Mit Watch Dogs: Legion erscheint nun der dritte Teil der Hacker-Reihe aus dem Hause Ubisoft. Endlich, möchte man fast sagen, denn Teil zwei ist nicht nur bereits vier Jahre her, ursprünglich sollte der dritte Teil im Herbst 2019 den Weg auf die heimischen Konsolen finden. Aus verschiedenen Gründen wurde der Release aber immer weiter verschoben, bis wir den Titel nun endlich fast ein Jahr später in den Händen halten und uns in die Schlacht in Großbritanniens Hauptstadt London begeben dürfen.
Das London der Zukunft
Wie bereits gesagt führt uns die Geschichte von Watch Dogs: Legion nach London. Der technische Fortschritt und die Weiterentwicklung von KI haben zu einer starken Veränderung in der Gesellschaft geführt: Maschinen ersetzen Arbeiter und sorgen für eine hohe Arbeitslosigkeit, Gangs beherrschen die Straßen und steigern die Kriminalität, und das britische Pfund ist viel weniger Wert als die Kryptowährung Eto, und hat diese eigentlich vollkommen abgelöst.
In dieser Zeit arbeiten wir zu Beginn der Story als DedSec, die bereits aus den Vorgängern bekannte Hacker-Organisation. Mit unserem Team und der hochentwickelten KI Bagley daran, einen Anschlag einer weiteren Organisation namens „ZeroDay“ zu vereiteln, denn diese wollen das House of Parlaments in die Luft jagen und es DedSec in die Schuhe schieben. Gerade als das DedSec-Mitglied Dalton Wolfe die Bombe entschärft und Beweise für die Unschuld von DedSec gesammelt hat, explodieren weitere Sprengsätze in der gesamten Stadt und Wolfe wird von einer geheimnisvollen Person umgebracht.
Aufgrund der Ereignisse beauftragt die Regierung die private Militär-Sicherheitsfirma Albion damit, wieder für Zucht und Ordnung auf den Straßen zu sorgen, das Verbrechen einzudämmen und Hackern den garaus zu machen. Mit sämtlichen, weitreichenden Befugnissen ausgestattet verwandelt Albion die Stadt in einen Überwachungsstaats, vor allem dank seinem Zugriff auf das in alle Bereiche der Stadt integrierte ctOS aus dem Hause Blume. Fans der Vorgänger dürfte es hier in den Ohren klingeln, denn bereits in den beiden ersten Teilen hatte man mit dieser Firma so seine Konflikte. DedSec verschlägt es daraufhin in den Untergrund und beginnt neue Rekruten aus der Bevölkerung auszuwählen, um London zu befreien und den wahren Täter hinter den Anschlägen zur Rechenschaft zu ziehen.
Hacken über Hacken
Anders als in den Vorgängern arbeiten wir nicht mehr allein, sondern im Team. Es gibt daher auch keinen zentralen Protagonisten mehr, denn wir können prinzipiell jeden Bewohner von London rekrutieren und unsere Missionen mit ihr oder ihm bestreiten. Da die Bewohner viele verschiedene Eigenschaften besitzen, rekrutieren wir uns relativ schnell eine Mannschaft aus den verschiedensten Charakteren zusammen, um auf alle Eventualitäten gewappnet zu sein. Da gibt es zum Beispiel die Barkepperin, die selbst wohl gerne mal laut ihrem Profil zum Glas greift und daher mehr Schaden einstecken, aber auch austeilen kann. Dann gibt es wiederum die Albion-Sicherheitskraft, die sich unserer Sache angeschlossen hat, und uns mit ihrer Uniform Zugang zu gesperrten Gebieten eröffnet und im Fall der Fälle zu einem Sturmgewehr greifen kann. Während wir hin und wieder doch Charaktere finden, die uns mit besonderen und fast einzigartigen Fähigkeiten überraschen, besitzen die meisten Bewohner Londons zumindest eine Hand voll der gleichen Kräfte und Nachteile, wie etwa Feinde durch Schluckauf anzulocken. Nach echten Elite-Einheiten müssen wir dann doch schon etwas präziser suchen. Aber gut, man kann auch schlecht erwarten, dass Ubisoft uns über eine Million verschiedener Fähigkeiten präsentiert. Interessant wird es, sobald das Spiel Beziehungen unter den Figuren entwickelt. So bekommen wir etwa Informationen darüber, dass die Person vor uns der Enkel eines unserer Teammitglieder ist, oder wir den Therapeuten einer Person im Kampf schwer verletzt haben. Man sollte im Vorfeld also immer gut überlegen, ob man jeden Feind ausschalten möchte, oder doch eher heimlich und pazifistisch vorgehen will.
