Wenn in der Nacht auf den 09. September 2022 die LA Rams als aktuelle Super-Bowl Champions gegen die Buffalo Bills die NFL Saison 2022 einläuten, werden wieder Millionen von Fans auf der ganze Welt gebannt vor den Bildschirmen sitzen und sich über großartige Matches und Spielzüge freuen. Passend dazu veröffentlicht EA wie jedes Jahr kurz vorher seine Footballsimulation „Madden NFL 23“, mit einigen Neuerungen und vielen Möglichkeiten. Und wie immer stellt sich die Frage: bekommen wir echte Verbesserungen, oder nur ein lauwarmes Update?
Lang lebe der Coach
Bereits beim ersten Start der diesjährigen Version wird eins klar: Dem namensgebenden Coach John Madden wird nach seinem Tod im letzten Dezember ein Denkmal gesetzt. Er ist nicht nur auf dem Cover und spricht den bekannten Slogan „EA Sports – it’s in the Game“ ein, wir starten auch direkt mit einem Madden All-Star Game, bei dem beide Teams, gefüllt mit seinen Lieblingsspielern, von verschiedenen Versionen der Legende trainiert werden. Außerdem bekommen wir immer wieder Interview-Ausschnitte zu den entsprechenden Spielmachern präsentiert, in denen wir die Meinung des Coach zu hören bekommen. Und auch sonst ist John Madden in so gut wie allen Menüs und Modi zu finden. So feiert man eben eine Legende, die den Sport auf ein neues Level gebracht hat.
Neues Passsystem sorgt für Veränderung
Nach dem All-Star Game, das auch unsere Fähigkeiten testen und entsprechend den Schwierigkeitsgrad bestimmen soll, bekommen wir die überarbeitete Passmechanik präsentiert, welche es nur auf den Next-Gen-Konsolen geben wird. Wir haben hier die Wahl zwischen „Placement & Accuracy“, bei dem wir sowohl die genaue Zielposition unseres Passes, sowie die entsprechende Genauigkeit beeinflussen können, sowie dem Modus „Placement“, bei dem zumindest die Genauigkeit von der KI gesteuert wird. Im dritten Modus „Classic“ bleibt alles wie bisher und wir müssen nur auswählen, wen wir anspielen wollen. Die genaue Ansteuerung ermöglicht es, auch gut gedeckten Spielern die Chance auf einen Catch zu ermöglichen und so ganz neue Anspielstationen zu eröffnen. Zum Anfang mag sich das noch ungewohnt anfühlen und auch nicht direkt zu beherrschen sein, aber der Skill-Trainer steht uns hier gut zur Seite. Verbessert wurde auch die Defense-KI, die nun wesentlich intelligenter agiert und nicht direkt zu erkennen gibt, wer gedeckt wird und wer nicht. So kann es schnell zu der ein oder anderen Überraschung kommen. Die Verbesserungen und Anpassungen in Offensive und Defensive fühlen sich sehr gut an, gerade wenn man ein wenig Übung im ganzen hat.
Bemerkbar macht sich auch, dass die individuellen stärken der Teams von deutlich größerer Bedeutung sind als bisher. Spielen wir etwa gegen eine starke Verteidigung, dann laufen wir viel häufiger vor eine Wand oder werfen ins Nirgendwo, andersrum hat eine starke Offensive häufig freie Fahrt in die Endzone. Hinzu kommen die individuellen „X-Factor“ Fertigkeiten der Superstars, die wir unter bestimmten Bedingungen aktivieren und die das eigene Spiel auf ein ganz anderes Level heben.
Insgesamt wirkt das Gameplay wesentlich flüssiger und lebendiger. Nicht nur, dass wir durch die neuen Passysteme andere Möglichkeiten eröffnen können, auch sonst scheint die KI neue Spielzüge und Laufwege gelernt zu haben. Passfänger laufen nicht mehr unter Druck schnurstracks ins aus und suchen eher den Weg nach vorne. Alles in allem gibt es zwar nur kompakte Änderungen, diese fügen sich aber zu einem guten Gesamtgefüge zusammen, das viel Freude bereitet, ohne dabei direkt alles umzukrempeln. Abstriche gibt es hier und da noch immer bei der Beherrschung der Defence, sowie bei der Durchführung von Tacklings und Trick-Moves, wodurch wir teilweise sehr ziellos durch die Gegend fliegen. Dafür gibt es einige neue Animationen und kleine Moves, wie etwa ein Sprung beim Release oder das Freikämpfen aus einem Tackling. Zwar nur Kleinigkeiten, aber die machen auch den sprichwörtlichen Mist.
Die eigene Karriere nach vorne treiben
Neben dem Gameplay auf dem Feld spielt auch die Herangehensweise der einzelnen Modi eine große Rolle. Neben den normalen Modi wie „Schnelles Spiel“ oder einem Online-Multiplayer gibt es auch wieder eine Art Karrieremodus. In „Face of the Franchise“ erstellen wir einen eigenen Charakter, den wir nach unseren Vorstellungen entwerfen können, sowohl in Sachen Optik, als auch Position und spielerischen Stärken. Anschließend wählen wir das Team unserer Wahl anhand verschiedener Parameter, wie etwa dem Lohn, als auch der erhaltenen Erfahrung oder der Art und Weise, wie unsere Stärken ins Konzept des Playbooks passen. Anschließend planen wir a la Be-a-Pro unsere Woche mit zusätzlichen Trainingseinheiten, Sozial-Media Auftritten und Gesprächen mit unserem Trainerstab, durch die wir bessere Ausdauer oder Kraft für die nächsten Spiele sammeln. Im Spiel selbst steuern wir nur unseren Charakter und sammeln durch unsere Aktionen Erfahrungspunkte, die wir in einem Skill-Tree anwenden können. Dadurch steigern wir nicht nur unseren Marktwert, sondern auch unseren Level. Das Ziel: Hall of Fame, sowie den „Club 99“, also eine Gesamtwertung von 99 Punkten.
