Nach Ubisoft mit “Far Cry 5” versucht sich nun Entwickler Paranoid Productions an der ziemlich interessanten Thematik eines Sektenkults, die sich von der modernen Gesellschaft verabschiedet haben, um abgeschieden in einer eigens gegründeten Gemeinde ihrer Ideologie nachzugehen. Hier findet das Leben nach eigenen Regeln und Geboten statt, und alles, was dem widerspricht, muss bekämpft werden. Abermals wird damit deutlich, wie gefährlich solche Kultisten einst waren, und noch immer sind, und wie geschickt sie ihre Anhänger für sich gewinnen.
In “The Church in the Darkness” geht man zurück in die 70er Jahre, eine Zeit, die für Sektengruppierungen wie Peoples Temple bekannt ist und die oftmals ein katastrophales Ende wie dem Massensuizid nahmen. Das berühmte Jonestown Massaker scheint eine der Vorlagen schlechthin für “The Church in the Darkness” gewesen zu sein, denn auch hier sind radikale Tendenzen allgegenwärtig. Wie diese Geschichte für euch ausgeht, das liegt ganz allein an euch!
In “The Church in the Darkness” leiten der charismatische Isaac und Rebecca Walker eine Mission für kollektive Gerechtigkeit. Von der US-Regierung verfolgt, flüchten sie in den Dschungel Südamerikas, um dort einen Ort des Friedens zu errichten, mit dem passenden Namen Freedom Town. Ihr selbst schlüpft dabei in die Rolle von Vic, ein ehemaliger Polizist, der sich auf die Suche nach seinem Neffen Alex macht, von dem seit Monaten nichts mehr zu hören ist. Eure Aufgabe: geht nach Freedom Town und findet heraus, was dort passiert ist.
Unendliche Möglichkeiten und Auswege
Zugegeben, das Progression-System im Spiel kann ziemlich verwirren und zielt offenbar darauf ab, so viele Facetten wie möglich zu erleben. So kann der erste Playthrough ganz unfreiwillig schon nach wenigen Minuten mit dem eigenen Tod wieder vorbei sein. Also Neustart und ein bessere Equipment gewählt, das uns zumindest ein wenig von Freedom Town erkunden lässt. Schnell wird man feststellen, dass jeder neue Anlauf eine andere Erfahrung verspricht, da der Startpunkt jedes mal anders gewählt wird, Charaktere befinden sich an anderen Orten usw.
Aus der Top-Down Perspektive erkunden wir also die Gemeinde, schleichen uns an den Einwohnern und fanatischen Anhängern vorbei und treffen nach wenigen Minuten auf Theresa, die uns einen Hinweis auf der Karte gibt, wo wir Alex finden können. Zwischendurch lassen sich sämtliche Häuser durchforsten, Notizen oder weiteres Equipment sammeln, das uns schon eine Vorahnung darauf gibt, dass dieser Ort wohl doch nicht so friedlich ist, wie es uns die Anführer vielleicht weismachen wollen. Das Lesen von Notizen und Hinweisen innerhalb von Freedom Town ist dabei unabdinglich, um die Sekte und dessen wahre Absichten wirklich zu verstehen.
Im Grunde kann man “The Church in the Darkness” als Stealth-Spiel beschreiben, da wir uns stets überall und am Blickwinkel der Einwohner vorbeischleichen müssen, wir können uns in Schränken verstecken, für Ablenkung mittels Wecker oder Funkgerät sorgen und so Freedom Town infiltrieren. Ob wir dabei komplett im Verborgenen vorgehen oder offensiv, entscheidet man von Situation zu Situation. Oftmals hat man gar keine andere Wahl, als diesen oder diesen Weg zu gehen. Und wenn alles nichts hilft, rennen wir auch einfach mal durch die Karte und hoffen, unsere Verfolger abschütteln zu können. Klappt jedoch nicht immer!
Was wiegt stärker? Der Glaube oder die Wahrheit?
Interessant wird es, als wir das erste Mal auf Alex treffen, denn dieser ist fest entschlossen in Freedom Town zu bleiben – ein Ort der Glückseligkeit für ihn. Nun ist es an euch, seine Entscheidung zu akzeptieren und die Gemeinde wieder zu verlassen – und Ende – oder sich weiter durch Freedom Town zu schlagen, Beweise zu sammeln und Alex vom Gegenteil zu überzeugen, vielleicht doch mitzukommen. Dazu trifft auf man unterschiedlichste Charaktere, die alle mit einem eigenen Hintergrund den Weg nach Freedom Town gegangen sind. Mal ist es der Rassismus in der westlichen Welt, mal ist es ein Veteran, der nach dem Krieg ein friedlichen Ort zum Leben sucht. Und obwohl alle irgendwie schon vermuten, dass auch Freedom Town nicht das ist, was sie sich davon erhofft haben, bleiben sie dem Ort verbunden, bis man sie irgendwie vom Gegenteil überzeugen kann. Je länger man sich in Freedom Town aufhält, je mehr man sich mit den Charakteren dort unterhält oder je mehr man die Sekte wirklich versteht, desto tiefere Einblicke erhält man in dieses ideologische Konstrukt, das von Spielminute von Spielminute immer spannender wird.
Wer sich für diese Thematik interessiert, findet in “The Church in the Darkness” ein durchaus spannendes Spielkonzept, bei dem man nie weiß, wie das Ende von insgesamt 19 ausgehen wird. Einzig das etwas seltsame Progression-System kann schnell in Frust umschlagen, das es zwar zwei mal erlaubt zu sterben und von den Sektenanführern belehrt zu werden, danach wird man dann jedoch aus Freedom Town geworfen und muss wieder von ganz vorne beginnen.
Ansonsten weiß die Atmosphäre sehr zu gefallen, man kann die Gemeinde dabei beobachten, wie sie für ihr Überleben arbeiten, es gibt eigene Schulen, Spielplätze, eigene Viehzucht und Anbaufelder, Gebetsorte und vieles, was die Gemeinde unabhängig von der Außenwelt macht. Auf der anderen Seite sieht man aber auch vieles, das sehr befremdlich wirkt. Leute, die geopfert, gesteinigt oder eingesperrt werden, schwer bewaffnete Patrouillen, Zwangsarbeit. All das mit für Sekten typische Durchhalteparolen und Predigten, die überall durch Lautsprecher hallen und euren Glauben festigen sollen. Ein durchaus stimmiges Bild, auch wenn die gewählte Top-Down-Perspektive nicht das volle Potenzial dieser Thematik ausschöpfen kann.