TEST: Alone in the Dark – Nur im Namen einsam

"Alone in the Dark" kehrt mit einem frischen Gedanken zurück. Ob das Horror-Adventure auch im Test überzeugen kann, erfahrt ihr hier.

By Dennis Giebert 6 comments
12 Min Read

„Alone in the Dark“ gilt als der Urvater des Survival Horror-Genres; ohne „Alone in the Dark“ gäbe es nämlich Genre-Ikonen wie zum Beispiel „Resident Evil“ nicht. Nun meldet sich die Serie mit ihrem ursprünglichen Gedanken zurück und ist zwar eines der besten Spiele der Serie, warum ich es dennoch nur mit Bedenken empfehlen kann, erfahrt ihr in unserem Test.

Eine wunderschöne Sauerei

Bevor wir uns den typischen Punkten in einem Review widmen, möchte ich an dieser Stelle meine Gedanken ordnen. „Alone in the Dark“ ist kein Remake des Originals, stattdessen ließ man sich stark von dem Gefühl, Konzepten, Orten und Figuren des Originals inspirieren. Die Geschichte dreht sich um Emily Hartwoods Onkel Jeremy, der auf einem abgelegenen Anwesen “mental” Erschöpfte behandelt und dort spurlos verschwunden ist. Begleitet von dem Detektiv Edward Carnby, macht sich das Paar zum Derceto Anwesen auf, um Jeremy zu finden. Die Insassen des Derceto Anwesen und dessen Angestellte sind jedoch alles andere als besorgt und versichern dem ungleichen Paar, dass Jeremy irgendwann wieder auftauchen wird. Was folgt, ist eine Geschichte, die alles andere als konventionell und strukturiert ist. Viele Punkte, die innerhalb der Geschichte angerissen werden, machen den Eindruck, dass sie aus einem früheren Entwurf der Story stammen, nicht zu Ende gedacht oder nur als Easter Eggs eingefügt wurden.


Als Beispiel kann man hier eine beliebige Unterhaltung in der Story anführen. Oft finden sich Referenzen zum Original in den Konversationen. Warum wurde in einer wichtigen Unterhaltung eine bestimmte Person erwähnt, die, wenn man der gewichtigen Unterhaltung Glauben schenken darf, zum Teil an den Ereignissen um Jeremy und dem Derceto Anwesen schuld ist? Ganz einfach: Fan-Service! Wichtige Unterhaltungen und Mysterien im Derceto Anwesen mit Easter Eggs zu würzen, die im gleichen Zug auch die Erklärung für die aufkommenden Fragen sind, ist in vielerlei Hinsicht ein Unding, das dazu beiträgt, dass Geschichte noch undurchsichtiger wird. Es scheint fast so, als ob ein Teil der Geschichte fehlt, oder um Zeit und Geld zu sparen, oder nicht genug Zeit blieb, um Inhalte, die im Nichts verlaufen, umzuschreiben und Logiklücken zu schließen. Ein hervorragendes Beispiel dafür ist die Erzählerin der Geschichte, die ebenfalls auf dem Derceto Anwesen behandelt wird. In ihrem Zimmer finden wir ein Buch mit dem Titel “Alone in the Dark“, das alle bisher geschehenen und kommenden Ereignisse enthält. Während die Seiten des Buchs dem Spieler als eine kurze Zusammenfassung dienen, weisen diese auch Abweichungen vom Plot auf, die so nicht geschehen sind. Die Story legt nahe, dass dies gewollt ist, geht aber nicht näher darauf ein.

Die Kugeln kommen vorn raus?

Spielerisch orientiert sich „Alone in the Dark“ stark an Titeln wie „Resident Evil 4“. Die Zeiten der festen Kameraperspektive sind vorbei, stattdessen gibt es nun eine “Over The Shoulder”-Kamera. Vor Spielbeginn entscheidet man sich für Edward oder Emily – beide Geschichten verlaufen gleich, beide besuchen die gleichen Orte und haben die gleichen Ziele, lediglich die Zwischensequenzen unterscheiden sich. Zu Beginn des Spiels drängelt sich Edward z. B. einfach an dem Personal von Derceto vorbei, während Emily durchgelassen wird, da sie eine Angehörige eines Patienten ist. Diese Unterschiede erstrecken sich durch das gesamte Spiel. Wer beide Varianten spielt, bekommt mehr Antworten zu den Vorkommnissen um Derceto, aber auch etliche figuren-spezifische Handlungsstränge vorgesetzt, die zu nichts führen. Man darf hier keine Kampagne wie in „Resident Evil 2“ erwarten, in der jede Figur eine Geschichte mit gravierenden Unterschieden aufweist. Stattdessen sollte man sich darauf einstellen, dieselbe Geschichte aus zwei Blickwinkeln zu sehen.

