Entwickler Supermassive Games meldet sich mit der The Dark Pictures Anthologie zurück, die euch mit dem zweiten Kapitel Little Hope erneut das Fürchten lehren wollen. Hat man sich im ersten Teil Man of Medan noch durch ein Geisterschiff schlagen müssen, verschlägt es euch diesmal in eine amerikanische Kleinstadt, in der seit Jahrhunderten böse Dinge vor sich gehen.
Wir konnten vorab einen Ausflug nach Little Hope machen und verraten euch in unserem Review, warum euch diesmal mehr als nur eine Fortsetzung erwartet. Denn genau das scheinen einige zu befürchten, der ewige Fluch nur mehr vom Gleichen präsentiert zu bekommen. Wer den Albtraum von Little Hope allerdings überlebt, wird angenehm überrascht sein.
No Little Hope
Unterwegs mit einer College-Gruppe und dessen Professor ereilt euch ein kleiner Unfall. Der Schulbus kommt vom Weg ab und ihr sitzt unweigerlich in der historischen Stadt Little Hope fest, in der die Zeit irgendwann stehen geblieben zu sein scheint. Neben grausamen Hexenprozessen, die hier im Mittelalter stattfanden, war Little Hope in den 70er Jahren auch ein florierender Wirtschaftsstandort, zumindest solange, bis die örtliche Textiflabrik schloss und die Bewohner nach und nach gingen. Zurück blieb eine Geisterstadt, die nun von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Das hat doch echtes Horrorpotenzial!
Man selbst schlüpft wieder abwechselnd in die Rollen von fünf Charakteren und versucht einen Weg aus Little Hope zu finden. Gar nicht so einfach, wenn die Stadt völlig verlassen ist und sich die Figuren untereinander auch nie einig werden können. Hinzu kommt ein seltsamer und dichter Nebel, der es scheinbar verhindern möchte, dass man aus diesem verfluchten Ort fliehen kann. Während Professor John daraufhin beschließt, den wohl rationalsten Weg zu gehen und nach Hilfe in der Stadt zu suchen, möchte die etwas eigensinnige Taylor lieber am Bus warten und darauf hoffen, dass Hilfe irgendwann vorbeispaziert kommt.
Die eher treibende Kraft in der Gruppe ist in diesem Teil Andrew, gespielt von Will Poulter (Maze Runner), der letztendlich immer die Entscheidung zu fällen scheint. Andrew schweißt die Gruppe jedenfalls irgendwie zusammen und nimmt generell eine besondere Rolle ein. Warum? Das erfährt man ganz am Ende. Die verbleibenden Charaktere sind Angela, eine etwas ängstliche Lehrerin, und der Student Daniel, die in meiner Story jedoch eher untergeordnet agierten.
Verstörend wird es, sobald ein kleines Mädchen namens Mary auftaucht, das euch scheinbar durch Little Hope lotst. Bei jedem Kontakt erlebt man Erinnerungen aus dem 17. Jahrhundert, und zu alledem in Gestalt von euch selbst. Man muss zusehen wie Angela der Hexerei beschuldigt wird, Taylor den Strang erfährt oder John im Bunde mit dem Teufel sein soll. Doch wie passt das alles zusammen und was hat das kleine Mädchen damit zu tun?
Anders als in Man of Medan (unser Review) verfolgt Little Hope keine nur nach vorne gerichtete Story, sondern eine überlagerte Geschichte zu verschiedenen Epochen, was zugleich den größten Unterschied ausmacht. Die Charaktere der Gegenwart agieren in der Vergangenheit wie unsichtbare Geister, was die Menschen von damals an den Teufel und Hexen glauben ließ. Wenn sich Dinge scheinbar wie von Geisterhand durch die Luft bewegen und das kleine Mädchen zu unsichtbaren Figuren spricht, kann sie nur im Bunde mit dem Teufel sein. Die überlagerte Geschichte schlägt sich auch in den Schauplätzen nieder – was damals noch der Gerichtssaal war, ist in der Gegenwart nun ein Museum, das weiterhin mit den Tragödien von damals verbunden ist.
