Bereits 1993 erschien mit “Groundhog Day” ein typischer 90er Jahre Film, der es bis heute zum Kult-Status geschafft hat. Bei uns besser bekannt als “Und täglich grüßt das Murmeltier”, in dessen Hauptrolle Bill Murray zum alljährlichen Murmeltiertag am 02. Februar seinen ganz persönlichen Albtraum erlebte. Leider wird selbiger nicht im Spiel vertreten sein, dafür viele andere.
Nun, 26 Jahre später, hatte man bei Sony Pictures Virtual Reality und Tequila Works die grandiose Idee eine Fortsetzung zu schreiben, jedoch nicht in einem weiteren Kinostreifen auf der großen Leinwand, diesmal sollte dieser “Albtraum” wirklich greifbar sein, weshalb man mit “Groundhog Day – Like Father Like Son” auf das VR-Medium setzt. Mein ausgiebiger Trip nach Punxsutawney, Pennsylvania erwies sich dabei als einer schönsten VR-Erfahrungen, seit es diese Technologie gibt.
Zurück in Punxsutawney
Ich habe nun schon ein paar Reviews zum Spiel gelesen, in denen man vor allem bemängelt, dass das Spiel dem damaligen Film nicht ganz gerecht werden kann. Doch muss es das überhaupt? Immerhin reden wir hier von zwei völlig verschiedenen Medien, die ihre Geschichte auf unterschiedliche Weise zum Betrachter transportieren. Und recht überraschend war es nicht unbedingt das VR-Medium an sich, sondern die wundervolle Geschichte hinter “Groundhog Day – Like Father Like Son”, die mich so faszinierte, fesselte und mit einem Lächeln am Ende entließ.
Der Schauplatz ist abermals Punxsutawney, Pennsylvania, der ursprünglichen Heimat unseres Protagonisten Phil Jr., dem Sohn von Phil Connors aus dem Film, der inzwischen aber verstorben ist und so etwas wie eine Institution oder Held in Punxsutawney war. Ganz anders Phil Jr., der aufgrund seiner verkorksten Jugend schon lange das Weite gesucht hat und nun sein selbstsüchtiges Großstadtleben lebt, mit all dem Social Media Kram und einer Karriere vor Augen. Wäre da nicht ein wichtiges Meeting in L.A., das ihn wieder genau durch Punxsutawney führt und wo ihn das gleiche Schicksal wie seinen Vater ereilt.
5:59 Uhr
Mit “I got you Babe”, das pünktlich um 5:59 aus dem Radiowecker ertönt, beginnt der Tag von Phil Jr., kurz das Tablet nach Nachrichten gecheckt und sein altes Zimmer inspiziert. Bis hier scheint noch alles in Ordnung, bis das familiäre Frühstück in reinstem Chaos endet. Eine hysterische und pubertierende Schwester, die rum schreit, ein Kater, der das halbe Haus zerlegt und die Cappuccinomaschine ist auch noch kaputt, was vor allem Phils Bro gehörig gegen den Strich geht. Könnte ein Tag schlimmer beginnen? Kann er, nämlich dann, als die kleine Schwester den Familienvan auch noch direkt im Wohnzimmer parkt. Puh, so ein Start wirkt eigentlich viel besser als Kaffee, also alles auf Anfang!
5:59 Uhr, schon wieder
Das schon bald obligatorische “I got you Babe” ertönt wieder aus dem Radiowecker, wir schwelgen noch einmal in Jugendzeiten und schon wartet das Frühstück auf uns. Ab hier beginnt die eigentliche Idee hinter dem Spiel, und zwar den anstehenden Groundhog Day zum schönsten Tag in eurem Leben und dem eurer Familie zu machen. Da wir nun schon wissen, was gleich passieren wird, bietet sich für Phil Jr. die Chance, den Tag zu reparieren. Wir verscheuchen also die Katze, wir verhindern, dass Sophie in den Van steigt und öffnen das Fenster, damit es nicht durch einen Schneeball zerstört wird.