Beide Figuren starten das Spiel mit einer Handfeuerwaffe – Edward mit einem Revolver und Emily mit einer Pistole. Edwards Revolver scheint mehr Schaden zu verursachen, lädt dafür aber langsamer nach als Emilys Pistole und fasst weniger Kugeln. Beide Figuren finden im Verlauf des Spiels dieselben Waffen. Upgrades für Waffen gibt es keine, dafür lässt sich aber die Umgebung teilweise in Kämpfe einbeziehen. Ziegel und Alkoholflaschen lassen sich als improvisierte Waffen verwenden. Drückt man die Wurftaste, wirft man den Ziegel/Molotow auf den nächsten Gegner und bringt diesen zum Taumeln bzw. setzt diesen in Brand. Hält man die Taste, kann man zielen und so z. B. eine improvisierte Alkoholfalle vorbereiten, die mit einer Kugel entzündet werden kann. Unschön ist, dass man Wurfwaffen, sobald sie aufgenommen wurden, nicht mehr ablegen kann und diese werfen muss. Obendrein wird jegliches Schleichen eurer Figuren durch das Aufsammeln eines Gegenstandes unterbrochen, wodurch Gegner euch schlagartig bemerken.

Aberwitzig ist auch, dass sowohl Edward als auch Emily Gegenstände mit solch einer Wucht werfen können, dass selbst professionelle Baseball-Spieler vor Neid erblassen würden. Wer einen Gegner am Ende einer schummrig beleuchteten Gasse sieht, kann gern den Quick-Wurf probieren. Steht man richtig und der Gegner wird von der automatischen Erfassung angepeilt, fliegen Flaschen und Ziegel problemlos gut 50 Meter, ohne auch nur einen Gedanken an Konzepte wie Gravitation zu verschwenden und treffen ihr Ziel zu 100 %.

Zudem finden sich auch Nahkampfwaffen überall in der Spielwelt wieder. Nahkampfwaffen dienen als temporäre Prügel, mit denen man ein bis zwei Gegner aus dem Weg räumen kann, bis sie zerbrechen. Seltsam kann mir die Handhabung der Schlagwaffen vor. Egal, ob ihr Edward oder Emily spielt, die Waffen teilen den gleichen Schaden aus. Hier hätte man bei beiden Figuren Unterschiede einfügen können. Edward hätte z. B. stärker zuschlagen können, wodurch seine Waffen früher zerbrechen, während Emily schneller ist und Gegner mehr zum Taumeln bringt. Welche Waffen ihr aufsammelt, spielt keine Rolle. Äxte richten genauso viel Schaden an wie ein Holzbrett. Die Nahkampfwaffen lassen auf den ersten Eindruck vermuten, dass sie eingefügt worden, damit Spieler ihre Munitionsreserven schonen. Munition spawnt jedoch verlässlich an bestimmten Punkten im Derceto-Anwesen, wodurch folgende Frage aufkommt: Warum sollte man Nahkampfwaffen nutzen, wenn man jeder Gegner erschießen und später seine Reserven auffüllen kann?

Unschön wurde es unterdessen mit Clipping-Fehlern und zufälligen Schadensnummern. An einigen Stellen des Spiels kam es in meinen Durchläufen vor, dass die Figuren an Gegenständen in der Umgebung festhingen oder sogar aus dem Spielbereich entkamen. Nur mit viel Geduld oder dem Hämmern der Renntaste konnte ich zurück in die Spielwelt Am unangenehmsten waren mir die scheinbar willkürlichen Schadenswerte. In meinem ersten Durchlauf starb ich bis kurz vor Ende überhaupt nicht, nur um dann von einem Gegner in die Ecke getrieben zu werden, wo er mich mit einem Schlag zweimal traf. Der resultierende Treffer zog mir mehr als 60 % meiner Lebenskraft ab und endete dort, wo es enden muss – im Tod. In meinen folgenden Durchläufen kam dies mehrfach vor, jedoch ergab es nie einen Sinn und war immer das Resultat eines direkten Treffers in einer Ecke, aus der ich nicht entkommen konnte.