Tod oder Leben?
Eine weitere, sehr spannende neue Funktion ist die optionale Möglichkeit des permanenten Todes. Zu Beginn des Spieles werden wir gefragt, ob wir diese Funktion nutzen wollen, entscheiden wir uns für ja, führt das dazu, dass unsere Teammitglieder tatsächlich sterben können und uns danach nicht mehr zur Verfügung stehen. Sollte das unserem letzten Teammitglied passieren, dann heißt es tatsächlich „Game Over“. Entscheiden wir uns gegen die Option, bleiben unsere Mitglieder nur für einige Zeit im Krankenhaus oder hinter schwedischen Gardinen, mit den richtigen Leuten im Team, z.B. Anwälten oder Ärzten, lässt sich die Ausfallzeit aber rapide senken. Allzu häufig werden wir in der Regel aber nicht mit dem Tod konfrontiert, außer wir gehen nach Kamikaze-Art ins Gefecht, und auch neue Teammitglieder lassen sich problemlos in kurzer Zeit und mit wenig Aufwand rekrutieren.
Darüber hinaus erwarten uns in London viele Möglichkeiten, mit denen wir uns die Zeit vertreiben können. Es gibt zahllose Sammelobjekte, wie neue Masken, Text- und Tondateien mit Hintergrundinformationen, aber auch Freizeitmöglichkeiten, wie etwa Darts, Bar, in denen man einen Trinken kann, Fußbälle, die sich jonglieren lassen, und viele verschiedene Nebenmissionen, entweder von bereits getroffenen Story-Charakteren, oder besondere, kleine Ziele, mit denen wir gegen Albion rebellieren und die Viertel von London unter unsere Kontrolle bringen können.
Wie in den vorherigen Teilen ist unser Smartphone aber nach wie vor unser treuer Begleiter. Mit ihm Hacken wir uns in Kameras und Laptops, stören den Funk oder die Waffen unserer Feinde, zünden Fallen, lenken fremde Fahrzeuge oder übernehmen die Kontrolle über Drohnen und Geschütze. Besonders interessant sind hier die Cargo-Drohnen, auf die wir klettern und darauf anschließend umherfliegen können. Darüber hinaus gibt uns unser Smartphone dank der Verknüpfung mit ctOS und der KI Bagley auf der Straße sämtliche Info über anvisierte Personen, ihre Kräfte, sowie die Möglichkeit, sie auf die Liste möglicher Rekruten zu setzen. Beim Hacken erwarten uns auch aus dem Vorgänger bekannte Mechaniken, in denen wir zum Beispiel Leitungen neu Ausrichten müssen, um Knotenpunkte freizuschalten, oder Schlüsselcodes herunterladen müssen, um Türen und Tore zu öffnen.
Was an sich alles sehr vielversprechend anhört, zeigt in der Praxis aber, dass es nicht gänzlich ausgereift ist. Die Hacker-Techniken sind genau so ausgefeilt wie in den Vorjahren, und lassen sich mit entsprechenden Punkten im Fertigkeitenbaum weiter ausbauen und verbessern. Auch die vielen verschiedenen Figuren mit ihren Fertigkeiten sind eine tolle Idee und sorgen für Abwechslung und viele verschiedene Herangehensweisen, es fehlt uns aber an der wirklichen Herausforderung, da sich Mitglieder viel zu leicht rekrutieren lassen. Dazu passen auch die vielen Drohnen, die durch die Stadt schwirren, und uns auf unterschiedliche Art behilflich sein können. Allerdings werden wir, vermutlich durch die vielen Charaktere, viel zu oft mit Ladescreens konfrontiert, und vermissen auch das ein oder andere Element. So fehlt etwa die Möglichkeit in Verfolgungsjagden mit der Polizei auf ctOS zuzugreifen, um Ampelkreuzungen im richtigen Moment auf grün zu schalten, oder um Rohre bersten zu lassen. Diese Elemente hatten für viel Action gesorgt, nun muss man umständlich schauen, ob man ein Fahrzeug vor sich ggf. im richtigen Moment in den Weg lenken kann. Des Weiteren erscheint uns der Titel insgesamt viel zu leicht, und auch etwas zu kurz, denn bereits nach kurzer Zeit haben wir alle Bezirke unter Kontrolle und fast alle Fertigkeiten freigeschaltet. Man darf gespannt sein, wie die kommenden DLC den Umfang erweitern werden.
