Verschwinden. Für familiären Ersatz wurde gesorgt und somit betreten zum ersten Mal die Zwillingsschwestern Jess und Soph Blazkowicz die Bühne. Bei Papa in die Lehre gegangen – da kann ja bei der Suche nach ihm nichts schiefgehen.

Zum Kennenlernen der Gören geht es erstmal zum Zeppelin Nachtfalter. Zur Erfüllung der 1. Mission, gilt es einen General Winkler zu finden und zu eliminieren. Das Flugschiff ist allerdings riesig und dank einer größeren Anzahl von Wachposten auf verschiedenen Ebenen kein Spaziergang. Mit ihren Wummen im Anschlag säubern die tatendurstigen Mädels Abschnitt für Abschnitt und erreichen endlich den Bösewicht, der dann nach erfolgloser Gegenwehr entsorgt wird, dummerweise der riesige Luftballon versehentlich gleich mit. Da hilft nur noch ein beherzter Sprung nach unten. Glücklicherweise befindet sich in dieser Richtung der Fluß von Neu-Paris. Nach einer kurzen Neuorientierung am Ufer, gilt es als Nächstes das Lager der Verbündeten in den Katakomben zu finden. Leider ist dieser Weg dahin ebenfalls wieder mit Feinden angereichert und das Abenteuer geht somit schiessend und hüpfend weiter…

Neu-Paris, die Stadt der Hiebe

Die ersten 2 Missionen von „Wolfenstein: Youngblood“ sind als Warm-Up eine gute Gelegenheit sich mit der Spielmechanik und Taktiken vertraut zu machen. Die Funktionen und Möglichkeiten werden nach und nach durch den Fund von Laptops erklärt, deren Standorte entsprechend (meistens) der kommenden Ereignisse positioniert sind. Allerdings hat es direkt zu Beginn den schalen Beigeschmack, dass der PS4-Zocker gezwungen ist, die Tasten des Controllers auszuprobieren um festzustellen was dann jeweils passiert. Da wäre anfangs ein geballtes Info-Häppchen besser gewesen, sonst könnte es bei den ersten Feinden etwas haarig werden. Denn Einige haben schon mal einen Panzer (reagieren unterschiedlich empfindlich auf die verschiedenen Schießprügel im Arsenal), bevor deren eigentliche Lebensanzeige erlischt. Wie praktisch bei eventueller Not, dass die olle Zwillingsschwester dabei ist, mit der man 3 Lebenseinheiten vor einem endgültigen Tod teilt (inklusive in diesem Fall mit ärgerlichen Levelneustart). Welche von den Zweien die Begleiterin ist, das entscheidet Jeder selber beim Start. Ob Jess oder Soph richtet sich rein nach dem persönlichen, optischen Schönheitssinn, da die Talente bei den Mädels identisch sind.

Neben den Infoterminals für Tipps und Tricks, ist das Game ein reichhaltiges Füllhorn für Sammelwütige. Entweder reicht ein drüberlaufen, wenn die Gegner nach ihrem Ableben Munition zum notwendigen Auffüllen der eigenen Magazine fallen lassen oder, durch einen weißen Rand markierte Gegenstände, laden zum untersuchen ein. Oft gut sichtbar und zugänglich, manchmal versteckt in zerstörbaren Kisten und Fensterscheiben. So oder so – gebrauchen kann man in der Regel alles. Sei es z.B. Disketten, Videokassetten, Zettel und sogar 3D-Brillen (ja wirklich – allerdings sind Die eher ein Anschaumaterial über Figuren, die im Spiel vorkommen).

Besonders wichtig sind, bei diesem Potpourri an herumliegenden Zeugs, die Münzen. Denn von denen kann man nicht genug haben, um die verschiedenen Waffentypen (Maschinengewehr, etc.) in ihren Werten zu verbessern und das ist nicht gerade billig. Aber so werden die Schwestern angemessen mit der Zeit stärker und hauen die Bösewichte ab der Einführung nicht mit einem Schusskügelchen schon um. Eine Ingame-Währung kann über den Sony-Store auch erworben werden, ist aber fairerweise nur für optische Veränderungen der jungen Frauen und Nahkampfwaffen und verlockt somit nicht zum gefühlten Zwankseinkauf zwecks frühzeitigen Vorteilen. Denn Diese sind auch durch fleißiges Sparen des normalen Zahlungsmittel zu erhalten.

