TEST: The Evil Within 2 – Die Kunst des Horrors verstanden

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Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie gespannt ich damals auf “The Evil Within” war, das mit Shinji Mikami, seines Zeichens der Schöpfer hinter der Resident Evil-Serie, einen klassischen Horrortitel versprach. Umso größer war die Ernüchterung, als ich das Spiel in der finalen Version in den Händen hielt. Auch wenn das nun schon einige Jahre zurückliegt, hab ich noch gut im Gedächtnis, dass ich das Spiel irgendwie nicht mochte. Technisch unausgereift, teils recht unfair und irgendwie auch nicht ganz zeitgemäß. Da hat man den Begriff “Back to the Roots” offenbar doch etwas zu ernst genommen.

Etwas verunsichert blickte man daher auf das jüngst erschienene “The Evil Within 2”, mit dem Bethesda und Tango Gameworks einen neuen Versuch wagen. Und siehe da, man ist positiv überrascht, wie sehr sich das Spiel gewandelt hat, wie sehr man das Horrorgenre versteht und wie gespannt ich die kommenden 12 Stunden genoss.

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Die verloren geglaubte Tochter

Die Story von “The Evil Within 2” setzt dort an, wo der erste Teil endete, auch wenn mir der Bezug dazu etwas fehlt. Bis auf ein paar Rückblenden, die diesen noch einmal aufgreifen, scheint man aber nicht zwingend das Original gespielt haben zu müssen, um den Story-Faden aufheben zu können. Erneut schlüpfen wir in die Rolle des Ex-Detective Sebastian Castellanos, der erfahren muss, dass seine Tochter Lily nicht grausam in einem Feuer ums Leben gekommen ist, sondern als Experiment bei Mobius im Kern des STEM verweilt. Es gibt also nach wie vor eine Chance seine Tochter zu retten und die vermeintlichen Sünden der Vergangenheit wiedergutzumachen. Knapp an die 12 Stunden (laut Spiele Counter) erlebt man hierbei eine wahre Horror-Audyssey, die von Hoffnung, Verzweiflung, Liebe und Emotionen geprägt ist. Auch wenn die Story an sich etwas langatmig wirkt, ist man zu keiner Zeit gelangweilt von ihr und schleicht darin fasziniert von einem Setting zum anderen. Vor allem sind es aber die äußerst ausgewogenen Parts an erzählter Geschichte, dem Erkunden, Survival und Action, die durchweg das Interesse an dem Spiel halten.

Bekannte Ideen vereint

Wer sich einmal in den STEM begibt, wird nicht drumherum kommen, dass man sich für “The Evil Within 2” sehr viel bei bekannten Vorlagen abgeschaut hat. Das beginnt schon mit der künstlich generierten Stadt Union, die gleich mehrmals an Silent Hill erinnert, aber auch viel von Resident Evil ist wiederzuerkennen, wobei dies in erster Linie Shinji Mikami persönlich geschuldet sein dürfte. Teils fühlte ich mich aber auch zu “Beyond: Two Souls” versetzt, dem Film “Poltergeist” oder dem “Texas Chainsaw Massacre”. Das muss aber nicht unbedingt verkehrt sein, da “The Evil Within 2” trotzdem seinen ganz eigenen Charakter und Wiedererkennungswert hat.

Das Horror-Genre verstanden

Was mich an “The Evil Within 2” allerdings besonders fasziniert hat ist, dass man das Horror-Genre mit all seinen klassischen Zutaten wirklich verstanden hat. Hier reihen sich keine sich ständig wiederholenden Schreckmomente aneinander, die am Ende immer in einer Blutorgie enden. Vielmehr sind es die prägnanten Stile und künstlerischen Werkzeuge, die hier zum Einsatz kommen. Wenn man zum Beispiel ein Gebäude betritt und sich ein alter Film-Filter über das Bild samt Kratzgeräusche legt, klassische und bedrückende Musik, die in der Ferne spielt, überlagerte Bilder und Visionen, Rauschen und Stimmen aus dem Kommunikator, Schatten, die sich durch den Raum bewegen – all solche Dinge, die eine wirklich beklemmende Unsicherheit erzeugen, während man sich langsam durch die Welt bewegt.

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Aber auch die gewählten Schauplätze passen dazu wunderbar schaurig ins Bild – ein altes Theater mit seinen langen Vorhängen, eine Art Kathedrale, die direkt der Hölle entsprungen zu sein scheint, ein verlassener Laborkomplex, sowie diverse skurrile Parallelwelten möchten bis in den letzten Winkel erkundet werden. Die Gestaltung der Spielwelt sagt einem geradezu ins Gesicht, dass dies keine Orte sind, an denen man sich gerne alleine aufhalten möchten oder sollte. Von verstörend bis gruselig und teils auch sehr elegant greift hier alles wundervoll ineinander. Dabei reicht oftmals schon ein Zurückschauen, und die Welt hinter euch hat sich komplett verändert. Neue Wege tun sich auf oder ein Bild vor euch wird zum rettenden Ausgang.

