TEST: WRC 4 – Bleifuß oder Bleiente?

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Als im Jahre 1984 Stig Blomqvist mit seinem Audi Quattro die FIA World Rallye gewann, rechnete wohl keiner damit, dass der nächste Triumph eines deutschen Fabrikates fast 30 Jahre auf sich warten lassen wird.

Doch Rallyesport folgt seinen eigenen Regeln und somit gelang es erst dem Franzosen Sébastien Ogier in der aktuellen Saison mit einen deutschen Boliden den Gesamtsieg einzufahren. Und ratet mal womit! Richtig! Mit einem Volkswagen – Modell: Polo!

Somit verwundert es nicht, dass sich die Spieleschmiede Milestone entschieden hat, das Cover ihres aktuellen Rallyespieles, namentlich World Rally Championship 4, eben jenem Siegerfahrzeug Ogier’s zu widmen.

Während sich die vermeintlich übermächtige Konkurrenz von Codemaster in der dritten Auflage ihrer Dirt-Reihe immer mehr dem Zirkus um „Gymkhana“ und dem damit einhergehenden hippen Dubstep-Overstyle-Glamour einer neuen Generation von Rennsport-Enthusiasten zuwendet, haben es sich die Mailänder Rennspielexperten von Milestone scheinbar auf die Fahnen geschrieben, die Puristen unter den Rennsportfans -die wahren Freunde schlichter Rallyeunterhaltung- zu bedienen.

So wird man im Hauptmenü von WRC 4 nicht etwa von basslastigen Synthie-Sounds und hin- und herflippenden, in Blureffekt gehaltenen und mit Neonfarben verzierten, geometrischen Figuren empfangen. Auch werdet ihr von keinem pseudocoolen Sprecher aus dem Off vollgelabert, der euch seine langjährigen Erfahrungen im „stylisch Sein“ an die Backe tackern möchte. Nein, bei WRC 4 erwartet euch ein einfach gehaltenes Menü, welches euch, nach einem kleinen, aber feinen Tutorial-Video, Zugriff auf die üblichen Rennspielmodi gibt.

Während im Hintergrund stimmungsvolle Echt-Videoaufnahmen von Rallye-Events das Menü auflockern, könnt ihr in diesem leicht zwischen Schnellrennen, Multiplayer-Rennen, Rallye- und dem Karrieremodus wählen. Das -Schnellrennen- lässt euch nach dem Zufallsprinzip unkompliziert ein Einzelevent austragen. Dementgegen habt ihr beim Rallyemodus die Möglichkeit zwischen Einzeletappe (Auswahl aus 78 Stecken), Einzelrallye (13 unterschiedliche Austragungsländer á 6 Strecken) und Meisterschaft zu wählen.

Die Meisterschaften lassen sich hierbei in den offiziellen Klassen der FIA Rally Championship, also der WRC, WRC 2, WRC 3 und Junior WRC in Angriff nehmen. Der Saison-Rennkalender ist zudem individuell gestaltbar. Die Auswahl bestimmter Rallyes und Strecken ist ebenfalls möglich.

Herz des Spieles ist jedoch, wie so oft bei Rennspielen, der Karrieremodus. Im Gegensatz zum Vorgänger -WRC 3- schlüpft ihr hierbei in die Rolle eines Nachwuchsfahrers. Diesen könnt ihr nach eigenem Gutdünken umbenennen – auch Nationalität, Rennnummer etc. lassen sich den eigenen Wünschen anpassen. Lediglich das Profilbild eures Fahrers ist unveränderbar.

Als „Joker“ in einem Team der Junior WRC eingesetzt, arbeitet ihr euch langsam nach oben. Durch das Erreichen gewisser Ziele à la -Sei besser als der Fahrer!- oder -Erreiche Platz so und so!- gewinnt ihr sogenannte Rufpunkte.
Mittels derer und mit Hilfe eures Managers, welcher dem Zeitalter des Internets entsprechend, nur per Mail mit euch kommuniziert, ergattert ihr Fahrersitze in immer besseren Teams, bis ihr irgendwann um die Krone in der WRC mitfahren dürft.

Sehr schade ist, dass hier leider kein wirkliches „Gewinner-Gefühl“ aufkommen mag. So werden nach einem Rally-Sieg lediglich die drei erstplatzierten Fahrzeuge von einem Kameraschwenk eingefangen. Öde! Noch kläglicher wirkt der Versuch Milestones, ein wenig Konkurrenzkampf zwischen den Events aufkommen zu lassen. So kommentiert euer härtester Konkurrent in immer gleichen Sätzen und mit immer gleichem Profilbild euer oder sein eigenes Rennen. Da dies wenig Spannung erzeugt, fällt es nicht schwer, diesen „Netten Versuch“ als Stilmittel zum Kaschieren der doch sehr langen Ladezeiten zwischen den einzelnen Rennen zu enttarnen. Der Karrieremodus ist also nicht viel mehr als zweckdienlich, motiviert aber dennoch. Sich von ganz unten nach oben zu arbeiten, wusste eben schon immer zu gefallen.

