„As Dusk Falls“ von Entwickler INTERIOR/NIGHT wählt den nervenaufreibenden Ansatz, den man einst in „Heavy Rain“ erleben konnte. Ein spannendes Drama, in dem zwei Familien und deren Leben durch tragische Ereignisse völlig aus den Fugen geraten. Ob „As Dusk Falls“ zwei Jahre nach dem Initial-Release auch auf PS5 überzeugen kann, erfahrt ihr in unserem Test.
Die Story von „As Dusk Falls“ ist eine Art Roadmovie-Story, die in Arizona startet und je nach Entscheidungen der Spieler im Gefängnis oder am Strand von Mexiko endet. Dazwischen erlebt man familiäre Tragödien, dumme Ideen aus der Not heraus, aber erlangt auch die Erkenntnis, was Liebe und Vertrauen für einen Unterschied ausmachen können. Durch den starken Fokus auf Entscheidungen liegt es komplett in der Hand des Spielers, wie diese Story ausgeht, wobei die Konsequenzen selten vorhersehbar sind.
Zwei Famlien, zwei Schicksale
Hinter „As Dusk Falls“ stehen ehemalige Entwickler von Quantic Dream, womit man schon fast die Garantie für eine spannende Erzählung hat. Wer damals „Heavy Rain“ mochte, wird „As Dusk Falls“ lieben. Darin dreht sich es sich zunächst um die Familie Walker, dessen Dad Vincent, seine Tochter Zoe und seine Frau Michelle in der „Wüste“ von Arizona in einen Beinaheunfall verwickelt werden. Darin kollidieren sie mit den Söhnen der Familie Holt, die gerade das Zuhause des Sheriffs überfallen haben und auf der Flucht sind. Gezwungen, im Desert Dream Motel zu übernachten, geraten die Dinge völlig außer Kontrolle. Es kommt zur Geiselnahme, wilden Schießereien und Toten. Ab da rückt vor allem der Sohn Jay Holt in den Mittelpunkt der Story und den man fortan auf seiner Flucht begleitet.
Ohne zu viel verraten zu wollen, ist Jay ein eher zurückhaltender Typ (abhängig von euren Entscheidungen), weshalb ich seinen Pfad eher auf dieser Eigenschaft verfolgt habe. Darin tritt er als Beschützer von Zoe auf, macht unterwegs eine Liebesbekanntschaft und ist letztendlich der vernünftige Typ, der ungewollt in diesen Schlamassel geraten ist. Wohl auch, da er in seiner Familie und unter den Brüdern eher der Außenseiter ist und somit den dummen Ideen der anderen skeptischer gegenübersteht und diese meist ablehnt. Diese Haltung kann ihn möglicherweise nicht vor dem Schlimmsten am Ende bewahren, ihm aber zumindest das Leben retten. Ein Blick auf das Storyboard zeigt jedoch auch, dass es für Jay katastrophal enden kann.
Parallel zum Schicksal der Holt-Familie verfolgt man jenes der Walkers, die völlig unschuldig in diese Situation geraten, die aber ebenso tragisch verlaufen kann. Vincent steht vor allem vor der Frage, wie er mit seiner Kündigung bei einer Airline umgehen soll, was ihn überhaupt erst auf diese Reise bringt. Auch hier lenken eure Entscheidungen das Schicksal der Familie, ob dieses gut oder schlecht ausgeht oder sogar in einem Desaster endet. Das wird vor allem in der Hostage-Szene im Motel deutlich, wo das Schicksal jedes einzelnen auf dem Spiel steht. Gleichzeitig, und oftmals durch Rück- und Vorblenden erzählt, ist die Familie Walker jedoch nicht unbedingt die Vorzeigefamilie, für die man sie anfangs hält.
Eine spielbare TV-Serie
„As Dusk Falls“ wird über sechs Episoden erzählt, die jeweils knapp über 1 Stunde dauern. Jede Episode behandelt einen Abschnitt auf dem Roadtrip, wird durch Vor- und Rückblenden erweitert und es werden immer wieder neue Charaktere eingeführt. So lernt Jay später Vanessa kennen, die ihm unbewusst bei seiner Flucht hilft, oder man trifft auf die erwachsene Zoe, dessen Schicksal aus dem Motel sie möglicherweise wieder zusammenführt. Das Storyboard weist für jeden Hauptcharakter sehr unterschiedliche Entwicklungen auf, die mal früher, mal später enden können, die sie wieder zusammenführt oder voneinander entfernt.