Wer lieber das gesamte Team unter Kontrolle hat, für den bietet sich der „Franchise“-Modus an. Hier steuern wir alle Belange der Firma, managen dabei nicht nur die Spieler, sondern auch den Ausbau der Stadien, und sogar die Preise für Parkplatz, Bier und Toilette. Darüber hinaus schicken wir Scouts los um neue Spieler zu finden, verhandeln ums Gehalt und müssen die Fans bei Laune halten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beiden Franchise-Modi sich zum Vorgänger verbessert haben und nun einiges mehr hermachen. Wir haben nun noch mehr Möglichkeiten zu individuellen Gestaltung sowohl der eigenen Figur, als auch des gesamten Teams. Auch die Präsentation ist ganz realitätsnah und vermittelt ein gutes Gefühl davon, wie die Karriere eines Profis ablaufen könnte. Schade ist es, dass wir jetzt bereits als Profi in der NFL starten, konnten wir im letzten Jahr zumindest noch im College anfangen und hier unseren Wert präsentieren. Auch fehlt es in dieser Saison an einem echten Storyrahmen, ähnlich der von „The Journey“, die ja auch bei FIFA leider aussortiert wurde. Nichtsdestotrotz fühlen wir uns hier sehr wohl und haben viel Spaß, unsere Saison zu erleben.
Money-Machine Ultimate Team
Auch „Madden NFL 23“ kommt natürlich mit einem Ultimate Team-Modus daher, wie man ihn kennt: Spieler sammeln, Team aufbauen, Herausforderungen und Spiele bestreiten und mit dem Geld neue Spieler verpflichten. Wer wirklich an die Spitze der Rangliste gelangen will, der kommt auch hier nicht unbedingt dagegen an, ohne echtes Geld zu investieren, um die teuren Packs zu kaufen. Zudem gleicht sich das MUT auch immer mehr dem FUT an, dieses Jahr zum Beispiel auch mit dem sogenannten Live-Events, die uns mit speziellen Herausforderungen anspornen will. Zudem gibt es Live-Saisons, welche sich über 2 Monate erstrecken, und die man zum Großteil ganz nebenbei erfüllen kann. Je weiter wir kommen, desto bessere Belohnungen erhalten wir. Hiermit soll auch sichergestellt werden, dass wir lange an das Spiel gebunden werden. Man kann davon halten was man möchte, wir sehen hier aber sowohl ein deutliches Suchtpotential, entweder viele Partien zu absolvieren, oder viel Geld zu verschwenden.
Falsche Namen und neue Bewegungen
In einer Sportsimulation ist es nicht nur wichtig, dass das Gameplay passt, auch die Atmosphäre und Grafik muss einiges zu bieten haben. Die EA-Spiele standen hier schon immer für einen hohen Wert an Realität und Authentizität, die Maßstäbe setzt. Auch dieses Jahr kann „Madden NFL 23“ einiges auffahren und bietet dabei eine tolle Darstellung der Spieler auf dem Feld, welche nun mit über 3.500 neuen Animationen und Bewegungen auffahren. Grund dafür ist die neuen FieldSENSE-Technologie, die aus vier wesentlichen Punkten besteht: „Hit Everything“, „Auf Fähigkeiten basierendes Passen“, „360° Cuts“ und „Kämpfe zwischen WRs und DBs“. All das sorgt für Verbesserungen in allen Bereichen, indem etwa Tackles nun realistischer sind, Pässe sich individueller anfühlen und sich alle Spieler viel freier, unvorhersehbarer und echter bewegen. Das führt zu einer noch besseren Atomsphäre und einem ansprechenderen Spielgefühl auf allen Ebenen.
Auch rund ums Feld gibt es viele schöne Momente und Erlebnisse. Es gibt jubelnde Fans, Reaktionen der Teammitglieder, aber auch Einblendungen rund um das gesamte Stadion, wie man sie auch aus den TV-Übertragungen kennt. Hin und wieder kommt es aber vor, dass Stadien, die vor kurzem umbenannt wurden, noch den falschen Namen tragen, wie etwa das „Kraft-Heinz“-Stadion, das nun Acrisure Stadium heißt. Auch die neuen Helme der Teams wurden noch nicht ins Spiel übertragen, vielleicht gibt es aber ja ein Update, mit dem alles überarbeitet wird. Auch die Kommentare und Soundtracks machen wieder einiges her und fügen sich gut ins Gesamtkonzept ein. Schade nur, dass der Titel wieder komplett nur in englischer Sprache daher kommt. Warum man nicht endlich alle Menüs und Texte auch in anderen Sprachen präsentiert werden bleibt nach wie vor ein Rätsel.