Nach ersten Eindrücken von den Anfängen in “Assassin´s Creed Origins“ in der vergangenen Woche, setzten wir unser Review zum Spiel heute fort. Mit weit über 35 Stunden Gesamtspielzeit, dem Abschluss der Story und zahlreichen Nebenaufgaben, bildet sich inzwischen ein doch recht positives Bild über das das kleine Reboot der Serie, mit dem man die Anfänge der Bruderschaft und der des Ordens erzählt. Warum „Assassin´s Creed Origins“ aus Sicht der Story dennoch nicht ganz überzeugen kann, das Kampfsystem wenig revolutionär erscheint, das Spiel einen aber trotzdem irgendwie verschlingt, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.
Die Geburt der Bruderschaft
Wie zuvor angesprochen, gibt es einige Änderungen hinsichtlich der Erzählstruktur, die sich deutlich mehr zu einem Rollenspiel hin bewegt hat, einschließlich dem Level-basierten Fortschritt. Und das ist auch das große Problem daran. Assassin´s Creed stand jeher für eine epische Story zwischen den Assassinen und Templern, die hinsichtlich Erzählung und Aufmachung teils für Gänsehaut gesorgt hat. In „Assassin´s Creed Origins“ geht es zwar erst um die Gründung der Bruderschaft, jedoch ist die Erzählung so weit gestreut, dass man teils Probleme hat, ihr zu folgen. Hier herrscht ein doch zu großes Ungleichgewicht zwischen Hauptmissionen, die mit rund 20 nur ein Viertel dessen ausmachen, was ich mit rund 60 Nebenmissionen zuarbeiten musste, um der Hauptstory überhaupt weiter folgen zu können. Das finde ich ein wenig unausgeglichen und wirkt auf Dauer ermüdend, zumal die Nebenmissionen oft unbedeutend für die eigentliche Hauptstory sind.
Sowohl in den Hauptmissionen, wie auch den Nebenmissionen, geht es meist um irgendwelche Konflikte – sei es zwischen den Ägyptern und den Griechen, den Ägyptern und den Römern, den Römern und den Griechen oder kleine persönliche Konflikte, die sich überall in der Spielwelt auftun. Dies soll nicht heißen, dass die Nebenmissionen völlig überflüssig sind, ganz im Gegenteil finde ich sie sogar reichhaltiger und interessanter als in den Spielen zuvor. Dass man allerdings derart genötigt wird, diese so umfassend abarbeiten zu müssen und dafür quer durch das ganze Land gescheucht wird, ist dem wirklich wichtigen im Spiel äußerst abträglich. Die Story-Missionen hätten deutlich straffer erzählt werden müssen, damit der Aufstieg Kleopatras, das Bündnis mit Caesar und der sich daraus entwickelnde Konflikt zwischen den Bewohnern Ägyptens und den immer herrschsüchtigeren Pharaonen und Königen auch wirklich zum Tragen kommt.
Hinzu kommt, und damit hat sich Ubisoft wirklich keinen Gefallen getan, dass die Hauptmissionen durchgehend das gleiche erzählerische Level haben – ja fast schon monoton. Es wird viel geredet, aber wirklich dramatische oder spannende Momente bleiben dabei aus. Das ist umso unverständlicher, wenn man sich einmal die Möglichkeiten in den Nebenmissionen anschaut. Warum sind die Streitwagenrennen nicht in die Hauptstory eingebunden worden? Warum ist das Steinkreisrätsel und die Gräber-Suche nur optional? Warum besucht man innerhalb der Hauptstory nicht einmal die Pyramiden? Das ist eigentlich das, was ich von dem Spiel erwartet hatte. Die wirklich spannenden und aufregenden Dinge, bekommt man leider nur auf Eigeninitiative zu Gesicht und wenn man aktiv danach sucht. Ein gutes Beispiel ist da insbesondere das Steinkreisrätsel, das eine direkte Verbindung zur Gegenwart und den früheren Spielen herstellt und zugleich seit langem gestellte Fragen beantwortet. Das hätte eigentlich mit in die Hauptstory gehört.
Ägypten, ein wahrer Open-World Spielplatz
Fans von Open-World- und Rollenspielen kommen in „Assassin´s Creed Origins“ natürlich voll und ganz auf ihre Kosten. An jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken, viele kleine Nebengeschichten und Schicksale, die Geschichte Ägyptens, Tempel und Ruinen zum Erforschen, spannende Aktivitäten wie die Streitwagenrennen oder Kämpfe in einer Gladiatorenarena, die über diese gigantische Spielwelt verteilt sind.
