Erinnert ihr euch noch an die drei wenig erfolgreichen Parapsychologen Dr. Peter Venkman, Dr. Raymond Stantz und Dr. Egon Spengler – eben jene Geisterjäger, welche im New York der achtziger Jahre mit Witz, Finesse und Unterstützung eines kleinen grünen Geistes namens -Slimer-, allerlei paranormale Phänomene aufklärten?
Wenn ja, dann seid ihr möglicherweise ein glückliches Kind der Achtziger oder ein Kenner Dekaden überdauernder Pop-Kultur, denn eben jene Geisterjäger stehen für beste Unterhaltung in jedwedem Medium.
In ein ähnliches Szenario wirft euch auch Publisher NIS America in seinem jüngsten Europa Release. In Tokyo Twilight Ghost Hunters seid ihr wieder einmal das „New Kid“ in der Stadt. Und als eben jenes werdet ihr bereits an eurem ersten Tag in der neuen Schule von einer okkulten Organisation namens „Gate Keepers Inc.“ rekrutiert.
Bei dieser Truppe üblicher Stereotypen handelt es sich um Geisterjäger, welche unter dem Banner einer, an der Aufklärung paranormaler Phänomene interessierten, Institution, für den schnöden Mammon, Heimgesuchte von ihrem Leid (Spuk) befreit.
Noch bevor ihr in den Trott um Geisterjagd und Zwischenmenschliches geworfen werdet, steht es euch frei euren Charakter ein wenig zu individualisieren. So ist es euch möglich, euren Namen, eure Herkunft, eure körperlichen Eigenschaften (Größe, Gewicht) etc. festzulegen. Dies unterstreicht die Rollenspiel-Ambitionen, welche Tokyo Twilight Ghost Hunter in sich trägt. Leider werden jene Entscheidungen, die ihr in diesem Bezug trefft, keinerlei Einfluss im weiteren Spiel nehmen. Ähnlich sieht es mit jedweder anderen zwischenmenschliche Interaktion im Verlauf des Spieles aus.
Das im Vorfeld angepriesene Interaktions-Feature unter Zuhilfenahme von Gefühlen und Sinnen ist mehr eine Farce, denn sinnvolle Ergänzung. So lässt euch das Spiel fast komplett im Dunkeln darüber, wie einzelne Entscheidungen über die Wahl von „Emotion“ und „Sinn“ sich bei eurem Gegenüber auswirken.
Ein Beispiel: Ihr werdet darum gebeten an einer Lokalität nach Hinweisen auf übernatürliche Präsenz zu suchen. Hierbei wird, wie es üblich für eine Visuel Novel ist, euer Gesprächspartner nebst Textblase abgebildet. Nun steht es euch frei, auf die Bitte um Suche nach einem Hinweis, wie folgt zu reagieren. Entscheidet ihr euch für eine herzliche, freundschaftliche, nachdenkliche, traurige oder aggressive Reaktion? Nutzt ihr dazu euren Hör-, Riech-, Tast-, Geschmackssinn oder einfach eure Augen? Ich kann es euch sagen. Es ist egal. Keine Auswahl hat auch nur ansatzweise einen tieferen, weiterführenden Einfluss auf den weiteren Spielverlauf. Oder zumindest hat sich mir nichts derartiges erschlossen. Dies führte dazu, dass ich auf jede, ähnlich geartete Interaktion mit der Auswahl „Herzlichkeit“ und „Geschmackssinn“ reagierte. Bei dem einen oder anderen Kommunikationspartner führte dies zwar zu Unverständnis, ob meiner herzlichen Züngelei. Weitere Nach- oder Vorteile hatte ich dadurch jedoch nicht.
Story…
Kommen wir noch einmal auf die Geschichte zu sprechen. Als „Der Neue“ tretet ihr also der illustren, geisterjagenden Truppe, welche sich zu einem Teil aus euren Mitschülern rekrutiert, bei.
Hier trefft ihr auf die üblichen Versächtigen à la -Otaku Nerd-, -miesepetrigem Mädchen-, -taffer Chefin mit tiefem Dekolleté – etc. Von eurem Hauptquartier, welches als eine Art Hub fungiert, aus, nehmt ihr Story-Aufträge und Nebenmissionen an oder vertreibt euch die Zeit mit einer Art Karten-/Brettspiel, in dem ihr mit euren „Mitstreitern“ Geister jagt und hierbei zugleich deren Fertigkeiten steigert. Gleiches bewirkt das gemeinschaftliche Training mit euren Kollegen, welches lediglich ein immer gleiches, kurzes Gespräch und folgend anwachsende Charakterwerte, beinhaltet. Ihr stattet eure Charaktere mit Waffen und anderem Equipment aus, speichert das Spiel und so weiter und so fort. Irgendwelche weiterführenden Interaktionen mit anderen Charakteren abseits der Story braucht ihr hier nicht erwarten.
Das Spiel, welches offenkundig eine Mixtur aus Visual Novel und Strategie-RPG ist, gibt seinen Charakteren leider keine Möglichkeit, Tiefe zu entfalten. Keiner der Stereotypen entwickelt sich auch nur im Ansatz weiter. Gleichermaßen oberflächlich verbleibt auch die Story. Sie stellt sich als Aneinanderreihung einzelner Episoden dar. Jede Folge „unterhält“ euch mit dem immer gleichen „Intro“ und dem selben „Abspann“. Gähn!