Dieses Spiel zieht sich über sieben größere Sets in Punxsutawney hinweg, wir müssen mit bekannten Einwohnern aus der Stadt sprechen, erfahren meist von ihnen, wo der Schuh gerade drückt und können im nächsten Anlauf besser darauf eingehen oder agieren. Ob das die geplante Eröffnung einer Buchhandlung eurer Ex-Freundin Sarah ist, die im letzten Moment droht zu scheitern, ihren Bruder davon abzuhalten so richtig Scheiße zu bauen oder auf Gobbler’s Knob eine beeindruckende Rede über euren Dad zu halten, um damit die Massen zu begeistern. Das Interessante dabei ist, dass man irgendwann gezwungen wird, den Tag neu zu starten, wenn das sowieso nicht schon von alleine passiert. Irgendwann geht es nämlich einfach nicht mehr weiter, weil uns gewisse Dinge oder Infos fehlen. In diesem Punkt kommt auch der Zeitschleifen-Effekt wunderbar zum Ausdruck und man hat auf beeindruckende Weise das Gefühl, wirklich da drin festzustecken.
Glücklicherweise wurde das Script so geschrieben, dass die einzelnen Szenen fast automatisiert ablaufen, sobald man alle notwendigen Aufgaben erledigt oder das nächste Chaos verhindert hat. Meist kann man die Szene dann mit nur einer Antwort überspringen, hängt man aber in der Zeitschleife fest, weiß man, dass hier noch irgendetwas wichtiges zu erledigen ist. Trotzdem funktionieren diese Verknüpfungen immer so, dass sich die Erzählung vollständig und richtig zusammenfügt und man trotz einiger Rückschläge das Gefühl hat, dass es irgendwie weitergeht.
Vom Rebell zum …
Was wäre “Groundhog Day” ohne diese besondere Beziehung zwischen sich und seinem Dad? In Rückblenden arbeitet Phil Jr. seine, in seinen Augen verkorkste Kindheit auf, bekommt damit gleichzeitig aber auch die Chance, dadurch zu wachsen. All dies spielt im Leben von Phil Jr. eine große Rolle und er erkennt, dass smartere und einfühlsamere Reaktionen durchaus positive Effekte haben und einen im Leben vorwärts bringen können. So lassen sich einst zerbrochene Beziehungen wieder aufnehmen und Punxsutawney erscheint plötzlich gar nicht mehr so verhasst, sondern auch recht liebenswert mit all den schrulligen Geschichten. Generell wird “Groundhog Day – Like Father Like Son” recht unterhaltsam erzählt, mit jeder Menge Sarkasmus und schwarzem Humor, der stets Bezug zu alltäglichen Dingen und Themen hat, wie die Arbeit, die Liebe, Familie usw., was die Story wirklich sympathisch erscheinen lässt. Wie so ein typischer Film der 90er Jahre eben.
Der Ryserson-Shuffle und das Gitarren-Solo
Im Grunde ist “Groundhog Day – Like Father Like Son” aber ein riesiges Puzzle, das man nach und nach richtig zusammensetzen muss. Ein besonderes Augenmerk wurde dazu auch auf die Mini-Spiele gelegt, die zu den unterhaltsamsten gehören, die ich man je gesehen hat, insbesondere durch die VR-Komponente. Da wäre der witzige Ryserson-Shuffle mit Ned im Stil von “Just Dance” oder das grandiose Gitarren-Solo (höre Launch Trailer) für Sarah, das man mittels der Move Controller möglichst perfekt nachspielen muss. Je perfekter man das schafft, desto eindrucksvoller wird auch Phil Juniors Gesang dazu. Sicher sind die Ideen dazu nicht brandneu, aber mal ein virtuelle Gitarre halten und die Noten darauf spielen, hat schon was. Davon hätte ich gerne mal ein eigenständiges Spiel.
Leider wird dieser Spielspaß durch das oftmals ungenaue Tracking der Move-Controller ruiniert. Besonders beim Graffiti sprayen braucht es schon fast die Geduld des Dalai Lama, wenn man sein Kunstwerk punktgenau verewigen möchte, während die Dose in der Hand plötzlich meterweit weg driftet. Gleiches gilt auch für das Auswählen von Antworten, bei denen man nicht selten völlig daneben greift. Etwas mehr Feinabstufung wäre da wünschenswert.
Der deutschen Fassung kommen ergänzend noch katastrophale Übersetzungsfehler hinzu, die einige Antworten völlig sinnlos oder sogar dämlich erscheinen lassen. Offenbar hat man diesen Job komplett Google überlassen, ohne jegliche Nachkorrektur. Besonders aber Sätze, die in mehrere Abschnitte aufgeteilt sind, wirken dadurch zuweilen völlig wirr. Schade drum!