Zu Beginn zur Abwechslung mal kurz und schmerzlos: Ja, auch ich – diese persönliche Perspektive sei hier bewusst gewählt – schließe mich der immensen Kritik am diesjährigen Ableger der erfolgreichsten Shooter-Reihe aller Zeiten an. Es gibt nicht einen Teil von „Call of Duty“, den ich nicht gespielt habe. Selbst mit viel Fantasie kann ich mir nicht vorstellen, dass irgendjemand nicht der Meinung sein kann, man habe nun mit der neuen Version von „Modern Warfare 3“ einen Tiefpunkt erreicht.
Wenn nicht spielerisch, dann mindestens hinsichtlich des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Dabei stehe ich ausdrücklich für Meinungsvielfalt und halte nichts von überbordenden Kritiken, doch 79,99 Euro für das Abgelieferte zu fordern, kann man guten Gewissens als Frechheit bezeichnen. Nostalgie in Form von alten und durchaus genialen Maps, die hier offenbar bewusst als beschwichtigendes Zugpferd genutzt wird, kann daran nur wenig ändern.
Die vehementen Gerüchte, man habe ursprünglich einen DLC vorgesehen, lassen sich an zahlreichen Punkten im Spiel schlüssig aufzeigen. So werden nicht wenige Besitzer des Vorgängers jubelnd vom Sofa aufgesprungen sein, plötzlich den neuen Teil in ihrer Spieleliste zu sehen, obwohl sie diesen (noch) gar nicht gekauft hatten. Die Ernüchterung wird nicht lange auf sich warten gelassen haben, denn „Call of Duty Modern Warfare 2“ wurde einfach durch „Call of Duty Modern Warfare 3“ ersetzt. Als Resultat gibt es keine neue Platin-Trophäe, da die neuen Trophäen lediglich als DLC gelistet werden.
Nutzen kann man das alles natürlich ohne Kauf nicht, aber es verdeutlicht den Charakter eines größeren Updates und gängelt damit alle, die mit dem Vorgänger weiterhin glücklich gewesen wären. Wer möchte denn sein Spiel starten und dann viele Inhalte, die natürlich besonders prominent auf der Startseite platziert werden, nicht spielen dürfen? Vorteilhaft daran ist zwar, dass sich die absurd hohen Gesamtspeichergrößen verringern, weil Call of Duty Modern Warfare 2 und Call of Duty Modern Warfare 3 auf gemeinsame Ressourcen zurückgreifen, aber de facto bekommt man hier einen DLC für 79,99 Euro serviert.
Kampagne – Schlechter denn je
Das wäre alles noch halb so schlimm, wenn spielerisch viel geboten werden würde. In den vergangenen Jahren zeigte ich mich im Rahmen meiner Reviews immer wieder positiv von den teils doch sehr abwechslungsreichen und auch spannenden Kampagnen überrascht. Viel zu oft waren diese besser als ihr Ruf. Und dieses Jahr? Gänsehaut, aber nicht die positive Art davon. Schon lange reizte mich keine CoD-Kampagne so wenig wie in diesem Jahr. Offenbar dachte man nach dem Lob der recht offen gestalteten Schleich-Mission aus dem Vorgänger, dass man dieses Rezept nun einfach in knapp der Hälfte aller Kampagnen-Missionen anwendet.
Was vielleicht erstmal nett klingt, denn schließlich kam die Mission ja gut bei den Fans an, ist in der Praxis die größte Verwässerung einer CoD-Kampagne aller Zeiten. Während das szenische Schleichen durch die Stadt noch extrem spannend war, ist es nun einfach nur ermüdend, auf einer Map mit der Größe und gestalterischen Qualität einer durchschnittlichen Multiplayer-Karte hier und da ein paar Sachen sammeln bzw. anklicken zu müssen und aus Vorratskisten immer wieder den gleichen Kram zu sammeln. Da hilft es auch nicht, dass Qualitätsstufen den Sammeltrieb wecken sollen. Wozu braucht man sowas für eine einzige Mission? Werdet ihr einmal erwischt, stürmen dutzende Gegner stupide auf euch zu, nur um dann ruckzuck von euch abzulassen, wenn ihr euch 20 Meter weiterbewegt. Ergibt doch absolut Sinn, den Infiltranten einfach nicht mehr zu suchen, sobald man ihn zehn Sekunden aus den Augen verloren hat, oder?!
