TEST: Disintegration – Halb und halb macht noch kein ganzes Spiel

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Private Division und V1 Interactive liefern mit Disintegration einen Sci-Fi Mix aus FPS und Strategie, das von Marcus Letho, einem Mitbegründer der Halo Serie, designed wurde. “Von dem Co-Creator der Halo Serie!” – Disintegration lässt sich das Privileg, mit diesem Slogan zu werben, nicht nehmen. Das von V1 Interactive entwickelte Spiel schafft es jedoch nicht wirklich eine lebendige Welt, wie die in Halo, einzufangen und präsentiert nur interessante Ideen, die größtenteils im Nichts verlaufen und wo das Gameplay weder im FPS noch im Strategiebereich wirklich überzeugen kann – ein Problem das viele Genre-Mix Spiele haben.

Mensch-Roboter-Mensch

Integration beschreibt den Prozess der Transplantation eines menschlichen Hirns in einen Roboter. Die Integration wurde als Notfalllösung im Angesicht einer globalen Pandemie ins Leben gerufen, also ein ganz aktuelles Thema sogar. Jetzt, Jahrzehnte später, ist es eigentlich an der Zeit diesen Prozess wieder umzukehren und mittels genetischer Datenbasen, Klone zu erzeugen und den Menschen ihre Körper zurückzugeben. Doch nicht jeder möchte zurück zur alten, natürlichen Lebensweise. Die Rayonne, eine kriegerische Roboterfraktion, würden lieber ihre Roboter-Körper behalten und obendrein alle verbleibenden natürlichen Menschen zur Integration zwingen, versklaven oder notfalls umbringen. Als Spieler stellen wir uns der Rayonne mit einer kleinen Rebellengruppe, angeführt von den Gravcycle Piloten Romer, entgegen.

Disintegration schafft eine interessante Welt, mit Figuren die Charme haben, schöpft allerdings sein Potenzial nicht aus und lässt vieles im Nichts verlaufen. Von Romer kennt man zu Beginn des Spiels nur den Namen – verständlich, zumal man direkt in die Geschichte geworfen wird. Nach und nach erfährt man mehr über Romer und seine Gefährten, richtig lebendig werden diese jedoch nie. Tiefe wird hier und dort nur angedeutet, aber nicht weiter ausgeschöpft. Unser Mechaniker erzählt z. B. von seiner einstiegen Familie und der Gewohnheit seiner Tochter ihm bei der Arbeit zuzuschauen, aber das war es dann auch schon. Drei Sätze und er hat uns nichts mehr zu sagen. Hier kommt der Eindruck auf, dass die Charakterentwicklung nur im Nachhinein zugeschustert oder irgendwo wieder gestrichen wurde. Die Ansätze sind da, an der Umsetzung mangelt es jedoch.

Genauso verhält es sich mit dem Hub, in dem man zwischen den Missionen mit unterschiedlichen Personen redet. Das Hub ist gähnend leer, hier und dort stehen vereinzelt eure Rebellenkollegen und erzählen euch von ihrer Tochter, einem Hund den sie einst hatten oder geben euch eine kleine Aufgabe für die nächste Mission, mehr ist es leider nicht geworden. Das Hub wirkt sehr steril, stellenweise fast neuwertig, so dass es schwer glaubhaft ist, dass dieser Ort eine Geschichte haben soll. Wie bei den Hintergrundgeschichten der Figuren vermisst man auch im Hub eine gewisse Tiefe und so kommt letztendlich auch hier der Eindruck auf, dass das Hub erst im Nachhinein hinzugefügt wurde, um zum Beispiel zu erklären, warum ihr in der nächsten Mission 20 Gegner mit Raketen erledigen müsst und dafür eine Belohnung bekommt.

Simpel funktioniert halt auch

Disintegrations Gameplay ist dafür passabel, schafft es jedoch weder die Strategieelemente noch den FPS-Teil wirklich herausragend zu präsentieren. Die Strategie- und FPS-Elemente sind dafür einfach zu simpel. Mit eurem Gravcycl fliegt ihr über das Schlachtfeld und feuert auf eure Gegner bzw. heilt eure Einheiten. Solange sich fester Boden unter euch befindet, könnt ihr Höhe und Tiefe des Gravcylces mittels Tastendruck beeinflussen und euch so einen besseren Überblick verschaffen. Bodeneinheiten kann man gezielt Gegner angreifen lassen, befehlen mit bestimmte Umgebungselementen zu interagieren oder ihre individuellen Fertigkeiten, die dann auf Cooldown sind, zu nutzen. Klingt simpel, ist es auch.

Problematisch wird es mit der KI eurer Gefährten, die sich oft darüber beschweren, dass sie Reparaturen benötigen, nur um dann mit ihrer Waffe in der Hand auf den nächsten Gegner zu zustürmen. Seine Einheiten kann man z. B. auch mittels Heilstationen auf dem Schlachtfeld reparieren, diese heilen nicht nur weitaus effektiver als eure Heilpistole, sondern auch in einem großen Gebiet und beschleunigen den Fertigkeitscooldown, wodurch euer gesamter Trupp davon profitiert. Befiehlt man einer Einheit solch eine Station zu aktivieren, bleiben diese oft einfach nicht nur darin stehen, sondern rennen weiter zum nächsten Gegner. Könnte man Punkte halten, würden die Heilstationen, besonders auf höheren Schwierigkeitsstufen, einen strategieschen Wert bekommen. Ohne diese Befehlsoption muss man seinen gesamten Trupp jedoch Babysitten und immer wieder auf das Heilgebiet klicken, damit Figuren, die gerade zu einem Sprint zum nächsten Gegner ansetzen, darin stehen bleiben.

