Es gibt auf der Welt wahrscheinlich nur eine geringe Zahl von Leute, die in ihrem Leben noch nie auch nur einmal FIFA gespielt haben. EA’s Fußballsimulation ist zumindest in einer der jährlich erscheinenden Version in fast jeder Spielesammlung zu finden. Mit „FIFA 17“ versucht das Entwicklerteam nun, wieder einmal zu begeistern und das beste Fußballspiel aller Zeiten zu werden, gerade im Vergleich mit dem einzigen echten Konkurrenten aus dem Hause Konami. Hierzu wurden einige kleinere Veränderungen und die ein oder andere umfassendere Neuheit umgesetzt. Aber ob dies wirklich den Umstieg auf den neuen Ableger notwendig macht?
Lizenzen, Spieler und das Ballgefühl
Wie der Titel schon vermuten lässt, verfügt EA über die Unterstützung und die Lizenzen der FIFA und den meisten Ligen und Vereinen, die dazu gehören. Über 650 Teams aus 36 Ligen stehen zur freien Verfügung, ebenso wie viele Stadien, Trainer und alles was dazu gehört. Damit steigert man sich im Vergleich zum Vorjahr noch einmal. Wer auf Authentizität und echte Spieler steht, für den ist FIFA wieder einmal genau das Richtige, denn es macht wesentlich mehr Freude mit seinem Lieblingsspieler und Verein aufs Feld zu ziehen, als mit unbekannten oder ausgedachten Gruppen.
Dank der neuen Frostbite-Engine, wie sie auch bei Battlefield 1 zum Einsatz kommen wird, holt man einiges aus dem Titel heraus und sorgt dafür, dass die Figuren wirklich hervorragend aussehen, egal ob Spieler, Trainier oder Zuschauer, alle sehen wirklich fantastisch aus. Man erkennt auf Anhieb, um wen es sich handelt, auch wenn manche Bewegungen abseits des Feldes hier und da etwas hölzern daherkommen oder die Gesichter etwas zu sehr glänzen. Dafür arbeitet der Rasen sehr gut mit, Abnutzungen lassen sich mit der Zeit deutlich erkennen. Hinzu kommen Dinge wie Freistoßspray, Torlinientechnik oder Fan-Chore, die für eine hervorragende Atmosphäre sorgen, wie man sie gewohnt ist. Als Beispiel: Spielt man gegen Liverpool, hallt ein eindrucksvolles „You’ll never walk alone“ durch das Stadion. Gänsehaut pur! EA hat diesmal viel in die Atmosphäre investiert, achtet man alleine nur auf die tollen Zwischensequenzen und die Licht und Schatteneffekte, lässt aber weiterhin hier und da schleifen, wie etwa bei den fehlenden Vorsängern, Pyro-Techniken oder das, was abseits des Feldes in der Regel sonst so geschieht. Ob man es braucht ist Ansichtssache, aber dem ein oder anderen könnte es durchaus fehlen. Auch die Kommentatoren Frank Buschmann und Wolff-Christoph Fuss sorgen für eine gewisse Stimmung, wiederholen sich jedoch einfach viel zu oft, da sie für manche Spieler immer denselben Spruch haben, in der gleichen Tonlage und Stimmung. Da hätte man durchaus etwas mehr Energie hineinstecken können.