Viel Lob gibt es auch für das fantastische Charakter-Design eurer Gegner, die absolut verstörend und skurril aussehen. Da wäre der Keeper, dessen Kopf in einem Tresor steckt und zusätzlich mit Stacheldraht umwickelt wurde, oder der Harbinger mit seinem Flammenwerfer, der in gewisser weise an den Pyramid Head aus Silent Hill erinnert. Aber auch die riesigen Endgegner sind ein wahres Fest bei ihrem Anblick, insbesondere der finale Boss in seiner schleimigen Gestalt.

Technisch deutlich besser als der Vorgänger

Was die Technik und Grafik an sich angeht, hat man mit “The Evil Within 2” einen deutlichen Schritt nach vorne gemacht, auch wenn man bislang auf eine gesonderte PS4 Pro und HDR Unterstützung verzichten muss (ein Patch dafür ist aber bereits angekündigt). Vor allem auf einem 4K TV macht sich dies doch deutlich bemerkbar. Das Spiel in der Gänze betrachtet hat Bethesda nach wie vor so seine Problemchen, Schritt mit der Zeit zu halten. Die Texturen wirken teils doch schon etwas veraltet und leicht verwaschen, und dennoch sind hier und da auch unschöne Popups zu beobachten. Es beschleicht einen nach wie vor das Gefühl, dass grafische Aspekte bei Bethesda irgendwie nicht die höchste Priorität genießen, was wirklich schade ist, denn damit hätte “The Evil Within 2” durchaus ein nahezu perfekter Vorzeigetitel werden können. Immerhin darf man sich aber über gelungene Filmsequenzen und eine stabile Performance freuen, die beim Vorgänger ja teils auch absolut unterirdisch war. Trotz dieser Makel erfreut einen das Spiel mit einer tollen und gelungenen Atmosphäre, sodass sich das andere recht leicht verschmerzen lässt.

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Erstmal nen Kaffee

Auf der spielerischen Seite greift man zudem auf Altbewährtes und präsentiert ein klassisches Third-Person Gameplay, das jedoch nach wie vor etwas träge wirkt. Sebastian kann seine Fähigkeiten allerdings durch verschiedene Skill-Trees verbessern, was auch für Waffen & Co. gilt. Hierzu bedarf es allerdings einer echten Sammelleidenschaft im Spiel, denn mit dem ersten Durchlauf hab ich vielleicht die Hälfte von allem freischalten können. Wer den Schwierigkeitsgrad höher stellt, muss mit seine Ressourcen auch immer sparsamer haushalten, die dementsprechend knapp werden. Hierfür bieten sich allerdings die vielen Nebenaufgaben an, die sich meist beim Betreten bestimmter Häuser auftun oder wenn verwirrte Überlebende plötzlich über die Karte jagen, die man retten kann. Wem das Ganze von Zeit zu Zeit zu viel wird, kann sich auch in die verschiedenen Unterschlüpfe retten, um dort seine Ressourcen aufzufüllen, mit einem Schluck Kaffee seine Energie wiederherzustellen und für einen kurzen Moment durchzuatmen.

Euer Waffenrepertiore im Kampf zeigt sich hingegen ganz klassisch, das von einer simplen Pistole bis hin zur einer Armbrust mit unterschiedlicher Bestückung reicht. Obendrauf lässt sich aber auch die Umgebung oftmals dazu nutzen, sich seiner Gegner zu entledigen, in dem man Benzinfässer zum explodieren bringt, mit Stickstoff gefüllte Tanks sprengt oder mit dem Elektrobolzen riesige Pfützen unter Strom setzt. Der Kampf ist allerdings nicht immer zwingend das beste Mittel der Wahl, auch die Flucht sollte stets überlegt werden. Wer sich trotz alledem noch unterfordert fühlt, wird mit dem Durchspielen mit einem ‘Classic Mode’ belohnt, bei dem die Autosaves wegfallen, es nur eine begrenzte Anzahl an Speichermöglichkeiten gibt und Sebastian keinerlei Upgrades nutzen kann.

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TEST: The Evil Within 2 – Die Kunst des Horrors verstanden
“The Evil Within 2 ist ein wirklich tolles Horrorspiel, bei dem man konsequent die Fehler ausgemerzt hat, die beim Vorgänger besonders kritisiert wurden. Auch wenn aus technischer Sicht noch Luft nach oben ist und “Rettung” auch bereits naht, punktet der Titel schon jetzt mit einer unterhaltsamen und atmosphärischen Story, verpackt in einer unheimlich interessanten Spielwelt, mit der man die klassischen Zutaten des Horrors geschickt weiß einzusetzen. Obendrein darf man sich auf ein fantastisches Charakter-Design, eine gelungene Lokalisierung und viel Abwechslung freuen. Spielerisch wagt man dafür keine allzu großen Experimente, macht aber auch wenig falsch damit. Ganz penibel betrachtet ist The Evil Within 2 in diesem Punkt vielleicht nicht perfekt, legt dafür aber eine sehr ausgewogene Balance an den Tag, die zudem viele Spieler-Typen anspricht - von Story-Enthusiasten bis hin zu Hardcore Gamer. Wer, wie ich, vom ersten Teil nicht ganz überzeugt war, sollte sich nicht davon abschrecken lassen, einen Blick auf The Evil Within 2 zu werfen. Das Spiel ist gänzlich anders als erwartet.”
8.7
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