Wiederspielwert, der nichts zur Story beiträgt

„Alone in the Dark“ bietet mehrere Enden, die das Erfüllen bestimmter Bedingungen voraussetzt, aber immer das Finden von Sammelgegenständen beinhaltet. Sowohl als Emily als auch Edward finden im Verlauf des Spiels Alltagsgegenstände, die augenscheinlich keinen Wert haben. Vervollständigt man jedoch sein Set aus drei Gegenständen, offenbaren diese Geheimnisse, die sich auf den Spielverlauf ausüben können oder geben Hintergrundinfos zur Story preis. Mein erster Eindruck zu dieser Mechanik war positiv. Das Finden von Sammelgegenständen beeinflusst den Spielverlauf? Endlich wird eine beliebte Spielmechanik mal gut genutzt! Doch schnell stellte sich Ernüchterung ein. Abseits des ersten Sets, das es euch erlaubt, eine zuvor verschlossene Vitrine zu öffnen, wird diese Mechanik nie wieder bedeutsam genutzt. Stattdessen bekommt ihr für jedes Set Hintergrundinformationen zu den Orten und Personen, während eine Handvoll neue Zwischensequenzen freigeschaltet oder das Erreichen eines neuen Endes erlaubt. Essenzielle Informationen hinter Sammelgegenständen zu verstecken, die die meisten Spieler nie zu Gesicht bekommen, ist zudem alles andere als der Story zuträglich. Die Enden, die man durch mehrmaliges Durchspielen freischalten, tragen obendrein nichts zum Verstehen der Geschichte bei und werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten.

Nostalgische Grafik und Ton

Grafisch ist „Alone in the Dark“ gelungen, aber kein Meilenstein. Das Derceto-Anwesen mit seinen zahlreichen Details schafft es, ein Noir-Feeling zu erzeugen, das sowohl gruselig als auch der Epoche angemessen ist. Musikalisch abgerundet wird die Atmosphäre durch einen Dark-Jazz Soundtrack, der dem Gesamtbild etwas Bedrohlichkeit einhaucht.

Das große Aushängeschild ist allerdings die prominente Besetzung der Hauptfiguren Edward, gespielt von David Harbour und Emily, gespielt von Jodie Comer. Den beiden Hauptfiguren wurde offensichtlich die größte Aufmerksamkeit gezollt, denn die Nebenfiguren kommen weniger schmeichelhaft daher. Während die David Harbours und Jodie Comer recht detailliert glänzen und besonders durch ihre Mimik überzeugen können, kann dies von den Nebenfiguren nicht behauptet werden. Die Nebenfiguren wirken deutlich steifer und weniger detailliert, obwohl es sich bei vielen auch um Schauspieler handelt, die für das Spiel digitalisiert wurden. Technisch präsentiert sich das Spiel zudem solide. Die Framerate ist stabil und bricht zu keiner Zeit merkbar ein. Einziges Manko ist das übliche Unreal Engine stottern, das verlässlich an bestimmten Stellen auftritt.

Sehr positiv überrascht hat mich unterdessen die deutsche Vertonung. Die deutschen Sprecher sind wirklich gelungen und sogar die zahlreichen Notizen werden von ihren Verfassern vorgelesen. Allerdings ist auch die Vertonung nicht ganz makellos. Ein peinlicher Fehler findet sich z. B. in den Notizen: Hier spricht der Sprecher seinen Text und nimmt eine Zeile des Textes erneut auf, wodurch eine Zeile doppelt vorgelesen wird. In einer weiteren Szene wurde die Audiodatei zudem gelagert abgespielt, wodurch ein Monolog doppelt vorhanden ist. Ein weiterer Punkt, den ich bemängeln muss, ist die Abmischung. Besonders bei den Notizen gibt es starke Unterschiede beim Ton der Sprecher. Viele männliche Sprecher hören sich deutlich lauter bzw. präsenter als ihre weiblichen Kollegen an, wodurch man den Eindruck hat, dass im Tonstudio unterschiedliche Mikrofone verwendet wurden.

Fazit


TEST: Alone in the Dark – Nur im Namen einsam
Fazit
"Alone in the Dark ist ein passables Horrorspiel und das beste der Serie seit Langem. Es sollte jedoch kein Survival-Horrorspiel erwartet werden, da es weder Inventar-Managment gibt, sowie Munition begrenzt ist. Vielmehr handelt es sich um leichte Horrorkost mit starken Detektiv-Noir Einflüssen. Für mich ist Alone in the Dark die Verkörperung eines guten, aber mit reichlich Makeln behafteten Spiels, das besser hätten sein können. Mehr Geld und vor allem mehr Zeit hätten für das Spiel wahre Wunder bewirkt. So ist Alone in the Dark nur etwas für Liebhaber des Genres und Fans der Serie, die willens sind, über die zahlreichen Schönheitsfehler hinwegzusehen und Zeit mit einem stimmungsvollen Budgetspiel zu verbringen, das mit seinem großen Namen Werbung macht."
Positiv
Stimmungsvolles Setting
Gute Vertonung
Negativ
Mittelmäßiges Kampfsystem
Erzählstruktur ist wirr und ergibt wenig Sinn
Unterentwickelte Mechaniken
7

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