Diese Art der Erzählung ist alles andere als einfach, damit sie am Ende auch stimmig ist. Das haben damals Spiele wie „Heavy Rain“ gezeigt, die nicht selten über die eigene Story gestolpert sind und teils unlogisch wirkten. In „As Dusk Falls“ hatte ich zu keiner Zeit das Gefühl, dass es hier etwas nicht ins Bild passt. Manchmal wirkten Charaktere vielleicht etwas emotionslos, wenn gerade etwas Dramatisches passiert ist, in der Gänze ist die Story allerdings absolut überzeugend und glaubhaft. Ein spannendes Drama von Anfang bis Ende, dessen Auflösung, das Schicksal der Charaktere und vor allem die Konsequenzen eurer Entscheidungen nicht schnell genug kommen können. Durch die vielen Verzweigungen und derart unterschiedlichen Verläufen lohnt sich daher auch ein zweiter Durchlauf.
Hier wurde Potenzial verschwendet
Allerdings muss man sagen, dass „As Dusk Falls“ einiges an Potenzial verschenkt hat, das das Spiel leicht auf eine Stufe mit z.B. „Life is Strange“ gestellt hätte, über das noch Jahre nach der Veröffentlichung gesprochen wird. Das betrifft vor allem den gewählten Artstyle und das Gameplay, der für eine gewisse Distanz zu den Charakteren sorgt. Diese Art von Spielen, wo Entscheidungen oftmals aus persönlichen Gegebenheiten heraus getroffen werden, soll ja die Bindung zu einem Charakter stärken, in dem man die Kontrolle über diesen hat, ihn durch die Welt steuert und Verantwortung für ihn übernimmt. In „As Dusk Falls“ wird das alles derart reduziert, dass man im Grunde eine sechsteilige TV-Serie schaut und ab zu ein paar Buttons drückt. „As Dusk Falls“ könnte man ind er Art problemlos auf Netflix veröffentlichen.
Sämtliche Spielszenen laufen vor einem in einzelnen Frames ab, die um Quick-Time-Events und Point-and-Click-Mechaniken ergänzt werden. Das irritiert anfangs so sehr, dass ich die Camera-Shake-Option abschalten musste, um visuell nicht überfordert zu werden. das Spielprinzip, einschließlich der sozialen Komponente mit Tablet oder Smartphone hatte ich schon in unserer Preview zu „As Dusk Falls“ vorgestellt.
Indes werden klassische Zwischensequenzen vollständig animiert, vergleichbar mit „Life is Strange“, was ich mir so für das ganze Spiel gewünscht hätte. Das hat sicherlich einiges an Produktionskosten eingespart und ist auch mal ein interessanter und anderer Ansatz, dennoch denke ich, hier hat man leichtfertig einen potenziell größeren Erfolg einfach so geopfert. Zumal sämtliche Frames nicht vollständig gezeichnet wurden, sondern auf echten Schauspielern basieren, welche im Anschluss stilistisch zu Videospielcharakteren gewandelt wurden. Man kann sich damit anfreunden, aber es war letztendlich nicht die beste Wahl bei der Art-Direction.
Dafür überzeugt wieder die erzählerische Leistung der Sprecher, die zumindest im Englischen einen exzellenten Job machen und denen man gespannt Sekunde für Sekunde folgt. Dafür konnte man unter anderem die Schaupieler Neil Newbon (Astarion in Baldur’s Gate 3) und Ben Starr (Clive Rosfield in Final Fantasy XVI) verpflichten. Die Story und die Leistung des Casts harmonieren hier auf einem solch unglaublich hohem Level, das man in dieser Art nur selten in Spielen findet. Das macht „As Dusk Falls“ letztendlich auch so sympathisch und lässt es mehr wie eine professionelle TV-Serie und nicht unbedingt wie ein Spiel wirken.