Ansonsten bringen abgeschlossene Herausforderungen nicht nur ein Vermögen auf das Konto, sondern auch – neben den Eliminierungen –  Erfahrungspunkte zum aufleveln von Fertigkeiten nebst deren zusätzlichen Fähigkeiten. Nicht viele, aber notwendig für die schwerer werdenden Anforderungen der Widerstandsarbeit, in Form von Haupt- und Nebenmissionen. Letztere erscheinen ab dem Rebellenlager in den Katakomben und können durch ihre Belohnungen Aufgaben des eigentlichen Story-Verlaufs vereinfachen. Besonders ein Segen, wenn man merkt, dass die nächsten Feinde noch nicht besiegbar sind. Dieser Ort ist auch ein wahrer Ruheort für die Helden. Z.B. unendlich Patronen zum Nachtanken, Musik hören, Zugang zur Metro um flink die Ziele zu erreichen. Besonderes Schmankerl sind zwei Videospielautomaten, mit je einem speicherbaren Retrogame der alten historischer Machart. Schön für die alten Hasen unter uns und geschichtliches für die jüngeren Mitmenschen.

Pixel und Ton

Die Stadtteile in „Wolfenstein: Youngblood“ mit ihren Hinterhöfen und die begehbaren Häuser sind sehr detailliert und einfallsreich gestaltet. In Momenten der Ruhe lohnt es sich umzuschauen und die Einfälle der Programmierer zu bewundern. Dadurch gilt aber auch, abzweigende und manchmal alternative Wegstrecken zu bemerken, die manchmal nur durch die Powerluftsprünge der Damen erreichbar sind. Kommt man also nicht auf den direkten, sichtbaren Straßen zum markierten Ziel, einfach mal genauer hinschauen. Ist eine Etage höher ein Fenster offen? Dann rein in die gute Stube. Eine Tür im Weg? Vielleicht kann man sie mit der Nahkampfwaffe kaputt schlagen.

Musik im 80er-Stil ertönt nur wenn Radios sich in der Nähe befinden oder ab und zu instrumentale Melodien und das ist auch gut so. Somit bleibt eine spannende Atmosphäre bestehen, wenn über die Anlage z.B. nur Schritte und das Geballere zu hören sind. Wir sind hier schließlich in einem Ego-Shooter und nicht in einem Musical mit singenden Rehen, Hasen und Bären.

Der KOOP mit Freunden und Unbekannten

Irritierend beim allerersten starten ist bei der Menüauswahl. Einzige Auswahl ist “Wolfenstein: Youngblood” zu hosten?!. Aber keine Angst, danach kommt die Möglichkeit das Solo zu wählen. Charakteristisch ist hier, dass die KI-Schwester die Nähe der Anderen sucht und das kann fatal enden. Vereinfacht allerdings auch das gegenseitige Heilen (bei Erreichen einer der höheren Levelstufen gibt es die Fertigkeit aus der Ferne), was über Erfolg und Misserfolg entscheiden kann.

Wer taktisch vorgehen will, sollte einen menschlichen Begleiter den Zugang gewähren. Wer sich verabredet, startet gemeinsam. Taucht der Unterstützer während einer Runde innerhalb eines Areals auf, beginnt er allerdings am Startpunkt und übernimmt nicht die aktuelle Position des KI-Zwillings. Und nicht vergessen: wer seine Runde für alle offen lässt, kann jederzeit fremden Besuch bekommen. Ob Der dann eine wahre Hilfe ist?

TEST: Wolfenstein: Youngblood – Gebt dem Nachwuchs eine Chance
“Die Gestaltung der Stadtbezirke und anderes Begehbares wie z.B. die Inneneinrichtung der zugänglichen Häuser, sind wegen ihrer Detailverliebtheit, ein echter Hingucker. Schade ist hier, dass Jess und Soph und die menschlichen Gegner nach Schema F aussehen. Die Feinde zum Einem, als wären sie von der gleichen Mutter. Gut, da kann man mal beide Augen zudrücken. Klar ist auch: auf der anderen Seite müssen die Zwillinge - als Solche - am besten erkennbare Ähnlichkeiten aufweisen. Aber der Einen eine blonde virtuelle Perücke und der anderen eine Schwarze aufzusetzen, wirkt da sehr einfallslos. Somit fehlte mir bei dieser aalglatten Typendarstellung der emotionale Bezug zu den Ladys und deren erlebbaren Geschichte, der bei den markanten Figuren wie z.B. von Uncharted oder Last of Us - im Vergleich - leicht fällt. Wem so etwas allerdings egal ist, ist bei diesem ansonsten gelungenen Ballerspiel sehr gut aufgehoben.”
7.8

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