Weniger gefallen mag dementgegen die Grafik des Spieles. Hier fährt man der Konkurrenz von Codemaster und Co. wirklich meilenweit hinterher. Zwar ist erkennbar, dass Milestone, im Vergleich zum vorjährigen Serienableger, an der hauseigenen Grafikengine geschraubt hat – doch ist das Ergebnis als weiterhin „unschön“ zu bezeichnen. Die Fahrzeuge wirken nun zwar etwas detaillierter und verfügen über ein ansehnliches Schadensmodell, welches gar auf das Fahrverhalten der Boliden Einfluss nimmt. Auch wirkt die Umgebungsgrafik nun etwas zeitgemäßer als noch bei WRC 3. Dennoch ist das Spiel in etwa so weit von der Grafikpracht eines „Dirt 3“ entfernt, wie eine Bockwurst von einem goldenen Zepter. So sehen die euch zujubelnden Zuschauer einfach nur hässlich aus und selbst euer Büro und eure Teamgarage wirken steril und altbacken.

Besonders auffällig wird das schwache Grafikgerüst bei Regenfall – absolut unzeitgemäße Wassereffekte, auf der Strecke als auch in der Cockpitansicht (im Übrigen eine von 5 möglichen Perspektiven) auf der Scheibe bedürfen dringendst einer Frischzellenkur – Auch schade ist, dass Milestone es immer noch nicht geschafft hat, Nachtfahrten in das Spiel zu integrieren – lediglich Tag-, Sonnenauf- und -untergang stehen hier zur Auswahl. Warten wir also diesbezüglich auf WRC 5, welches dem Turnus der Serie folgend, ja nächstes Jahr erscheinen dürfte.

Hier sollte Milestone auch mal über das teils freche Streckenrecycling nachdenken. So finden sich fast alle Pisten der letztjährigen Version in WRC 4 wieder. Zudem werden bereits Strecken in den einzelnen Austragungsorten in leicht variierenden Versionen angeboten. So fährt man die gleiche Strecke mal in entgegengesetzter Richtung oder nimmt hier und da mal eine andere Abzweigung. Im Großen und Ganzen ähneln sich die Strecken in den jeweiligen Ländern jedoch zu sehr. Zwar wissen die einzelnen Austragungsorte den Charme ihrer Region einzufangen -schneebedeckte Straßen in Monte Carlo, Weinberge an der Mosel, staubige Pisten in Australien- dennoch hat man das Gefühl: „Hast du eine Strecke des Landes gesehen, kennst du alle!“

Es ist in diesem Zusammenhang unbegreiflich, warum man nicht versucht sich an den originalen Austragungsorten der WRC zu orientieren. So verfügt Milestone über die WRC Lizenz – Original-Fahrer, Original-Teams und Original-Fahrzeuge! Warum also keine Original-Strecken?

Ebenfalls kritisieren dürfte der eine oder andere Rennspielfan das sehr rudimentäre Fahrzeug-Setup-System. Die veränderbaren Feineinstellungen an eurem Wagen wirken hier doch sehr beliebig und kratzen lediglich an der Technik-Oberfläche.

Sehr individuelle Einstellungsmöglichkeiten hält WRC 4 dementgegen bei der Fahrunterstützung für euch bereit. So ist es euch über die Spieloptionen möglich, Hilfsmittel, wie zum Beispiel Bremshilfe, eurem eigenen Können anzupassen. Dadurch bietet WRC 4 Anfängern als auch Profis meisterbare Herausforderungen.

Bezüglich des Fahrverhaltens hat Milestone zudem gute Arbeit geleistet. Das Handling der Fahrzeuge ist sehr angenehm und direkt. Mit angezogener Handbremse um eine Haarnadelkurve zu schlittern macht einfach nur Spaß. Sollten die Pferde doch einmal mit euch durchgehen und einen Fahrfehler bedingen, so seid ihr aufgrund der implementierten, jedoch nur begrenzt einsetzbaren Rückspulfunktion, in der Lage, euren Lapsus zu korrigieren.

Spaß macht auch der Sound des Spieles. Ob röhrende Motoren, das Durchfahren von Pfützen oder das Klackern von kleinen Steinen beim Passieren der Schotterpisten – Alles klingt einfach nur kräftig und voluminös und fängt so das Rallye-Feeling ansprechend ein.

Weniger gut ist, dass, selbst wenn eine Frau neben euch auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, immer die gleiche Männerstimme zu euch spricht. Ähnlich scheint es beim Crash mit einem der zahlreichen Leitpfosten gelagert zu sein. Hier erweckt es den Eindruck, als habe die Soundbank der Entwickler nicht den passenden Ton beinhaltet, da es beim Zusammenstoß so klingt, als würde man durch eine Schaufensterscheibe brettern. Mit etwas mehr Blick fürs Detail hätte man hier leicht mehr Flair in das Spiel bringen können.

Letztlich möchte ich auf den Multiplayer-Part zu sprechen kommen. Es mag an der Tatsache liegen, dass man in WRC 4 ohnehin einsam seine Strecke abfährt und Überholmanöver nicht Bestandteil des Spieles sind und aus diesem Grund auf ihn verzichtet wurde, aber dennoch wäre ein Splitscreen-Modus für gemeinsame Couch-Rennabende schön gewesen. Anstelle dessen bietet WRC 4 die Möglichkeit für 4 Spieler abwechselnd an einer Konsole um die Bestzeit zu fahren. Ähnlich ist es beim Online-Modus. Hier könnt ihr gegen 16 Mitstreiter und wahlweise auch gegen deren „Geister“ antreten.

Entwickler: Milestone
Publisher: PQube Games
Release: erhältlich
Offizielle Homepage: www.wrc.com

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TEST: WRC 4 – Bleifuß oder Bleiente?
Puristischer und dennoch spaßiger Rallye-Arcade-Racer mit lediglich marginalen Verbesserungen zur Vorjahresversion und Hang zum Streckenrecycling.
7.2

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