Modern Warfare 2 erschien 2009 für die damalige Konsolengeneration mitsamt Playstation 3 und setzte sowohl mit seiner Kampagne als auch mit seinem Multiplayer neue Maßstäbe. Treu dem Motto „never change a running system“ fragten sich entweder die Entwickler bei Infinity Ward oder Publisher Activision wohl, weshalb man mit dem Namen nur 13 Jahre später nicht einfach nochmals Unmengen Geld scheffeln könnte.
Also entschied man sich nach dem ersten Teil nun auch konsequent für den Reboot des Klassikers unter fast gleichem Namen. Fast? Ja, denn wer genau hinsieht, erkennt sofort: aus der „2“ im Titel wurde eine römische „II“. Wem das nicht bereits als schlagendes Argument genügt und nicht sowieso bereits zugeschlagen hat, verrät in unserem Test, ob beim aktuellen Ableger der Call of Duty-Reihe, die momentan immerhin von Wettbewerbshütern weltweit als die gesamte Konsolenfrage entscheidend angesehen wird, Nostalgie oder Frust überwiegen.
Kampagne: Altbekannt und irgendwie neu
„Das kommt mir irgendwie bekannt vor“, ist ein Satz, den man als Kenner der Reihe beim Spielen der Kampagne sehr häufig denken wird. Denn während die Story an sich komplett neu ist, enthält sie doch zahlreiche bekannte Elemente. Dies fängt mit den Charakteren rund um Ghost, Soap und Co an und hört bei kleinen aber durchaus entscheidenden Story-Elementen, auf die hier alleine schon aus Vermeidung von Spoilern nicht im Detail eingegangen werden soll, auf. Im Gros bleibt alles altbekannt: eine zerstörerische Waffe ist in die Hände von Terroristen gelangt und ihr müsst die Übeltäter gemeinsam mit eurer Spezialeinheit und vermeintlichen Verbündeten aufhalten, bevor sie die USA angreifen können. Genau wie beim ersten Ableger spielen auch die Russen eine eher unrühmliche Rolle, die gemeinsam mit dem Iran angesichts aktueller politischer Entwicklungen ein fast schon unangenehm realistisches Szenario kreieren.
Zwar wollte der Funke bei mir nicht ganz so überspringen wie damals beim Original, was auch am Ausbleiben von eigentlich übertriebenen Sequenzen wie der Flughafen- oder Atombomben-Szene liegen mag, rein sachlich gesehen legt man hier aber eine ordentliche Schippe drauf. Geboten wird ein fast schon cineastisches Erlebnis, das nach dem Austausch der gesuchten Waffen durch Drogen durchaus als Hollywood-Spektakel „Sicario 3“ diverse Awards hätte gewinnen können. Dabei spielt vor allem die Tonkulisse eine immense Rolle, denn auch hier erreicht man definitiv neue Maßstäbe. Nüchtern betrachtet durchschnittliche Shooter-Szenen werden durch einen den Spannungsbogen ausreizenden Mix und präzise Bässen zu einem pulstreibenden Gesamterlebnis. Gepaart mit den schon damals exzellenten Synchronsprechern, die hier und da jedoch etwas zu leise scheinen, wird eine Story geboten, die zwar wenige Überraschungen bietet, aber insgesamt zu unterhalten weiß.
