TEST: It Takes Two – Grandioses KoOp-Adventure zum Dahinschmelzen

Patrick Held 1 Comment
9 Min Read

Man fragt sich manchmal, wie so etwas möglich ist! Da wird man jahrelang mit Spielen nach Schema F bombardiert, in die Millionen Dollar und tausende Arbeitsstunden geflossen sind, und dann kommt ein verhältnismäßig kleiner Indie-Entwickler wie Hazelight um die Ecke und steckt mit ihrem neuen Projekt “It Takes Two” eine ganze Branche in die Tasche.

Bereits mit ihrem ersten Spiel „A Way Out“ (unser Review) bewies man ein innovatives KoOp-Konzept, welches man nun mit ihrem neuen Adventure „It Takes Two“ in eine Liga schießt, mit dem es selbst Triple-A Produktionen nur schwer aufnehmen können – einfach mal so. Man kommt von Themenwelt zu Themenwelt gar nicht mehr aus dem Staunen heraus, erfreut sich an unfassbarer Vielfalt, hat dabei unglaublich viel Spaß über viele Stunden und bekommt das Ganze auch noch mit einer technischen Perfektion präsentiert, die man woanders schon lange vermisst hat. Warum „It Takes Two“ ein Spiel ist, das man keinesfalls verpasst haben sollte, erfahrt ihr in unserem Test.

All you need is love

„It Takes Two“ dreht sich um das Ehepaar Cody und May, die sich im Laufe der Jahre auseinandergelebt haben. Er, der Hausmann, versucht irgendwie alles auf Vordermann zu halten, während Sie, die Ingenieurin, Überstunden schiebt und kaum zu Hause ist. Nach zahlreichem Streit und Auseinandersetzungen entscheidet sich das Paar für die Scheidung und muss dies nun auch der gemeinsamen Tochter Rosie mitteilen. Die Kleine ist davon natürlich schockiert und tieftraurig, und sucht Trost in Dr. Hakims „Book of Love“. Unbeabsichtigt überträgt sie mit ihren Tränen den Geist ihrer Eltern in zwei kleine, selbstgebastelte Holzfiguren; ein Zustand, mit dem die beiden erstmal klarkommen müssen. Natürlich wollen sie wieder zurück in ihre menschliche Form, und glücklicherweise sagt ihnen der zum Leben erweckte Dr.Hakim mit seinem spanischen Feuer, was sie dafür zu tun haben: Sie müssen zusammenarbeiten und ihre Beziehung retten.

Um das zu erreichen kämpfen sich Cody und May durch viele verschiedene Themenwelten rund um ihr Heim, etwa dem Keller, den Garten oder Objekte wie einer Schneekugel oder dem Baum vor dem Haus. Die beiden erwarten dabei zahlreiche Rätsel und Herausforderungen, die es als Team zu bewältigen gilt, erhalten dabei immer neue Kräfte und Fertigkeiten, um die Level zu bestreiten, und erleben ganz nebenbei wohl das größte Abenteuer ihres Lebens. Die ausgelassene Komik, die dabei entsteht, ergibt sich automatisch dadurch, dass man aus Sicht der Holzpuppen alles in Übergröße präsentiert bekommt.

Ein wilder Genre-Mix

So erhalten sie etwa eine Nagelpistole und einen Hammer, einen Harzwerfer und einen Streichholzflammenwerfer, oder einfach nur jeweils eine Hälfte eines Magneten, der geschickt mit seinen physikalischen Eigenschaften eingesetzt werden muss. Die jeweiligen Kräfte sind immer komplementär zueinander, um in jedem Abschnitt den Fokus auf KoOp und Teamwork zu legen. Die immer wieder neu erhaltenen Kräfte sorgen für eine unglaubliche Abwechslung über das gesamte Spiel hinweg und schaffen es so, immer wieder neu zu begeistern und zu faszinieren.

Hinzu kommen stetig wechselnde Gameplay- und Genre-Elemente – so haben wir Abschnitte, in denen wir Zauberkräfte haben und uns durch die Level wie in einem Dungeon-Titel bewegen, in einem anderen Abschnitt bekommen wir einen 3rd-Person-Shooter spendiert, und dann wieder an anderer Stelle ein Jump’n’Run erster Klasse. Selten hat es ein Titel geschafft, so viele verschiedene Stilrichtungen in sich zu vereinen, und dabei über die gesamte Länge auf einem wirklich hohen und ansprechenden Niveau abzuliefern. Wir sind wirklich positiv überrascht, nein absolut fasziniert davon, wie gut It Takes Twofunktioniert und sich seinem Mantra des KoOp-Gameplay bis ins kleinste Detail treu bleibt.

Abseits der Teamarbeit gibt es auch immer wieder kleine Minispiele, in denen man sich gegenseitig herausfordern und besiegen kann, wie etwa das Schneckenrennen oder einen Dartwettkampf. Gleichzeitig dienen diese als eine Art Paartherapie, in denen man beweisen muss, wie sehr man sich auf den anderen noch verlassen kann. Eine wirklich charmante Idee. Gerade im Couch-KoOp machen diese kleinen Minispiele viel Freude, da man dem anderen mitunter auch manchmal seinen Sieg so noch viel besser unter die Nase reiben kann. 

