Die „Shin Megami Tensei“-Serie feiert mit „Persona 5“ in diesen Tagen nicht nur einen weiteren Ableger des erfolgreichen J-RPGs, sondern gleichzeitig auch ihr 20-jähriges Jubiläum. Im Westen feiert „Persona“ inzwischen den gleichen Erfolg wie andere Genre-ähnliche Titel, darunter „Final Fantasy“ oder „Dragon Quest“. Das Erfolgsrezept sucht seinesgleichen – die düstere Atmosphäre, eine erwachsene Geschichte und diverse Tabu-Themen wie z.B. Sex, Suizid und Mord. Zugegeben, die Jungs von Atlus scheuen sogar nicht davor Adolf Hitler als Endgegner zu inszenieren, wenn wir kurz auf die ehemaligen Titel zurückblicken. Doch genau diese provokante Haltung der Serie macht sich unter den Fans beliebt und setzt ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Umso größer ist die Freude nach der Ankündigung von „Persona 5“ gewesen, da die Veröffentlichung des vierten Teils schon viele Jahre zurückliegt und der Hunger nach neuem Content aus dem „Shin Megami Tensei“-Universum jedes Jahr größer wurde. Schafft es „Persona 5“ die hungrigen Fans nun zu sättigen oder werden die Spieler mit einem Kohldampf zurückgelassen? Diese Frage werden wir für euch in einem ausführlichen Bericht aus dem Metaversum beantworten.
Vom Held zum Verbrecher
Zivilcourage wird heutzutage nicht mehr ganz so groß geschrieben und in Ausnahmefällen womöglich sogar bestraft. Wäre das Leben für unseren Protagonisten immer nur schön gewesen, hätte er die arme Frau, die von einem betrunkenen Glatzkopf angepöbelt wurde, einfach ignoriert. Stattdessen gibt es nur eine Anklage wegen Körperverletzung und im Endeffekt den damit verbundenen Rausschmiss aus der eigenen Schule. Doch frei nach dem Motto: ‚Ist der Ruf erst einmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert‘, würde man meinen. Ganz im Gegenteil – auch in der neuen Schule Tokyos verfolgt uns die Vergangenheit, was uns in den Augen unserer Mitschüler sofort zu einem „Kriminellen“ degradiert. Das wäre alles auch gar nicht mal so schlimm, würden wir uns nicht ab und zu in einem parallelen Universum zusammen mit einer Katze gegen Schattenbestien kloppen. Ihr denkt, ich wäre verrückt? Willkommen in der Welt von „Shin Megami Tensei: Persona 5“.
Das Storytelling in „Persona 5“ ist exzellent – wir haben eine Rahmenhandlung, welche in der Zukunft stattfindet und den Spieler in das kalte Wasser schmeißt, was selbstverständlich für viele offene Fragen sorgt. Diese werden nämlich Stück für Stück im Laufe der Story und unserer Beziehungen zu anderen Charakteren beantwortet, weswegen wir permanent motiviert sind, in der Handlung voranzukommen. Der Grund für meine Neugier ist nicht nur die Spannung in der Geschichte selbst, sondern ihre Unberechenbarkeit. Ich habe nie das Gefühl gehabt, die wichtigsten Handlungswechsel erahnen zu können. Es werden offensichtliche Mittel benutzt, um zukünftige Abschnitte im Verlauf der Story anzudeuten, aber keinesfalls die Spielerfahrung zu verderben. Wenn ihr also meint, den Verlauf erahnen zu können, ist es von den Machern auch genau so gewollt.
Auch beim fünften „Persona“-Teil versucht Atlus wieder einmal die Grenzen zu testen – wir haben Andeutungen auf sexuellen Missbrauch von Schülern, Suizid, Mord und diverse andere erzählerische Stilmittel, welche die Autoren gekonnt als Motive für die Figuren einsetzen, was auch ungemein zur Ernsthaftigkeit der düsteren Geschichte beiträgt.