Big City Lights
London ist eine tolle Stadt. Die Metropole an der Themse bietet nicht nur viele Facetten, sondern auch zahlreiche Sehenswürdigkeiten, die weltweit bekannt sind und eine lange Geschichte aufweisen. Alleine das macht den Schauplatz ungemein spannend. Es macht uns zum Beispiel große Freude, wenn wir die die Gärten des Buckingham Palace schleichen, mit der U-Bahn, die als Schnellreise dient, zu den verschiedenen Stationen reisen, und sind ziemlich lange verwirrt, dass man in Großbritannien auf der linken Seite fährt. Die Umgebungen sehen gut aus, bieten den richtigen Charm und spiegeln gekonnt wider, was die Metropole ausmacht. Schade, dass dabei mache Elemente ein paar Probleme bereiten. So haben wir, trotz der Vielzahl an NPCs das Gefühl, dass große Plätze wie ausgestorben daherkommen. Piccadilly Circus, Trafalgar Square oder der Hyde Park, alles wirkt viel zu leer, als das es sich für eine solche Millionenstadt gehört. Hinzu kommt, dass viele der großen Sehenswürdigkeiten von Albion in Beschlag genommen und größtenteils ihres Charakters genommen wurden, wie etwa die Tower Bridge oder das London Eye. Klar, auf der einen Seite wirkt die Spielwelt dadurch noch viel dystopischer, ein wenig mehr der Seele Londons wäre aber durchaus schön gewesen.
Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei den vielen NPCs. Bei vielen von diesen hat man das Gefühl, dass der Charaktereditor auf Hochtouren im Zufallsmodus arbeitet, um neue Figuren ins Spiel zu werfen. Das hat zur Folge, dass sich diese zwar irgendwo regelmäßig ähneln, sowohl in ihren Fertigkeiten, als auch in den optischen Aspekten, es aber doch hier und da gewisse Unterschiede gibt. Wer die Optik darüber hinaus anpassen will, der kann auch die vielen Klamottengeschäfte zugreifen, die in der Stadt verteilt sind, allerdings nur über ein Menü, welches vor der Türe geöffnet wird. Hineingehen ist nicht. Auch über Zugriffspunkte auf die hausinternen Kameras zugreifen und Bewohner ausspionieren können wir nicht mehr. Wirklich schade, denn diese kleinen Momente waren für uns ein amüsantes Highlight, das auch diesem Titel gut gestanden hätte. Gleiches gilt auch für abgefangene Telefonate oder Textnachrichten auf der Straße, auch diese gibt es nicht mehr.
Was die Atmosphäre angeht erwartet uns ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite sorgen die verschiedenen Charaktere dafür, dass wir uns auf neue Situationen individuell vorbereiten und unterschiedliche Taktiken auswählen können. Auch die Methoden des permanenten Todes, sowie die Tatsache, dass Missionen bei einem Fehlschlag nicht zurückgesetzt werden, sorgen für eine gewisse Spannung und Nervenkitzel. Leider sorgt die Abwesenheit einer prägenden Hauptfigur, sowie die einfache Rekrutierung neuer Charaktere auch dafür, dass wir keine wirkliche Beziehung zu unserem Team aufbauen. Die Figuren fühlen sich ziemlich austauschbar an, wodurch ein Verlustschmerz, sowie eine emotionale Reaktion, auf die doch recht spannende und zeitlich sehr aktuelle Story einfach ausbleiben. Leider scheinen auch die Dialoge mit Teammitgliedern sehr unter den austauschbaren Figuren zu leiden, denn die Gespräche sind entweder in Zwischensequenzen sehr einfach und allgemein gehalten, um auf alle Figuren zu passen, oder sie wiederholen sich sehr häufig. Die Synchronisation an sich ist gut gelungen und fügt sich ebenso wie der Soundtrack gut ins Spiel ein.
Alles in allem bekommen wir mit Watch Dogs: Legion in Sachen Grafik und Atmosphäre an sich einen guten Titel geboten, der allerdings hier und da mit einigen Schwächen und fragwürdigen Entscheidungen zu kämpfen hat. Im Kern fehlt es uns tatsächlich an einer zentralen Figur, mit der wir uns identifizieren können und damit eine Bindung zu ihr und der Handlung aufbauen können. Dafür sorgen die vielen verschiedenen Charaktere für viel Abwechslung und bieten neue Wege, seine Ziele zu erreichen. Die Story an sich ist gelungen und passt sehr gut in die heutige Zeit, in der Dinge wie Datenschutz, Kryptowährungen und der gute Big Brother-Überwachungsstaat immer mehr an Bedeutung gewinnen. Leider hat der Titel während unseres Testes immer wieder mit Texturproblemen und langen Ladezeiten zu kämpfen gehabt, Ubisoft hat hierzu allerdings schon einen Patch nachgereicht.