Gameplaytechnisch gibt es im Vergleich zu „FIFA 16“ nicht sehr viele Veränderungen. Es wurde wieder am Offensiv- und Defensivverhalten gearbeitet, wodurch sich das Spiel noch besser anfühlt als bisher. Das Pass- und Zuspielverhalten wurde überarbeitet und lässt nun mehr individuelle Möglichkeiten zu, um mit Steilpässen und besseren Kopfbällen die Macht auf dem Platz zu werden. Darüber hinaus agiert die KI im großen und ganzen intelligenter als bisher, läuft von selbst in Freiräume und schafft Anspielstationen. In der Defensive lässt sich der eigene Körper nun noch energischer in den Zweikampf bringen und kann gemeinsam mit verbesserten Grätschen und aggressiverer Team-Verteidigung den Gegner aufhalten. Besonders die neue Möglichkeit, den Ball noch besser abzuschirmen, bringt neue Bewegung in das Spiel, auch wenn diese Option manchmal deutlich zu mächtig und fast unfair ist. Wer zudem ohne gekonnte Übersicht und Beherrschung der Zweikampf-Mechanik spielt, der wird um wildes hin-und-her-Rennen und Hoffen nicht Drumherum kommen. Sollte doch einmal alles nichts helfen, den Gegenspieler vom Ball zu trennen, sorgen die neue Torwart-KI und die bessere Analyse der Situation und der Torwartbewegungen für hervorragende Paraden, mit der ein Großteil der Bälle entschärft werden können.
Die größte Veränderung findet sich allerdings in den Standardsituationen. Elfmeter, Freistöße und Ecken wurden deutlich verändert. Bei den letzten beiden lässt sich nun mit Hilfe einer kleinen gelben Markierung festlegen, wo der Ball hin gespielt werden soll. Dadurch lassen sich diese Situationen nun besser nutzen, um Flanken gezielt in den Raum zu bringen. Allerdings muss man sich damit erst einmal vertraut machen, denn bis dahin sieht es eher noch etwas unbeholfen aus. Gleiches trifft auch auf die Elfmeter zu – hierbei lässt sich die Ausgangsposition beim Schuss nun selbst bestimmen, ebenso wie der eigene Antritt. Der Schuss wird mit einem Pfeil und der Länge des Tastendrucks platziert. Im Vergleich zu den Vorgängern fühlt sich das zu befremdlich an und sorgt aktuell noch für viele kuriose Szenen, die man auch in den sozialen Netzwerken zu Hauf finden kann. Warum EA diese große Veränderung gemacht hat, kann man nur mutmaßen, und ob es sich durchsetzt muss sich erst noch zeigen.
Insgesamt schafft man es mit „FIFA 17“ wieder einmal, dass Fußballgefühl gut umzusetzen. Die tolle Darstellung und der hohe Grad an original Teams, Ligen und Stadien sorgt für ein ansprechendes Gefühl, dass auch von der Atmosphäre um das Spiel herum stattfindet, sei es bei einem Foul, bei einem Tor oder in engen Situationen; Bank, Mitspieler und Fans reagieren auf alles was passiert. Und das fühlt sich gut an. Zusammen mit dem gut umgesetzten und ansprechend überarbeiteten Gameplay macht es wieder viel Freude, das Spielfeld zu betreten. Leider kommt der Titel nicht ganz ohne Fehler aus, die hoffentlich irgendwann beseitigt werden, denn diese beschädigen des sonst so gute Gesamtbild. Gerade die Standardsituationen fühlen sich etwas komisch an und stehen dem Spieler oft im Weg, da sie zu stark vom bisherigen Standard abweichen.
Die Reise beginnt, das ultimative Team, viel Abwechslung
EA Versucht mit dem neuen Modus „The Journey“ das umzusetzen, was 2K schon seit langem gelingt: das gute Spiel mit einer tollen Geschichte verbinden. Daher schlüpft man in die Rolle des Jungen Alex Hunter, der sich seinen Weg vom unerfahrenen Kind über Auswahltraining und Machtkämpfe hin zur absoluten Legende auf dem Platz bahnt. Man erlebt alle Höhen und Tiefen des Werdeganges direkt mit und kann gut nachvollziehen, wie es sich als angehender Profi so anfühlt. Angefangen beim Auswahltraining, über die ersten Testspiele, bis hin zum ersten Ligaspiel, bei dem man mit liebevollen „Who are you?!“ Sprechchören empfangen wird.
Je nachdem für welchen Verein wir uns als erstes entscheiden, werden an uns verschiedene Anforderungen gestellt. Bei erstklassigen Teams muss man mehr Leistung bringen als bei einem zweitklassigen, verdient dafür aber unter Umständen auch mehr und erreicht mehr Fans.
