TEST: Skull and Bones – Seefahrer-Traum oder Piraten-Unglück?

By Mark Tomson Add a Comment
12 Min Read

An Skull and Bones scheiden sich derzeit die Geister, nachdem das ambitionierte Projekt von Ubisoft das schwierige Fahrwasser hinter sich gelassen und es tatsächlich zur Veröffentlichung geschafft hat. Seitdem wird heftig diskutiert, ob das Piratenspiel, das einst aus Assassin’s Creed: Black Flag hervorging, totalen Schiffbruch erleidet oder ob hier nicht doch ein kleiner Goldschatz schlummert.

Nach einer ausgiebigen Testphase (unsere Vorschau) und mittlerweile als aufgestiegener Piratenfürst im Besitz eines stolzen Schiffes, folgt nun unser Review zu Skull and Bones. Natürlich ist dies nur eine Momentaufnahme, denn durch den Live-Service-Ansatz wird Skull and Bones in Zukunft wohl nicht mehr dasselbe Spiel sein. Aber ein erster Anker ist gesetzt, und der ist recht solide.

Vom Freibeuter zum Piratenfürsten

Unter Skull and Bones stellt man sich vor allem ein riesiges Piratenspiel vor, welches das Leben eines Freibeuters in all seinen Facetten abbildet. Wurden damit vielleicht falsche Erwartungen geweckt? Denn im Kern geht es vor allem um Seeschlachten und Handel. Dass es irgendwann einmal eine Story-Kampagne geben würde, stand bis zuletzt nicht zur Diskussion, insofern habe ich das auch nicht erwartet. Ich wollte Seeschlachten und ein bisschen das Piratenleben auf hoher See genießen. Und genau das habe ich bekommen. Nicht mehr und nicht weniger.

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Was klein beginnt …

Skull and Bones beginnt mit einem etwas unglücklichen Freibeuter, der sein Schiff, seine Crew und damit seinen ganzen Stolz verliert. Man fängt ganz unten an und arbeitet sich in zahlreichen Missionen nach oben. Das funktioniert am besten, wenn man sich mit den lokalen Kingpins einlässt, die die verschiedenen Regionen kontrollieren. Mit ihrer Hilfe und einigen Erfolgen steigt man relativ schnell im Rang auf, baut ein neues Schiff und wird so zum gefürchteten Piratenfürsten.

Ein weiter Weg

Noch bevor die erste Kanonenkugel das Deck verlässt, kommt der zweite große Part von Skull and Bones zum Tragen. Der Handel mit Waren, Gütern und Schätzen. Denn auch hier gilt: Ohne Moos nix los. Alles, was man in Skull and Bones für seinen Aufstieg braucht, benötigt Ressourcen. Diese treiben im besten Fall einfach auf dem Meer, werden in alten Schiffswracks gefunden oder in alter Piratenmanier geplündert.

Dass man dafür an Land gehen muss oder es sich in einem sicheren Piratenhafen gemütlich macht, gehört zwar auch dazu, ist aber in Skull and Bones eher eine Notwendigkeit als das wichtigste Element. Zumal hier alles nach Schema F abläuft – die gleichen Geschäfte, Händler, Werkstätten. In diesem Punkt war der Anspruch an das Spiel wohl etwas zu hoch. Die Hauptsäulen von Skull and Bones sind daher in meinen Augen das Bauen von Schiffen, der Handel und die Seeschlachten. Alles darüber hinaus ist ein nettes Extra, bei dem jedoch mehr Potenzial vorhanden gewesen wäre.

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… kann zu etwas Großem werden

Am meisten Spaß machen bei Skull and Bones die Schlachten auf hoher See, sobald man sich ein mächtiges Schiff gebaut hat. Das ist am Anfang etwas mühsam, aber ab und zu hat man die Möglichkeit, sich ein stärkeres Schiff zu leihen und die großen Schlachten zumindest auszuprobieren. Das ist gleichzeitig die beste Motivation, selbst ein solches Schiff besitzen zu wollen, worauf man dann gezielt hinarbeitet. Dass hier deutlich mehr Tiefe drin steckt, als ein simples Gameplay-Video vermuten lässt, zeigen die RPG-Elemente, denn die Schiffe haben verschiedene Klassen wie Support, Angreifer oder DPS, die zusätzlich bis ins kleinste Detail angepasst und ausgerüstet werden können. Dabei bietet Skull and Bones unzählige Kombinationsmöglichkeiten und kein Schiff gleicht auf hoher See dem anderen. Ab Klasse 3 macht es richtig Spaß, andere Schiffe zu versenken oder Außenposten anzugreifen, was mit der entsprechenden Ausrüstung – Mörser, Kanonen, Bomben, Torpedos – unheimlich befriedigend sein kann. Die Soundkulisse ist in der Hinsicht nämlich ebenfalls wirklich beeindruckend und authentisch – überall rummst und knallt es, während sich die Crew zum Sieg feiert.