Gute und fragwürdige Entscheidungen
Auch vieles vom Gameplay wurde dem Original entnommen, erweitert und ergänzt. Man kann wohl ohne viel Gegenwind behaupten, dass die Kampagne in jedem Falle die abwechslungsreichste darstellt, die Call of Duty bislang geboten hat. Das ist ein löblicher Ansatz, der in seiner Umsetzung jedoch leider allzu oft aufgesetzt wirkt. Wieso zum Henker muss ich in einem Kapitel einen völlig unrealistisch langen Konvoi, der sich zu allem Übel sogar auf einer sich wiederholenden Rundstrecke bewegt, zigmal von Auto zu Auto springen? Das bringt die ersten Minuten zwar durchaus noch etwas Abwechslung hinein, wird aber viel zu sehr in die Länge gezogen. Weil das noch nicht genug war, trat bei mir kurz vor Schluss noch ein Bug auf, der nicht nur zum Neustart des Checkpoints, sondern zum gesamten Kapitel zwang. Alles von vorne! Zu den Bugs sei später mehr gesagt, doch auch ohne Bug
greift man sich beim Spielen des Kapitels einfach nur an den Kopf und hinterfragt den Stellenwert der Reihe in seinem Genre. Positiv ist die Rückkehr der beliebten Sniper-Missionen mit Ghost. Zwar darf hier kein Tschernobyl wie in Modern Warfare (Classic) erwartet werden, aber fast schon Rätselpassagen, in denen man eine gute Position zum Ausschalten von mehreren Gegnern gleichzeitig suchen muss, werden gut mit actionreichen gepaart. Lediglich die wiederkehrenden Szenen, in denen man reglos im Gras liegen muss, während eine Patrouille direkt an einem vorbeiläuft, bewirken wieder genau das Gegenteil vom Gewollten: Es wirft einen vollkommen aus dem realistischen Szenario heraus.
Dass das Gras nämlich in großen Teilen quasi nicht existent ist, stört das Spiel wenig. Trotzdem laufen die Gegner nur wenige Centimeter an einem vorbei. Einmal ist das schon schwer zu ertragen, doch dreimal in einer Mission lässt zumindest mich kopfschüttelnd zurück. Dieses Gefühl wird zu Beginn auch in anderen Missionen erzeugt, die hin und wieder nicht nur inhaltlich bzw. politisch, sondern auch spielerisch fragwürdig wirken. Auf der einen Seite Zivilisten in ihren eigenen Häusern mit Waffen bedrohen zu müssen, andererseits aber bei Flugangriffen nach einem (!) ungewollten „Kollateralschaden“ (sic!) automatisch die Mission zu beenden, passt irgendwie nicht zusammen.
In der zweiten Hälfte des Spiels reduzieren sich aber diese fragwürdigen Momente. Stattdessen wird beispielsweise mit einer Mission, in der wir uns ohne Bewaffnung durch ein mexikanisches Dorf schlagen müssen, eine spannende, neuartige Spielweise kreiert. Wie viel ihr schleicht, ist fast vollständig euch überlassen, denn natürlich gibt es auch diverse angriffslustige Möglichkeiten, um weiterzukommen. In den umliegenden Häusern findet ihr Materialien, die zum Bauen von diversen „offensiven Utensilien“ dienen können, aber nicht müssen. Damit bietet die Mission neben einer sehr hohen Spannung auch eine relativ große Freiheit, welche die meisten anderen wieder sehr schlauchartigen fast schon mehr denn je missen lassen. Somit wird mit „Allein“ eine der bislang besten Missionen von Call of Duty geboten – wieder ein Superlativ, den sich die Kampagne von Call of Duty Modern Warfare II an die Brust heften darf, auch wenn man insgesamt mit diversen reinen Einzelspieler-Shootern noch immer nicht mithalten kann.
Multiplayer: TTK, SBMM, ADS?
Sind wir mal ehrlich: Wenn euch die oben genannten Begriffe etwas sagen, dann habt ihr Call of Duty Modern Warfare II entweder bereits gekauft, oder ihr habt schon endgültig entschieden, die Finger davon zu lassen. Alle anderen müssen sie nicht kennen. Daher soll hier nur in aller Kürze auf die wesentliche Erfahrung des Multiplayers eingegangen werden. Diese besteht momentan aus zwei Elementen: kompetitiv gegen andere und kooperativ gemeinsam gegen computergesteuerte Gegner. Letzteres stellte sich leider schon nach wenigen Versuchen als eher belangloses und wenig spaßbringendes Element des Spiels heraus. Wenn man die absolut genialen kooperativen Missionen von MW2 und MW3 als Vergleich heranzieht, muss man leider abermals mit dem Kopf schütteln. Vergesst den Modus! Lediglich mit guten Freunden könnt ihr hier ein paar spaßige Minuten in den nur drei Missionen miteinander verbringen, wobei aber keinerlei Langzeitmotivation gegeben ist. Damit ist der Modus leider nach Zombies in Vanguard der zweite „Zusatzmodus“ hintereinander, der ein Griff ins Klo ist, obwohl dies bislang immer eine Stärke war.