Die Balance zwischen Dieb und Schüler finden
Wie bereits erwähnt, stecken wir bis zum Hals in Schwierigkeiten und müssen uns innerhalb eines Jahres in der Gesellschaft als normaler High-School-Schüler beweisen. Dabei spielt unsere Zeitverteilung eine enorm wichtige Rolle, denn es gibt zahlreiche Sachen in der realen Welt zu erledigen, die sich auf die parallele Welt auswirken. So müssen Beziehungen geknüpft und gepflegt werden, die uns mit höheren Stufen Vorteile beim Kauf von Items oder Interaktionen mit Gegnern helfen können. Darüber hinaus darf die Schule nicht vernachlässigt werden, während wir als Diebe verkleidet, die Herzen der Bösewichte als „Schätze“ klauen müssen. Wer also richtige Prioritäten setzen kann, wird klar im Vorteil sein.
Kommen wir zu den rundenbasierten Kämpfen in der Parallelwelt. Unsere Protagonisten haben nämlich sogenannte „Personas“ – die Verkörperung ihres Geistes, die wir zu der Bekämpfung von anderen Schatten nutzen. Das Kampfsystem gestaltet sich am Anfang zwar wie das Stein-Schere-Papier-Prinzip, gewinnt mit der Zeit und stärkeren Gegnern jedoch an Komplexität, wodurch nicht nur der Spielspaß steigt, sondern auch das Hirn angeregt wird. Die Schwächen der jeweiligen Monster spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, denn wer sie kennt, kann den Kampf schon in wenigen Sekunden für sich entscheiden.
Wem die richtige Taktik fehlt, wird den Kampf ganz klar öfters neustarten müssen. Ganz genau, das habt ihr richtig gelesen – statt dem klassischen „Game Over“-Bildschirm, haben wir die Möglichkeit, den Kampf neu zu beginnen, was uns insbesondere bei langen Dungeons viele Frustmomente erspart. Besonders gefällt uns die Tatsache, dass die Kämpfe nicht den Spielfluss unterbrechen und ziemlich stylisch inszeniert werden, doch dazu später mehr.
Wenn wir nicht gerade Monster zur Strecke bringen, haben wir die in der „Persona“-Serie beliebte Möglichkeit, unsere „Persona“ zu fusionieren, um im Endeffekt komplett neue Helfer im Kampf zu erhalten. Unser Tipp: so früh wie möglich die Feuer- und Eis-Attacken erlernen, um später in den Kämpfen die richtigen Elemente dabei zu haben.
Mit so viel Style wie nie zuvor
Optisch hat „Persona 5“ eindeutige Schwächen in der Textur-Qualität, welche mich teils an die PS2-Zeiten erinnern. Einige Orte entsprechen einfach nicht den Standard-Voraussetzungen der heutigen Zeit, doch einige Szenen und der Look des Spiels ist zum Beispiel in der realen Welt bewusst minimalistisch gehalten. Einige Zwischensequenzen sind sogar im klassischen Anime-Stil gezeichnet worden und daher ein Highlight in der gesamten Inszenierung. Kurz ansprechen möchte ich auch die Paläste innerhalt des Metaversums.
Das Level-Design innerhalb dieser speziellen Dungeons ist mehr als gelungen und bietet hier und da kleine Details zur Story und den betroffenen Charakteren. Eine Steigerung gegenüber den Vorgängern ist somit auf jeden Fall zu erkennen. Ein ganz großes Lob möchte ich an dieser Stelle an die gelungene Menu-Führung aussprechen. Die Menus von „Persona 5“ sind stylisch und dynamisch, was ich persönlich bei keinem Spiel bisher so in dieser Form gesehen habe. Außerdem geht die Auswahl von Kommandos in den Kämpfen bzw. der Übergang zwischen Kampf und Erkundung sehr flüssig und schnell von statten.
Leute, der Soundtrack von „Persona 5“ sucht seinesgleichen, denn die atmosphärischen Klänge von „Beneth the Mask“, die im Hintergrund laufen, haben einen markanten und entspannten Sound, was perfekt zum Gameplay passt. Die Lokalisierung erfolgt dabei komplett in Englisch, was bei manchen Spielern womöglich auf Unzufriedenheit stößt, da gute Englisch-Kenntnisse eine wichtige Voraussetzung für „Persona 5“ sind. Für echte Fans steht natürlich auch die japanische Sprachausgabe zum Download im PSN bereit, selbstverständlich kostenlos.
Entwickler: Persona 5 // Publisher: Atlus // Release: erhältlich // Offizielle Homepage: www.atlus.com