Vor allem das Experimentieren mit den verschiedenen Schiffsausrüstungen ist eine besondere Aufgabe. Kanonen zum Beispiel sind auf offener See und im Nahkampf äußerst nützlich, bringen aber beim Angriff auf einen Außenposten wenig, weil sie ungünstig montiert sind. Hier bietet sich wieder der Mörser an, der Geschütztürme etc. aus der Ferne zerstören kann. Sind andere Schiffe wiederum geschwächt, kann man sie aus kurzer Distanz mit Musketen angreifen oder gleich entern, was ihr schnelles Ende besiegelt. Etwas schade und ein deutlicher Rückschritt zu Black Flag ist jedoch, dass diese Nahangriffsmanöver nur in Zwischensequenzen stattfinden und es keine Mann-gegen-Mann-Kämpfe gibt. Warum auch immer!

Gewaltige Schlachten sind das Highlight in Skull and Bones
Gewaltige Schlachten sind das Highlight in Skull and Bones

Gleichzeitig muss immer die richtige Balance zwischen Fracht, Bewaffnung und Ausrüstung an Bord gefunden werden, die sich in Echtzeit auf Manövrierfähigkeit, Trägheit oder Wendigkeit im Kampf auswirkt. Außerdem muss die Crew mit Nahrung versorgt werden, um motiviert zu bleiben, und auch Schäden an Bord müssen im Auge behalten werden. Alles in allem bietet Skull and Bones also eine recht anspruchsvolle und nicht selten hektische Aufgabe.

Und wenn man doch einmal in Not gerät, kann man andere Spieler zu Hilfe rufen, die einen im Kampf unterstützen oder umgekehrt. Das sorgt für eindrucksvolle Szenen, wenn einem die Kanonenkugeln nur so um die Ohren fliegen und es Land unter heißt. In größeren Gruppen macht das sogar am meisten Spaß in Skull and Bones.

Wenn Handel zur Geduldsprobe wird

All dies setzt jedoch einen umfangreichen Handel in Skull and Bones voraus, der mitunter recht mühsam sein kann. Grundlage sind meist Baupläne, die entsprechende Materialien und Ressourcen benötigen. Diese wiederum kann man in bestimmten Regionen abbauen, bei Seevölkern oder Fraktionen eintauschen oder aus Grundmaterialien veredeln lassen. Das Ganze ist recht zeitaufwendig, da der Seeweg nicht unbedingt der schnellste Weg ist, um von A nach B zu kommen. 

Außerdem empfand ich den Ertrag aus dem Warenhandel oft als wenig lohnend. Verständlicherweise kann man nicht gleich in den ersten Stunden das beste Schiff besitzen, aber die Beute aus Plünderungen oder Lieferaufträgen erschien mir immer lohnender. Spannend waren auch die Handelsrouten, auf denen man genau erfahren konnte, welche Waren gerade transportiert werden und wo man gezielt die passenden Materialien einsammeln konnte. Vor allem beim Handel mit den einheimischen Stämmen wird Ubisoft aber noch deutlich nachbessern müssen, da dieser momentan vor allem in der Masse der verschiedenen Güter wie eine lästige Notwendigkeit wirkt.

Landgänge sind immer einen Blick wert
Landgänge sind immer einen Blick wert

Wenn man bedenkt, dass fast alles erst hergestellt werden muss, einschließlich der Werkzeuge, der Schiffsausrüstung usw., wird das zu einer echten Geduldsprobe. Eine willkommene Abwechslung ist es da schon, seinen eigenen Rum oder sein eigenes Opium herzustellen und über den Indischen Ozean zu schmuggeln. Aber auch das ist nicht ungefährlich, denn mit wertvollen Gütern unterwegs wird man schnell selbst zum begehrten Ziel anderer Piraten, der Kompanie & Co. Ablenken kann man sich zudem mit Schatzjagden oder dem Aufspüren von Verrätern.