Generell ist es eine der schönsten Spielwelten, die Assassin´s Creed jemals zu bieten hatte und die bis ins kleinste Detail ausgeschmückt ist. Auch wenn man zum Großteil viel Sand, karge Wüsten und felsige Gebirge durchsteift, sind es insbesondere die großen Städte wie Alexandria, die nur so vor Detailverliebtheit strotzen – und das bis in die Häuser, Gräber und großen Tempel hinein. Aber auch die gewohnte Lebendigkeit der Serie ist wieder ein deutliches Merkmal, was nicht nur die Einwohner und ihre kleinen Geschichten betrifft, sondern auch die Vegetation und Tierwelt, die von Hyänen, Nilpferden, Löwen, Schlangen, bis hin zu antiken Skarabäen reicht, die euch überall auflauern können.
Besonders gefällt dabei auch der neue Gesamtlook, der etwas weicher daher kommt als bisher, manchmal vielleicht sogar schon etwas zu weich, wenn man sich einige Charaktere so anschaut. PS4 Pro Besitzer profitieren zudem von einer dynamischen 4K Auflösung bei gleichbleibend guter Performance. Gelegentlich kam das Spiel beim automatischen Speichern ins stocken oder stürzte auch mal komplett ab, was seit dem jüngsten Update 1.03 jedoch etwas optimiert wurde. Wer die Gelegenheit hat HDR zu nutzen, sollte dies ebenfalls tun, das sich besonders bei entgegenkommender Sonne von seiner schönsten Seite zeigt. Wichtig dabei ist, dass ihr das HDR-Feature entsprechend den Spezifikationen eures TVs anpasst, da das Bild sonst zu dunkel oder völlig überstrahlt wirkt.
Innovation ist eher Ansichtssache
Eigentlich soll ja alles immer besser werden, insbesondere dann, wenn ein Studio wie Ubisoft Montreal schon einmal an Assassin´s Creed gearbeitet hat. In „Assassin´s Creed Origins“ scheint die versuchte Innovation beim Kampfsystem aber mehr Ansichtssache zu sein. Als Besonderheit wurde hier der Kampf gegen mehrere Gegner gleichzeitig erwähnt, davon habe ich bis zuletzt leider nur wenig gemerkt, obwohl mein Skill-Tree in Sachen Kampf bis auf Anschlag freigeschaltet ist. Viel mehr arbeitet man sich von Gegner zu Gegner und vertraut auf die stärkste Waffe im Portfolio.
Hier orientiert man sich, ebenso wie beim Fortschritt, an dem Level-System, sodass man in etwa das gleiche Level wie seine Gegner haben sollte, um gegen diesen bestehen zu können und auch entsprechend starke Waffen nutzen kann. Wenn man 2 bis 3 Stufen darunter liegt, hilft es ein wenig, wenn man seine aktuelle Waffe beim Schmied aufwerten lässt, aber selbst dann sind die Kämpfe durchaus fordernd und setzen vor allem eines voraus: richtiges Timing, gekonnt Blocken und Ausweichen. Weitere Assassinen-Fähigkeiten, wie etwa ein Attentat aus der Luft oder der Schildstoß lassen sich im Laufe des Fortschritts freischalten. Die Eleganz, die sich die Serie allerdings über die Jahre aufgebaut hat, vermisst man schon ein wenig, da sich „Assassin´s Creed Origins“ mehr an einer Hau-drauf-Taktik bedient, abgesehen von den Stealth-Mechaniken, die nach wie vor gut funktionieren und oft eingesetzt werden sollten.
Im Gesamten kommt man etwas schwierig in das umgestaltete Kampfsystem rein, das vor allem anfänglich etwas frustrierend ist, da die eigenen Waffen dementsprechend schwach ausfallen. Mit steigendem Level mäht man natürlich alles um, was sich einem in den Weg stellt, einem wahren Assassinen ist dieses Vorgehen jedoch nicht unbedingt würdig.
Einmalige Atmosphäre
Trotz dessen, dass die Story und das Kampfsystem – zwei Grundpfeiler der Serie – nicht so perfekt sind, fasziniert die Spielwelt mit ihrer Gesamtatmosphäre ungemein. Es macht einfach Spaß, auch mal so auf seinem Kamel weite Strecken durch die Wüste zu reiten, im Hintergrund die berühmten Pyramiden von Gizeh zu erblicken oder die noch so kleinen Oasen und Tempel zu erforschen. Gerade letzteres lässt im Rahmen der Gräber-Suche echtes Uncharted-Feeling aufkommen und sollte unbedingt von jedem verfolgt werden. Ob nun historisch genau oder nicht, es herrscht eine durchweg authentische und einmalige Atmosphäre, mit glaubhaften Charakteren und Beziehungen untereinander, ebenso die spannenden Einblicke in die verschiedenen Kulturen von Ägypten, dem alten Griechenland und Rom. Abgerundet wird dies durch die sanften orientalischen Klänge (nicht diese Dudelmusik), die euch die meiste Zeit umgeben, aber auch die hervorragende Synchronisation.