Verirrte KI

Extrem frustrierend wurde es in einer Mission, in der ihr ein Fahrzeug begleiten müsst. Hier könnt ihr euren Figuren befehlen sich um das Fahrzeug zu versammeln, wodurch es sich in Bewegung setzt, entfernt ihr euch jedoch zu weit um z. B. die Umgebung nach Upgrades oder Ressourcen zu erkunden, folgen euch eure Einheiten wodurch das Fahrzeug wieder stehen bleibt.

Disintegration bietet zudem ein Levelsystem, durch das Figuren langsam aufsteigen und neue Upgrades freischalten. Schrott funktioniert hier als Erfahrung und Chips als Skillpunkte. Schrott wird von Gegnern fallen gelassen, kann aber auch in Kisten, zusammen mit Chips, gefunden werden. Um Kisten zu öffnen, befehligt man seine Einheiten, sofern diese gerade in der Stimmung sind oder den Weg dort hin finden. Während meiner Zeit mit dem Spiel kam es ein paar mal vor, dass eine Einheit eine Kiste, die sich direkt neben ihr befindet, nicht öffnen wollte, wodurch man sie zweimal befehligen musste. Wenn eine völlig andere Figur, die sich gerade in einem Kampf mit Einheiten befand, über das gesamte Schlachtfeld rennt, die Kiste öffnet und dann wieder zu seiner Schießerei zurückkehrt oder die Wegfindung völlig versagt, wird es besonders spannend. Die Figur steigt z. B. eine Treppe rauf , die von der Kiste weg führt, um sich einen alternativen, längeren Weg zu suchen, nur um dann wieder vor der Kiste zu landen vor der sie vor 20 Sekunden noch stand, anstatt sie direkt zu öffnen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht.

Unschön ist auch, dass man sich seine Bewaffnung nicht aussuchen kann, stattdessen bekommt man immer ein vorgefertigtes Gravcycle für die Mission fortgesetzt, wodurch ihr in einigen Missionen auf die Heilpistole verzichten oder Waffen nutzen müsst, die euch überhaupt nicht liegen. Hier wird man schlicht auf den Multiplayer vorbereitet, in dem man die unterschiedlichen Gravcycle aus der Story, als vorgefertigte Klassen wählen kann.

Solider Multiplayer

Der Multiplayer ist ebenfalls nur als solide zu bezeichnen. Verschiedene Gravcylce mit verschiedenen Bodeneinheiten, die alle ein tolles Design haben, bieten unterschiedliche Spielweisen in Spielmodi wie Capture the Flag oder Domination. Richtig herausragend ist der Multiplayer daher nicht, hier kann man vielleicht ein Wochenende lang Spaß haben, bevor der Neuheitsfaktor erschöpft ist. Disintegration weckt den Verdacht, dass der Multiplayer als notwendig erachtet wurde, so wie bei vielen Spielen in der PS3-Ära – ein Multiplayer, der nicht schlecht ist, aber den Eindruck vermittelt, dass der Singeplayer durch seine Integration gelitten hat.

Grafisch macht Disintegration dafür einen anständigen Eindruck, aber auch hier wird nichts bahnbrechendes auf die Mattscheibe gezaubert. Besonders Texturen fielen negativ auf, welche oft niedrige Auflösung und wenig Details bieten. Hier und dort kam es zu ein paar seltsamen Problemen mit Einheiten, die, sobald sie hinter Hüfthohen Objekte liefen, verschwanden, nur um eine Sekunde später wieder aufzutauchen – vermutlich wurde hier ein Knopf der Ressourcen spart zu aggressiv eingestellt. Disintegration bietet dafür eine sehr gute englische Vertonung mit deutschen Untertiteln.

Disintegration
TEST: Disintegration – Halb und halb macht noch kein ganzes Spiel
Disintegration ist ein simpler Mix aus Strategie und FPS. Durch seine zu simple Struktur wird Disintegration aber weder FPS-Fans noch Strategie-Narren überzeugen können. Das FPS Gameplay ist zu langsam und die strategischen Möglichkeiten fallen zu mager aus. Die Story und das Setting des Spiels können unterhalten, durch das sterile Hub und die recht schweigsamen Begleiter, die nur andeuten das sie eine Vergangenheit und Persönlichkeit haben, wird jedoch enorm viel Potenzial verschenkt. Dieses verschenkte Potenzial ist vielleicht auf den Multiplayer zurückzuführen, der zwar okay ist, aber nicht wirklich fesseln kann und sich eher wie ein Beiwerk anfühlt, das noch irgendwie da rein musste. V1 Interactive hat sich als kleines und neues Studio vielleicht einfach zu viel vorgenommen. Hätte man sich auf einen der beiden Spielmodi konzentriert und den anderen dafür gestrichen, wäre Disintegration sicherlich ein deutlich besseres Spiel geworden. In seinem jetzigen Zustand kann man Disintegration nur bedingt empfehlen, da es sich letztendlich wie zwei unfertige Spiele mit guten Ansätzen und massig verschenktem Potenzial anfühlt. Bleibt abzuwarten, wie stark der Support ausfällt. Manch einer weiß ja damit auch zu überraschen.
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