Man könnte hier noch viel weiter ins Detail gehen, aber grob würde ich Skull and Bones nicht als unbedingt als reines Actionspiel bezeichnen, sondern zum wesentlichen Teil als Managementsimulation, die ergänzend spannende Kämpfe und Erkundung bietet, die man in seinem eigenen Tempo verfolgen kann. Vor diesem Hintergrund ist Skull and Bones in der Tat ein recht ordentliches und solides Spiel geworden. Dennoch gibt es einen kleinen Wermutstropfen.

Der Zeit hinterher?

Dass Skull and Bones so lange in der Entwicklung war, hinterlässt seine Spuren. Man muss aber auch verstehen, wie die Entwicklung eines Spiels abläuft, bei der man nicht ständig der neuesten Technologie hinterherlaufen kann. Irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich auf ein Ziel festlegt und darauf hinarbeitet. Nur dieser Punkt scheint bei Skull and Bones einige Jahre zurückzuliegen und wirkt sich nun nachteilig aus.

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Skull and Bones bietet durchaus einen hüschen Ausblick

Vor dem Hintergrund, dass Skull and Bones in seiner jetzigen Form zwar gut und ohne gravierende Probleme läuft, muss man das Spiel aus visueller Sicht doch als etwas altbacken ansehen. Es ist offensichtlich, dass hier bei Weitem nicht der Qualitätsstandard eingeflossen ist, den man zuletzt in Far Cry 6 erleben konnte. Die Animationen wirken teilweise völlig aus der Zeit gefallen, die Explosionen sind einfach nur hässlich und generell würde man nicht sofort an ein Current-Gen-Spiel denken.

Auf der anderen Seite wurde das typische Piratenfeeling sehr gut eingefangen, die einzelnen Inseln sind immer abwechslungsreich und die Schiffe wurden bis ins kleinste Detail ausgeschmückt. Man wird auf seiner Reise zumindest gut unterhalten und hat Spaß am Erkunden und Entdecken, was für mich mehr zählt, als sich an kleinen unzureichenden Details abzuarbeiten. Wobei diese auch im positiven Sinne zahlreich vorhanden sind. Diese sehe ich vor allem in den beeindruckenden Unwettergebieten, den gefährlichen Monsterwellen oder wenn völlig aus dem Nichts ein riesiger Wal vor einem auftaucht. Das beeindruckt dann doch wieder und zählt zu den kleinen Highlights, die man in Skull and Bones hat.

Was bringt die Zukunft?

Der Erfolg von Skull and Bones wird wahrscheinlich davon abhängen, wie spannend die zukünftigen Seasons gestaltet werden. Gelingt es, diese thematisch und mit etwas Story-Content zu füllen, wird man sehr lange Spaß an dem Spiel haben. Bleibt es bei der jetzigen, oberflächlichen Ressourcen-Sammelwut und dem etwas anstrengendem Handel, der letztlich nur dazu dient, immer stärkere Schiffe und Ausrüstung zu bauen, dürfte es eher schwieriger werden, einerseits die jetzigen Spieler zu halten und andererseits neue Spieler für Skull and Bones zu gewinnen.

Fazit

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TEST: Skull and Bones – Seefahrer-Traum oder Piraten-Unglück?
“Skull and Bones ist ein viel besseres Spiel geworden, als ich anfangs befürchtet hatte. Allerdings kommt es sehr auf die Erwartungshaltung an, denn es ist kein reines Actionspiel, bei dem man an Land und auf See sofort zu Blackbeard wird. Skull and Bones ist in weiten Teilen eine Simulation und ein Management-Spiel, das dementsprechend viel Geduld erfordert und mitunter repetitiv wirken kann, denn Abwechslung bieten fast nur die großen Seeschlachten. Entscheidend wird die Zukunft sein und was Ubisoft aus den Seasons herausholt, denn der wahre Spaß beginnt erst im Endgame, sofern man so lange durchhält.”
Plus
Tiefgreifendes Simulations-System
Aufregende Schlachten zu See
In Teilen grafische Highlights
Tolle Piraten-Atmosphäre
Minus
Technisch etwas altbacken, dafür keine gravierenden Probleme
Handel ist mühsam und selten lohneswert
Story sehr untergeordnet vorhanden
7

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