Die einzelnen Episoden behandeln dann voneinander unabhängige -Geistergeschichten-. So helft ihr mal einem Popsternchen bei dem Problem einer spukenden, kürzlich verstorbenen Bühnen-Partnerin oder bekämpft, im Auftrage eines jungen Mannes, dessen kürzlich dahingeschiedene Verlobte. Die Geschichten sind teils recht unterhaltsam, entfalten jedoch keine weiterführende Tiefe. Dies führt dazu, dass Tokyo Twilight Ghost Hunters in Bezug auf den Visual-Novel-Part weit hinter Genre Vertretern wie „Danganronpa“ oder „Zero Escape“ zurück bleibt.
Geisterjagd…..
Ziel einer jeden Episode ist es den heimsuchenden Geist zu besiegen. Hier kommt ein weiteres Element des Spieles zum Tragen. So findet die -Geisterjagd- auf einer Art Ouija-Brett statt. Dies stellt das Areal des folgenden Kampfes dar und ihr seid vorab in der Lage, den folgenden „Exorzismus“ strategisch zu planen.
Hier ein wenig Salz streuen, damit der Geist jene Stelle nicht passieren kann, dort ein wenig Weihwasser hinträufeln, da eine Falle und dort eine Ablenkung. Nach der Planungsphase macht ihr euch mit eurer, bis zu vierköpfigen, Partie auf die Suche nach dem Geist. Und hier kommt richtiger Frust ins Spiel. Was auf dem Papier nach einer strategischen und spannenden Geisterjagd klingt, zerrt in Realität arg am Nervenkostüm.
Euren Charakteren steht nur eine begrenzte Anzahl von Aktionspunkten zur Verfügung. Die sind manchmal schneller aufgebraucht, als man -Ghostbusters- sagen kann. Während euch euer „Operater“ mitteilt, dass er am Fenster ein Geräusch wahrgenommen hat, könntet ihr schon vor Wut in den Controller, respektive die Vita, beißen, da ihr seht, dass ihr, mit den euch zur Verfügung stehenden Aktionspunkten, eine halbe Ewigkeit bräuchtet, um an die genannte Stelle zu kommen. Und ein Geist wäre kein Geist, wenn er nicht durch Wände oder Wasserleitungen gehen könnte. So rennt ihr dem Geist, wenn ihr Pech habt, die ganze Spielphase über hinterher. Gut, die ist nach einer bestimmten Anzahl von „Runden“ beendet und ihr könnt euch dann überlegen, ob ihr die Jagd wiederholt oder anstelle dessen aufgebt und die Schmach der Niederlage ertragt und mit der Planungsphase von vorne beginnt – aber das macht es doch nur umso frustrierender! Nun mag man vielleicht noch behaupten, dass ein Geist nun mal nicht einfach wartet und dass „Suchen und Finden“ doch Intention der Geisterjagd ist. Leider bedeutet das Finden eines Geistes noch lange nicht „Kampf“. Denn das, in meinen Augen, größte Problem des Kampfsystems zerstört die Hoffnung auf einen finalen Geister-Showdown. Der böse Tunichtgut bewegt sich nämlich in eurer Bewegungsphase. Ihr plant also die Aktionen eurer einzelnen Charaktere – geht beispielsweise auf den Geist zu und greift an. Treffer? Vielleicht. Aber nicht unbedingt, denn der Geist bewegt sich ebenfalls und das führt dazu, dass ihr trotz pfiffiger Planung, fröhlich ins Leere schlagt. Und nun denkt an die begrenzte Rundenanzahl (meinetwegen 15 oder 20). Das kann zu einer Lustigen „Verklopp-20-Minuten-die-Luft“ Aktion verkommen. Spaß sieht anders aus!
Was zum einen das originellste Element des Spieles ist, stellt sich also zugleich auch als dessen Schwäche dar.
Und Tokyo Twilight Ghost Hunters streut auch noch Salz in die Wunde (Ihr versteht?! Salz!…Geister! Naja.), denn es erklärt sich so gut wie überhaupt nicht. Das fängt bei dem bereits beschrieben Interaktionsmenü an und setzt sich beim Kampfsystem fort. Ein kleiner Punkt an meiner Stirn, ich nenne ihn Frustzone, ist für derartige „Geheimniskrämerei“ besonders empfänglich.
Grafik und Sound…
In puncto Design ist Tokyo Twilight Ghost Hunters ein zweischneidiges Schwert. Während die Kämpfe vor allem durch ihre schlichte Darstellung bestechen -so werden eure Charaktere und Gegner lediglich als Pfeile -von oben- dargestellt und lediglich im Falle eines Aufeinandertreffens wechselt das Spiel in die Ego-Perspektive- sind die Charakter- und Hintergrundzeichnungen im Visual-Novel-Teil wirklich gelungen. Gesprächspartner wirken wie mit Wasserfarben gezeichnet und Areale gefallen durch ihre Atmosphäre.
Ähnlich ist es bei der Klangkulisse des Spieles. Ist die Musik, wenn auch manchmal etwas zu präsent, doch recht stimmig und ein Pluspunkt, so sieht das bei der -lediglich japanischen- Sprachausgabe schon anders aus. Diese ist so spärlich vorhanden, dass man eigentlich hätte in Gänze darauf verzichten können.
Ferner sollte man der englischen Sprache mächtig sein, denn Bildschirmtexte gibt es eben nur in jener Variante.
Entwickler: Toybox Inc.
Publisher: NIS America
Release: erhältlich (PS3/PS Vita)
Offizielle Homepage: www.nisamerica.com
[asa]B00QUY73K0[/asa]