Den Kern des Spiels stellt schon seit bald 20 Jahren der Multiplayer gegen andere dar und da macht Infinity Ward wieder vieles richtig. Wie immer scheiden sich die Geister, ob man beispielsweise zu schnell stirbt, aber wer nicht ganz so viel wert auf die Details legt, wird in jedem Falle seinen Spaß mit dem Multiplayer haben. Abwechslungsreiche Karten und viele wirklich sehr unterschiedliche Modi bieten für jeden Geschmack etwas. Während die einen lieber riesige Schlachten mit Panzern schlagen, werden die anderen lieber den neuen rundenbasierten Gefangenenaustausch spielen. Zu mäkeln gäbe es in beiden Modi etwas, aber die gesamte Erfahrung mit seinen altbekannten Waffenleveln,
Rängen, Waffenupgrades usw. bietet viel, um lange bei Laune zu halten. Das oben bereits angedeutete „Skill-Based-Matchmaking“ sorgt recht zuverlässig dafür, dass man mit anderen spielt, die in etwa das gleiche Niveau haben, womit man weder häufig total niedergewalzt wird, noch ständig regelrecht einschlafen könnte. Wer lieber entspannt zocken möchte, muss daher ggf. zu einer Alternative greifen.
Mitnichten fertig
Das bald erscheinende Warzone 2.0 und die ebenso eintrudelnden Raids stehen momentan weder zur Verfügung, noch ist so wirklich klar, wie sehr man sie als Bestandteil von Call of Duty Modern Warfare II ansehen kann. Auch der sowieso schon umstrittene, aber wohl komplett umgestaltete Battle Pass fehlt noch. Wieso kommen diese Inhalte nicht zum Release? Weil man die Erfahrung strecken möchte, weil die Inhalte nicht Teil der Reviews sein sollen, oder weil man einfach noch daran arbeitet? Daher offenbart sich hier ein großes Problem, das Call of Duty Modern Warfare II hat: Es fühlt sich nicht fertig an. Die Kampagne ist gut, aber sie hätte so viel besser sein können. Die Bugs, seien es schwerwiegende spielerische oder grafische, sind für einen AAA-Titel nur als inakzeptabel zu bezeichnen und die zurückgehaltenen oder mangelhaften Inhalte zeugen von einem Zeitproblem. Das ist bei einem jährlichen Veröffentlichungsrhythmus zwar wenig überraschend, aber dies ist ja hausgemacht.
Call of Duty Modern Warfare II ist kein schlechtes Spiel, aber selbst jetzt noch nach einigen Patches noch immer in einem Zustand, der einer „systemrelevanten“ Spielereihe nicht würdig ist. Dies schließt auch einige Details ein, bei denen unklar ist, ob es Fehler oder einfach Probleme des Spiels sind. So schwächelt die Grafik wie von vorherigen Ablegern bekannt immer mal wieder, aber besonders abstrus wirkt es, wenn der computergesteuerte Vordermann in einem dunklen Gang einen vernünftigen Schatten wirft, während wir selbst komplett schattenlos sind. Dass dies aus technischen Gründen nicht einmal in einem so engen Spielbereich möglich ist, kann man nicht wirklich glauben. Daher hinterlassen solche und ähnliche Momente wieder einmal den faden Beigeschmack, Unfertiges aufgetischt zu bekommen. Es bleibt somit nur zu hoffen, dass man das nächste Mal lieber den Release verschiebt, statt das Spiel nochmals in einem solchen Zustand auf den Markt zu bringen.