Man muss es ganz klar sagen: Hiermit wird die Spielzeit in die Länge gezogen, denn Kontrollpunkte sind in diesen Missionen sehr (!) rar gesät und die Karten extrem generisch. Vieles erinnert damit an den schon zuvor umstrittenen DMZ-Modus. Im Umfang von 1-2 Missionen hätte es eine nette Abwechslung sein können, aber man musste es ja auf die Spitze treiben und die gesamte Kampagne mit den Missionen vollklatschen. Das wirkt lieblos und notgedrungen, um wenigstens irgendwie auf Inhalte zu kommen. Auch in den anderen Missionen fehlt es an der epischen Inszenierung, welche die CoD-Kampagnen mal mehr und mal weniger auszeichnete. Dafür strotzt die Kampagne sowohl hinsichtlich ihrer Story als auch des Gameplays voller Logikfehler.
Sei es die Art und Weise, wie sich Giftgas ausbreitet, oder wie sich die Charaktere verhalten. Dass die Kampagne trotz der lieblosen Missionen die kürzeste ist, an die ich mich erinnern kann, setzt dem ganzen die Krone auf. Für die Kampagne kann erstmals ganz ausdrücklich keinerlei Kaufempfehlung ausgesprochen werden, außer man ist absoluter Fan und erwischt es in der Grabbelkiste.
Modern Warfare 3 Multiplayer – wenig Neues
Herzstück stellt natürlich wieder der Multiplayer dar. Wenig überraschend setzt man grundlegend auf alle Mechaniken, die man schon aus dem Vorgänger kennt und auch gut funktionieren, hat aber immerhin sinnvolle Änderungen am Balancing vorgenommen. Vor allem der Spielfluss wurde durch agilere Bewegungsmöglichkeiten erhöht. Als „Neuerung“ setzt man dieses Jahr voll und ganz auf neu gestaltete Versionen der Karten des ersten MW2 von 2009. Bei jemandem wie mir, der damals in Call of Duty Modern Warfare 2 zahlreiche Prestige-Stufen durchlaufen hat, weckt dies natürlich einige nostalgische Erinnerungen, wenngleich diese durch die teils drastischen optischen Änderungen bei mir persönlich hin und wieder getrübt wurden. Aber auch alle anderen sollten sich über die sinnvoll strukturierten und abwechslungsreichen Maps freuen, die auch hinsichtlich der Spawns zu verhältnismäßig wenig unfairen Momenten führen, wie es beispielsweise bei Vanguard der Fall war.
Schmerzhaft ist und bleibt das skillbasierte Matchmaking, was ich nach den ersten sehr erfolgreichen Runden ruckzuck zu spüren bekam und mich das alte MW2/3 zurückwünschen ließ. Ansonsten hat das Spiel mit damals jedoch wenig gemein, was nicht nur an den nun wenig puristischen Skins liegt, die einen immer wieder aus dem eigentlich ja realistischen Setting werfen. Da alle Waffen aus dem Vorgänger enthalten sind und ständig durch die Battle-Pässe erweitert werden, hat sich das Arsenal beträchtlich erweitert. Freunde von Freischaltungen werden wieder viel zu tun haben und höchstwahrscheinlich auch mit großer Mühe nie alle Aufsätze und vor allem Skins erspielen, sofern hier nicht schon einiges an Leistung erbracht wurde. Errungener Fortschritt des Vorgängers wird nämlich übernommen, was einerseits nett ist, andererseits aber den erwähnten DLC-Charakter unterstreicht.
Lobend sei der wiederkehrende Kriegsmodus erwähnt, bei dem man sich Stück für Stück durch eine Karte schlägt und durch schnelle Respawns tatsächlich dem Namen gerecht wird. Allerdings wird die einzig verfügbare Karte doch sehr schnell öde, weshalb hier dringend mehr Maps oder Varianten nachgeliefert werden sollten.