Wer Spiele wie Silent Hill mag, der wird sich in Little Hope wohl wie Zuhause fühlen. Das Setting dieser amerikanischen Geisterstadt funktioniert hier perfekt und kombiniert diesen mit Elementen weiterer Ikonen wie Blair Witch, einschließlich klassischer Schauplätze wie einem Friedhof, einer unterbewussten Spannung, aber auch den klassischen Jump Scares, die wohl dosiert eingesetzt werden. Der Griff in die Horrorkiste mag vielleicht nicht revolutionär völlig neu sein, nutzt sich in Little Hope aber auch nicht durch übertriebenen Einsatz ab.
Jede Entscheidung zählt
Wie aus den vorherigen Spiel bereits bekannt, kommt auch in Little Hope das Butterfly-System zum Einsatz. Basierend auf euren Entscheidungen ändert sich der Verlauf der Story, wer mit wem unterwegs ist und wie wichtige Schlüsselpunkte entschieden werden. Wie gewohnt, sind die Auswirkungen oft nicht sofort spürbar, sondern können mitunter auch erst zum Ende der Story zuschlagen. Oftmals überspringt man so ganze Szenen, wenn zum Beispiel Charaktere verunglücken, oder man lässt wichtige Objekte zurück. In einer Szene hat man zum Beispiel die Wahl, einen gefunden Revolver mitzunehmen oder liegen zu lassen. Dies kann später mitunter das Leben einer der Figuren retten.
Noch mehr Verwirrung bringt Supermassive Games mit den Vorahnungen ins Spiel, die man diesmal anhand von Postkarten in Little Hope findet. Diese zeigen eine mögliche Zukunft, was wiederum eure Entscheidungen beeinflussen kann. Auch die Gesprächsrunden mit dem geheimnisvollen Kurator versuchen euch womöglich zu täuschen oder eure Wahl zu überdenken. Ob richtig oder falsch, ist auch in Little Hope nie so einfach zu beantworten. Wirklich falsche Entscheidungen gibt es eher nicht, sie legen aber den Grundstein für eure persönliche Story.
Durch dieses System entsteht wieder eine unglaublich komplexe und individuelle Geschichte, dessen Facetten man auch nach gut drei Durchläufen nicht alle sehen wird. Wie schon in Men of Medan stolpert das Spiel aber auch in Little Hope noch etwas über die eigenen Füße. Nicht mehr ganz so störend wie im ersten Teil können Szenen aber nach wie vor etwas unlogisch erscheinen oder wirken falsch geschnitten. Dies passiert am ehesten, sobald einer der Charaktere stirbt und man dadurch wichtige Zusammenhänge verpasst. Insgesamt wirkt das System diesmal aber runder als Man of Medan, was Supermassive Games auch wichtig war.
Zu zweit gruseln
Was hingegen wieder sehr gefällt, ist die gemeinsame Story, entweder mit einem Freund auf der Couch oder online. Da hier wieder jeder seine eigenen Charaktere wählt, kann man selbst keinen Einfluss auf dessen Entscheidungen nehmen, was die Spiele von Supermassive Games nach wie vor recht einzigartig macht. Dadurch wird die Story ungemein interessanter, noch unvorhersehbarer und sollte dem Single-Gameplay auch unbedingt vorgezogen werden.
Ein guter Horrorstreifen
Ebenfalls vorangetrieben wurde die filmische Erzählweise, die nicht mehr nur aus plumpen Szenenwechseln besteht, sondern viel dynamischer abläuft. So werden Charaktere nun fließend inmitten des Gameplay gewechselt und dabei noch aufwendig animiert, insbesondere bei den Quicktime-Events. Auch die visuelle Darstellung hat wieder einen erheblichen Sprung nach vorne gemacht, so dass die Charaktere und Animationen weniger wie gruselige Puppen aus den vorherigen Spielen wirken.
Diese Ambitionen werden leider ein wenig von der deutschen Synchronisation getrübt, die schon wieder alles andere als passend aus den Lautsprechern tönt. Besonders die Betonungen sind oftmals völlig fehl am Platz und passen so gar nicht zur Stimmung auf dem Bildschirm. Schade, dass man hier immer noch zu sehr spart, zumal dies immer wieder bei den Spielen von Supermassive Games kritisiert wird. Deutlich homogener wirkt wie so oft die originale Vertonung in Englisch.