Darüber hinaus entwickeln wir uns durch Trainingseinheiten und Spiele immer weiter und sammeln im Laufe der Zeit Fertigkeitenpunkte. Mit diesen können wir Alex verbessern, ihm neue Attribute und Bewegungen zukommen lassen und verfolgen, wie er immer besser wird. Hierbei wird komplett auf Mikrotransaktionen verzichtet, die aber auch bei weitem nicht nötig sind. Das System ist sehr stimmig und regt dazu an, auch in den Trainings sein Bestes zu geben.
Auch um den reinen Sport herum passiert viel. Wir können in Dialogen und Interviews entscheiden, ob wir eher der ausgeglichene, der kühle oder der hitzköpfige Typ sind und demnach auch antworten. Dies hat dementsprechend eine Auswirkung auf unsere Stellung beim Trainer und unsere Beliebtheit bei den Fans. Diese entscheiden wiederum darüber, ob wir auf dem Feld oder auf der Bank landen, beziehungswiese ob wir einen guten Werbedeal erhalten oder wenig verdienen. Hier hat man sich wirklich viele Gedanken gemacht, wie man alles mit einander verknüpfen kann und man sich gut überlegen muss, wie man in welcher Situation agiert.
Verpackt wird das alles hinter der Geschichte eines jungen Fußballers und seinem besten Freund, die beide für das gleiche Team spielen, sowie deren Wettkampf, einer emotionalen Familiengeschichte und dem streben danach, der beste Fußballer der Welt zu werden.
Insgesamt gelingt das EA auch ganz gut, allerdings bleibt hier und da noch Potential ungenutzt. Entscheidungen haben keine direkte Wirkung auf den Verlauf der Geschichte, da diese gradlinig weiterläuft. Den Cheftrainier unseres Teams sehen wir zwar ab und zu mal umherlaufen, Gespräche und Trainings werden aber ausschließlich mit dem Assistenten durchgeführt. Und der größte Negativaspekt: Warum kann man keinen eigenen Pro entwickeln und nutzen? Klar, dafür gibt es den „Be a Pro“ oder den „Be a GM“-Modus, allerdings muss man diese Trennung nicht verstehen.
Wo wir gerade bei anderen Modi sind: Hier hat sich nicht viel zum Vorgänger verändert: Direktes Spiel, Online-Liga, Saison, Pokal, 11 gg. 11,, die virtuelle Bundesliga, Skill-Spiele zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten, FIFA Ultimate Team; alle Modi sind so erhalten geblieben wie man sie kennt und liebt. Verbessert wurden die „Be a“-Modi, die nun über ein wesentlich besseres Trainer-Feedback verfügen, das einem auch wirklich weiterhelfen kann. Beim FIFA Ultimate Team, dem heimlichen Helden des Spieles, wurde die sogenannte „Squad-Building-Challenge“ hinzugefügt, in der man vermeintlich überflüssige Spieler aussortieren kann, um sie gegen ebenfalls vermeintlich stärkere Spieler zu tauschen. Hier müssen verschiedene Voraussetzungen wie „nur zwei Nationen“ oder „alle Spieler gold“ erfüllt werden, ehe man seine Spieler opfern kann. Die Idee dahinter ist auf jeden Fall attraktiv, allerdings ist es oft wenig lukrativ und vor allem lassen sich einige der neuen Spieler nicht auf dem Transfermarkt verkaufen, was ein deutlicher Minuspunkt ist.
Alles in allem sind die Modi in „FIFA 17“ genau das, was man erwartet. „The Journey“ ist eine tolle Neuheit, die in den nächsten Jahren mit Sicherheit noch weiter ausgebaut wird, nun aber schon einmal viel Freude bereitet. Leider fehlen hier und da noch die individuellen Feinheiten und Entscheidungen, durch die jeder seine persönliche Reise erleben würde. Außerdem gibt es bei einigen Spielern Probleme bei der Performance, gerade bei den Skillspielen, die oft ruckeln und haken. Das darf bei so einem Titel eigentlich nicht passieren.