Zombies – frischer Wind, aber wenig überzeugend
Viel Hoffnung hatte ich als bekennender Fan der alten Zombies-Modi auf eine kleine Revolution gehofft. Leider wurden diese Hoffnungen enttäuscht und der bereits schwache letzte Zombies-
Modus nochmals unterboten. Ich gebe aber zu: Es mag an mir liegen. Statt kleiner, schlauchartiger Maps setzt man nun auf die große Warzone-Karte. Dies führt zu einer sehr individuellen, ja fast beliebigen Erfahrung in jeder Runde. Was man positiv als Abwechslung herausstellen könnte, entpuppte sich in meinen Spielrunden bislang als seelenloses Geballer ohne spürbare Progression. Vorbei scheinen die Spielrunden, in denen man sich eine vollgepackte, liebevoll detaillierte Map Stück für Stück erschlossen und immer mehr Easter Eggs gefunden hat, wenn man zufällig in einer Ecke abgesetzt wird und zufällig generierte Missionen für minimale Belohnungen erledigen muss.
Gerne seien hiermit etwaige Verfechter des neuen Zombie-Modus eingeladen, mich auf eine Profi- Runde mitzunehmen und mir das zu zeigen, was mir vielleicht aufgrund mangelnder Kenntnis entgangen ist, aber mich konnte er bislang nicht abholen. Grundsätzlich findet sich der – nennen wir es „Charme“ von Warzone im ganzen Spiel wieder, mit dem ich mich irgendwie nicht anzufreunden vermag. Vielleicht muss ich mich auch einfach damit abfinden, dass ich nach fast 20 Jahren CoD nicht mehr zur anvisierten Zielgruppe gehöre und diese neue Spielart eigentlich von der neuen Generation abgefeiert wird. Dazu würde mich eure Meinung in den Kommentaren sehr interessieren!
Das liebe Geld
Abschließend bleibt leider noch ein leidiges Thema: Monetarisierung. Battle-Pässe sind zwar noch immer umstritten, aber durchaus gängig und in Maßen wohl ein Mittel, um für moderates Geld einen gewissen Spieltrieb aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Investoren zufriedenzustellen. Wenn man jedoch einen (gefühlten) DLC für 79,99 Euro verkauft, zusätzlich recht kurze Battle-Pässe anbietet und dann sogar noch die besten Skins hinter eine 30-Euro-Version des Battle-Passes verbarrikadiert, scheint eine gewisse Grenze spürbar überschritten zu sein. Da man den „Blackcell“-Battlepass auch nicht mit den im Rahmen des Battlepasses wieder erspielbaren CoD-Punkten kaufen kann, sondern 29,99 Euro investieren muss, kommt man bei sechs Seasons pro Jahr plus Grundspiel auf einen Gesamtpreis von 260 Euro für ein Jahr volle CoD-Erfahrung. Das geht nicht und muss dringend wieder zurückgefahren werden, egal ob es dabei (hauptsächlich) um kosmetische Gegenstände geht oder nicht. Vor allem bei der jüngeren Generation wird dadurch nämlich ein Handlungsdruck erzeugt, den Battlepass kaufen zu müssen, um „wirklich“ mitzuspielen.
@miau
10 stunden wirklich gute kampagen würde doch reiche oder? bei 20 hätte man wieder gestreckte inhalte ohne ende oder eine open world und da wäre dann der cod faktor (inszenierung, boom effekt, gescrptete szenen etc) nicht mehr vorhanden. es wäre nur ein open world shooter.
Ich würde es begrüßen wenn die mal ein separates reines Offline Kampagnen COD bringen würden so mit ca.20 STD Gameplay ….
yoa… genau das habe ich unter den artikel geschrieben, in dem kritisiert wurde,dass christopher judge sich über cod lustig macht und meinte, dass seine rede letztes jahr auf den game awards länger war als die kampagne des diesjährigen cods.
Ich stimme euch ja oft zu, aber ihr habt das ja schon etwas aufgebauscht… 😉
cod 2024 ist ein witz und selbst wenn ich mit god of war und sony aktuell nicht wirklich zufrieden bin, ein god of war wird besser sein als cod in dieser form. der witz war da irgendwo schon angebracht und ganz ehrlich…. hatte einen wahren kern. daher hat er ja so gut gezogen… weil es einfach stimmt xD