God of War Ragnarök: Wie die Serie ihre Identität verlor

By Jonas Herrmann 8 comments
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Bei den Göttern, oder was davon noch übrig ist! God of War Ragnarök ist ein absolutes Highlight der bisherigen PS5-Generation, wird nicht umsonst mit Bestwertungen überschüttet und bricht Reihenweise Verkaufsrekorde. Das Spiel zeigt eindrucksvoll, wozu die neue Konsole, wozu die Branche 2022 technisch imstande ist. Es sieht absolut atemberaubend aus, klingt wie aus einem Guss und erzählt eine Geschichte, die so auch auf der großen Leinwand funktionieren würde. Und trotzdem macht es der Titel beim Spielen wie nasses Feuerholz im Fimbulwinter: Es lässt mich kalt.

Ich sehe natürlich die vielen Vorzüge und komme nicht umhin, das ein ums andere Mal zu staunen ob der grafischen Pracht und der kraftvollen Inszenierung, es ist eher das Drumherum, das mich stört. God of War Ragnarök verkauft sich besser als jedes andere God of War, immerhin schon über 5 Millionen Mal in nicht einmal zwei Wochen. Gleichzeitig war kein Titel der Reihe bisher so wenig God of War wie der neueste Ableger. Das Reboot von 2018 kommt nah heran und ist gleichzeitig der Ursprung dieser Entwicklung, die mich eher traurig macht als froh.

God of War III strotzte nur so vor ungeschönter Brutalität
God of War III strotzte nur so vor ungeschönter Brutalität

Eine Serie auf dem Olymp

Ich muss dazu klar stellen, dass ich nicht zu denen gehöre, die der Meinung sind, dass Sony mit der Reihe einfach so weitermachen sollte, wie sie gelaufen ist. Mit God of War III hatte nicht nur Kratos, sondern auch das Franchise den Olymp erreicht. Das immer noch starke Ascension zeigte ein paar Jahre später schon erste Abnutzungserscheinungen und nicht umsonst legte die Serie danach eine längere Pause ein. In der Zwischenzeit veränderte sich die Spielelandschaft aber gewaltig und meiner Meinung nach kam God of War am falschen Ende wieder zurück. Das hat vor allem mit dem Ton der Spiele und der Hauptfigur zu tun.

In der griechischen Trilogie begleiteten wir einen hitzköpfigen, total unsympathischen Kratos auf seinem Rachefeldzug, in dessen Folge er selbst zum Gott des Krieges wurde. Die Spiele waren schnell, arcadig, brutal und hatten einen erstklassigen Gameplay-Flow. Kratos war mächtig und stark und hatte keinerlei Skrupel, diese Fähigkeiten einzusetzen. Man könnte sagen, dass der Protagonist schon damals ein wenig aus der Zeit gefallen war. Aber gerade das machte ihn ja so originell und einzigartig.

https://www.youtube.com/watch?v=WVQn-X4iB4s

God of War Ragnarök – Mehr Schein als Kriegsgott

Der neue Kratos ist da ein ganz anderer Zeitgenosse. Ich liebe gute Geschichten und daher auch starke Charaktere, die auf ihrer Reise dazulernen und sich verändern. Es gibt aber immer auch Zeit und Ort für bestimmte Arten von Geschichten. Von Beginn an wird der Kratos aus den alten Spielen aber abgelehnt und quasi vergessen gemacht. Stattdessen haben wir jetzt einen melodramatischen, grummeligen Typen, der gefühlt so oder so ähnlich schon tausendfach genutzt wurde. Klar, die Vater-Sohn-Geschichte ist mitunter rührend, wirkt im Hinblick auf die Seriengeschichte aber eher wie ein merkwürdiger Arthouse-Traum. Und warum zum Teufel muss ein Spiel wie God of War überhaupt Humor besitzen? Hätte man die früheren Blutorgien etwa auch mit lustig assoziert? Was Sony letztendlich aus der Serie gemacht hat, ist ein Verbrechen an den ursprünglichen Fans.

God of War von 2018 (unser Review) und God of War Ragnarök sind deshalb ja keine schlechten Spiele, ich hätte mir nur gewünscht, dass Sony den Mut aufgebracht hätte, ein eigenes Franchise auf die Beine zu stellen. Auf mich wirken die beiden Titel nämlich ähnlich wie die neueren Ableger der Assassin’s Creed Reihe. Klar, das Attentäter-Gameplay hatte sich auch irgendwann abgenutzt und die Entwickler wollten in eine andere Richtung gehen, aber warum muss dann unbedingt groß Assassin’s Creed auf der Verpackung stehen, wenn im Kern ein X-beliebiges Action-RPG drinsteckt?

God of War 2018 - Blut ist jetzt Lava
God of War 2018 – Blut ist jetzt Lava

Auf ähnliche Weise hat auch God of War mit den neuen Ablegern einen großen Teil der eigenen Identität abgegeben, versteckt sich aber trotzdem noch hinter dem alten Maskottchen. Das ist umso ärgerlicher, weil es für die alten God of War-Titel bis heute keine echte Alternative gibt. Sicher, eine persönliche Geschichte voller Zweifel und Reue kann packend sein, manchmal möchte man aber auch einfach die Götter wie Asen in 4K verprügeln, ohne jedes Mal nach dem Sinn der Welt gefragt zu werden.

Sony wird die Reihe natürlich nicht mit dem erfolgreichsten Teil auf Eis legen, die nordgermanische Story ist aber auserzählt. Die nächsten Ableger werden sich also wohl mit anderen Mythologien beschäftigen und vermutlich noch tiefer in die Psyche des Protagonisten eintauchen. Für mich dürfte es das aber gewesen sein. So gut God of War Ragnarök in seiner Gesamtheit auch sein mag, bei mir hat es nur dazu geführt, dass mir Kratos Abenteuer egal geworden sind.

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