Horrorgames sind ja sowas wie ein Dauerbrenner auf Konsolen, denn wer gruselt sich nicht gerne zu später Stunde, sucht die Herausforderung oder möchte seinen tiefsten Ängsten gegenübertreten? Diese Gelegenheit bietet euch in Kürze der “Infliction Extended Cut” von Caustic Reality und Blowfish Studios. Euch erwarten diverse Horror-Ikonen in einem Spiel vereint – ob sich diese kurzweilige und gruselige Erfahrung allerdings auch lohnt, erfahrt ihr in unserem Review!
Das eigene Zuhause als Albtraum
Lässt sich das Rad bei Horrorspielen noch einmal neu erfinden? Kommt ganz drauf an, denn der Horror passiert im Grunde nicht nur auf dem Bildschirm, sondern vor allem in eurem Kopf und kann dementsprechend mehr oder weniger intensiv ausfallen. Blowfish wählt dazu einen beliebten und zugleich recht perfiden Ansatz, in dem man euch in ein vertrautes Setting wie das eigene Zuhause versetzt, das im “Infliction Extended Cut” jedoch alles andere als noch sicher ist.
Ein einst glückliches Familienleben endet jeher, als die eigene Frau und Mutter einem schrecklichen Blutbad in den eigenen vier Wänden zum Opfer fällt und fortan als Geist und paranormales Wesen hier herumspukt. Eure Aufgabe: herausfinden, was dieses Wesen auf der Suche nach Absolution will und versuchen, dem Albtraum zu entkommen. Eine gruselige Odyssee, in der man zwischen Gegenwart, Vergangenheit und paranormalen Welten hin und her pendelt.
Die Hauptaufgabe besteht darin, durch das Haus zu wandern, es zu erkunden, Rätsel zu lösen und die Vergangenheit aufzuarbeiten. Soweit ein klassischer Ansatz. Das geschieht anhand von Tagebüchern, Aufzeichnungen, Notizen, Berichten im Radio usw. Fast alle Gegenstände, Schubladen und Türen in diesem Haus können dazu in die Hand genommen oder geöffnet und untersucht werden und haben oftmals auch eine eigene Geschichte. Das schafft zunächst ein vertrautes Gefühl und sorgt für tolle Erinnerungen, offenbart auf der anderen Seite aber auch die Tragödie, die sich im Anschluss abspielte.
Dass die Familie etwas vorbelastet war, zeigt sich insbesondere durch die vielen Gemälde im ganzen Haus, die eine verquere und dunkle Psyche der Mutter offenbaren, welche in diesen Bildern manifestiert wurden. Hin und wieder dienen diese als Portale in diese verrückten Welten oder in die Vergangenheit der Familie, in denen man auch mal eine gruselige Irrenanstalt besucht, einem Hexenzirkel beiwohnt oder sich um Jahre zurückversetzt an diesem Ort fühlt. In einer Mission müssen zum Beispiel ein paar persönliche Gegenstände wie ein Foto oder ein Erbstück in Form eines Hochzeitskleides gefunden werden, um diese später in einer Zeremonie zu verbrennen. Ein anderes mal reisen wir in die Vergangenheit, um damalige Geschehnisse zu rekonstruieren. Nebenbei seid ihr ständig auf der Flucht vor dem gruseligen Wesen, das euch bei Kontakt angreift, immer mal wieder aus dem Nichts auftaucht oder auch mal an der Decke entlang kriecht. Waffen zur Verteidigung gibt es nicht wirklich, weshalb einem oft nur die Flucht bleibt oder sich unter einem Bett oder hinter Kisten zu verstecken. Das treibt das Adrenalinlevel durchaus mal in die Höhe und lässt das Herz in die Hose rutschen.
Aus der Horror-Klischeekiste
Beim ersten Durchlauf kann man sich damit über gut drei Stunden angenehmen gruseln, die Rätsel sind nicht wirklich schwer, der Ablauf recht linear gehalten und der Weg ziemlich offensichtlich. Man bedient sich dabei in erster Linie auch an den klassischsten Elementen des Horrors – der knarzende Boden über einem, zuschlagende Türen und Fenster, gruselige Musik aus dem Kinderzimmer und natürlich auch ein paar Jump-Scares. Man wird nicht drumherum kommen Parallelen zu bekannten Vorlagen zu ziehen – The Ring, Paranomal Activity oder The Grudge – waren offenbar große Inspirationen für “Infliction”. Sucht man Vergleiche in anderen Spielen, fällt einem der fotorealistische Look der “P.T. Demo” oder die abstrakten Welten von “Silent Hill” ein.
Der “Infliction Extended Cut” setzt dazu auf ein sehr angenehmes Tempo, das wohl dosiert mit gruseligen Effekten um die Ecke kommt und einem immer genug Zeit lässt, damit sich der Horror auch in eurem Kopf entfalten kann. Gruselige Wesen mit langen schwarzen Haaren tauchen zum Beispiel kurzzeitig auf oder gehen um eine Ecke, das Bild verzerrt für Sekundenbruchteile oder Stimmen hallen durch die Flure, während man sich schon die schlimmsten Dinge ausmalt, die jetzt passieren können. Und dann passiert entweder gar nichts oder man wird mit einem Jump-Scare wenige Zentimeter vor eurem Gesicht überrascht. Auf Dauer macht einen das im wahrsten Sinne des Wortes verrückt. Hier fand ich vor allem auch das Element mit der Polaroid-Kamera wirklich spannend, bei der sich der Film direkt vor euren Augen entwickelt und Dinge offenbart, die so nicht sichtbar waren, manchmal sogar den Geist, den man mittels eines Fotos auch abwehren kann. “Project Zero” lässt grüßen.
Kritisch betrachtet sind die Ideen von Caustic Reality und Blowfish Studios in “Infliction” jedoch nicht wirklich neu und kommen einem nur allzu vertraut vor. Wie erwähnt lässt sich das Horrorgenre dahingehend wohl kaum noch neu erfinden, was dem Ganzen auch ein wenig die Angst und den Reiz nimmt. Nicht falsch verstehen, man kann sich hier wirklich gruseln und eine tolle Erfahrung haben, am Ende wird man aber feststellen, dass es dies alles oder so ähnlich schon mal irgendwo gab. Interessant wäre “Infliction” sicherlich als VR-Spiel, da insbesondere das Tempo hier sehr gut gewählt ist und die Gameplay-Mechaniken auch nicht allzu kompliziert sind. Vielleicht sollte der Entwickler da mal drüber nachdenken.
Als Bonus darf man sich im Extended Cut dafür auf eine “New Game Plus”-Option freuen, in der das Wesen schneller reagiert, einige Story-Inhalte besser aufgearbeitet werden und auch einige Rätsel ergänzt wurden. Zum Schluss gibt es sogar eine ziemlich coole Galerie für die gefundenen Erinnerungen, die man in einem virtuellen Rundgang noch einmal betrachten darf.