Alles in allem machen die Story und die zahlreichen Gameplay-Elemente wirklich viel Freude! Über gut 15 Stunden kommt zu keinen Zeitpunkt Langeweile auf und wir sind unglaublich überrascht davon, wie es so ein kleines Indie-Studio schafft, so viele verschiedene Elemente so gut miteinander zu koppeln. Die Abwechslung ist dabei durchweg ansprechend und sorgt dafür, dass wir immer wieder gespannt darauf sind, welche Elemente uns als nächstes erwarten werden. Darüber hinaus lassen sich diese auch sehr gut und schnell durch ihre Einfachheit beherrschen, womit sie auch für unerfahrenere Spieler, wie etwa die eigene Freundin, ganz gut geeignet sind.

Eine Geschichte von Herzen

In „It Takes Two“ geht es im Kern immer um Zusammenarbeit und das Retten der eigenen Beziehung, ohne sich dabei selbst zu verlieren. Die Geschichte zeigt uns viele verschiedene Facetten von Cody und May, deren Beziehung und besonders ihrer Probleme innerhalb ihrer Beziehung. Wir bauen eine ansprechende Bindung zu den Figuren auf, können die ein oder andere ihrer Entscheidungen nachvollziehen, wohingegen wir auch manche in Frage stellen und uns dabei selbst schlecht fühlen. Wir bekommen aber auch eine Entwicklung präsentiert, in der die beiden Figuren sich ihre Probleme und Schwierigkeiten offenbaren und im Laufe der Zeit wieder zueinander finden. 

Darüber hinaus ist die gesamte Spieldauer von wahnsinnig lustigen Momenten und Situationen gespickt, etwa als die Guerilla-Eichhörnchen Krieg gegen die Wespen um die Herrschaft im Baum führen oder wenn Dr. Hakim in seiner unvergleichlichen Art alles gibt, um uns auf den richtigen Weg zu lenken. Diese Momente sorgen für zahlreiche heitere Situationen und Lacher, die wir darüber hinaus oft auch noch sehr gut nachvollziehen können, weil wir einfach genau so auch reagiert hätten. Immer wieder finden sich in der Spielwelt auch aberwitzige Situationen, etwa im Wolkenpalast, wo man einem rosa fliegendem Bär den Bauch kraulen konnte, der sich dabei genüsslich auf den Rücken legt.

Aber nicht nur die Story und der Witz sorgen für eine durchweg gelungene Atmosphäre, sondern auch die vielen verschiedenen Level mit ihrem eigenen Design und den vielen kleinen Details, in denen man sich schnell verlieren kann. Das kleine Studio hat alles gegeben, um die verschiedenen Abschnitte mit Leben zu füllen und achten dabei auf jeden noch so kleinen Moment, der hineinpassen könnte. Hierzu passen auch die wirklich gelungene Grafik und die ausgearbeiteten Figurenmodelle, die jedem Animationsfilm Konkurrenz machen könnten. Einfach nur toll!

Insgesamt bietet „It Takes Two“ das Rundum-Paket in Sachen Atmosphäre. Wir bekommen eine tolle Story, eine außergewöhnlich gute Grafik, viele verschiedene Details und Gameplay-Elemente, sowie auch eine ansprechende Synchronisation, auch wenn diese nur in englischer Sprache vorhanden ist. Wir haben uns über die gesamte Spieldauer hinweg sehr gut unterhalten gefühlt und in den Figuren auch wiedergefunden. Wirklich klasse, was das Studio hier erreicht hat. Einzig der sture rote Faden, der sich durch die Story zieht, wäre zu bemängeln, denn abseits der Mini-Spiele lässt “It Takes Two” kaum Platz für ausgiebige Erkundungen oder Gründe, sich genauer in der Spielwelt umzuschauen.

It Takes Two
TEST: It Takes Two – Grandioses KoOp-Adventure zum Dahinschmelzen
“It Takes Two hat mich überrascht, wie schon lange kein anderes Spiel mehr. Selten erlebt man eine Story und Charaktere, die so lustig sind, einen so enormen Unterhaltungswert bieten und sich zugleich auf einem technisch so hohen Level präsentieren, dass man nicht mehr aus dem Staunen herauskommt. Jede Themenwelt in „It Takes Two“ ist komplett anders, immer wieder werden neue Spielmechaniken eingeführt und das Konzept des kooperativen Gameplay wird bis ins kleinste Detail ausgereizt. Auf den Punkt gebracht: So viel Spaß und Perfektion hat man selten in nur einem einzigen Spiel. Die 1000 Dollar-Wette von Creator Josef Fares fand ich zunächst ziemlich gewagt, nach Beenden von „It Takes Two“ müsste aber jeder Spieler wohl eher ihm diese 1000 Dollar zahlen. Hazelight und It Takes Two sind ein grandioses und richtungsweisendes Beispiel für die gesamte Industrie, das viel Applaus verdient hat. Gerne mehr davon!”
Plus
Gelungenes KoOp-Konzept
Innovative Spielmechaniken
Fantastische visuelle Präsentation
Charmante und wirklich lustige Story
Minus
Story folgt stur einem roten Faden
Wenig Raum für Erkundung
9.5
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Mark Westside
3 Jahre zuvor

Wie schon an anderer Stelle geschrieben: Definitiv eins der Spiele des Jahres! Bitte mehr davon! Die abwechslungsreichsten 12 Stunden, die ich je in einem Spiel hatte.

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