Laut Quantic Dream gibt es auch nie die eine richtige Antwort / Entscheidung auf etwas, da dies das Konzept hinter dem Spiel darstellt. Das ist es auch, was “Detroit: Become Human” so besonders macht – man bekommt nie ein und dieselbe Geschichte erzählt und jeder wird sie sehr unterschiedlich erleben, auch wenn dies bedeutet, dass man manchmal unbeliebte Entscheidungen treffen muss. Das zeigt schon ein Blick auf das Ablaufdiagramm, das derart viele Verzweigungen innerhalb nur einer Szene aufweist, dass man selbst nach dem zweiten mal spielen nicht alles zu Gesicht bekommen wird. Manchmal sind es nur Nuancen, manchmal nimmt die ganze Story einen anderen Verlauf, wodurch ein komplett anderes Ende stehen kann. Wichtig ist natürlich, dass egal was im Spiel passiert, man nicht die Möglichkeit in Anspruch nimmt, in der Zeit zurückzugehen und seine Entscheidung revidiert. Man kann einem wirklich nur empfehlen, spielt “Detroit” so, wie ihr es gerade erlebt, egal was passiert. Das mag manchmal nicht unbedingt gleich ins Bild passen, klärt sich in den meisten Fällen später aber auf.
Fokus auf Story statt Gameplay
Spielerisch trat nun auch mit der finalen Version von “Detroit: Become Human” genau das ein, was sich schon in unserer Preview zum Spiel vor einigen Wochen abzeichnete. Der spielerische Aspekt beinhaltet das typische Quantic Dream Konzept aus QTEs und reaktivem Drücken der Knöpfe, wird im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern allerdings noch weiter heruntergefahren, sodass man den Fokus stärker denn je auf die Story richtet. Das fällt vor allem dann auf, wenn man auch nur ein wenig vom eigentlichen Weg abweichen möchte und man sofort gegen eine unsichtbare Wand läuft. Eigenregie scheint aus Sicht des Directors David Cage nicht gewünscht zu sein, dabei würde es wohl kaum einen Unterschied ausmachen, wenn man ein Ziel auch dann erreicht, wenn man nur außen rum laufen würde. Das ist in der Tat etwas Schade, da man die Umwelt hierdurch besser erkunden und seine Geschichte damit anreichern könnte. Natürlich gibt es auch actionreiche und weitläufigere Parts, aber auch hier setzt man auf simple Quick-Time Eingaben, so dass die größte Gefahr nur darin besteht, vielleicht mal nicht schnell genug zu sein und die Story eventuell in eine nicht gewünschte Richtung verläuft.
Erklären kann man das wohl damit, dass man den Spieler bewusst, ja schon fast gezwungen in die Geschichte eintauchen lassen möchte, die ohne Frage zu einer der emotionalsten gehört, die Quantic Dream bisher geschrieben hat. Das geht sogar soweit, dass man sich im Laufe dieser tendenziell auf die Seite der Androiden schlägt und im Menschen eher “das Böse” sieht, während es das Spiel obendrein schafft, einem echte Emotionen zu entlocken. Wo sonst erlebt man eine so herzzerreißende Beziehung zwischen Android und Kind, oder den kühl wirkenden Connor, der durch sein rationales Denken oft unfreiwillig komisch und dadurch sympathisch wirkt, während Marcus im Herzen eine absolut sanfte Seele birgt. Wer die Quantic Dream-Spiele bisher mochte, findet in “Detroit: Become Human” nun ihr bestes Werk.
Die Grenzen zum Animationsfilm verschwimmen
Neben einer berührenden Story ist Quantic Dream vor allem aber auch für die herausragende Technik in ihren Spielen bekannt. Erneut setzt man dazu auf einen fotorealistischen Look und authentische Charaktere, hinter denen wieder echte Schauspieler stehen. Eines der bekanntesten Gesichter in “Detroit: Become Human” dürfte wohl der “Grey´s Anatomy” Star Jesse Williams sein, der sein Aussehen und seine Stimme dem Androiden Marcus leiht. Alleine die rohen Zahlen für das Spiel beeindrucken hier, für das über 37.000 Animationen aufgezeichnet wurden und die Charaktere so realistischer denn je erstrahlen lassen. Aber auch das Drumherum deckt diesmal ein breites Spektrum an Settings und beeindruckenden Kulissen ab: die hochmoderne und lebendige Millionenstadt Detroit, die verarmten Vorstädte im Kontrast zu luxuriösen Villen, einem gespenstischen Vergnügungspark, bis hin zu verschneiten Landstrichen fährt man hier alles auf. Da ist es wirklich umso mehr schade, dass man bei den Erkundungsmöglichkeiten so eingeschränkt wird.
Abseits der abwechslungsreichen Szenarien merkt man dem Spiel aber auch sehr deutlich an, dass man ihn wirklich bis zuletzt auf Hochglanz poliert hat und man sich nur in entfernten Winkeln kleinere Patzer in der grafischen Darstellung erlaubt. Ehrlich gesagt muss man nach diesen aber ganz genau suchen. Diese angestrebte Perfektion in der Visualisierung von Charakteren, der Umwelt und dem ganzen Geschehen unterstreicht zudem bravourös den filmischen Ansatz, in dem man sich wirklich verlieren kann. Trotz spielerischer Zurückhaltung ist man eigentlich nie gelangweilt von dem, was gerade auf dem Bildschirm passiert und verfolgt aufmerksam jeden Schritt.
An diesem Punkt greift zudem der fantastisch eingesetzte und auf jeden Charakter abgestimmte Soundtrack ein, der perfekt mit stimmigen Kamerafahrten einher geht und einen völlig vergessen lassen kann, dass es sich bei “Detroit: Become Human” noch immer um ein Spiel handelt. Kaum einer beherrscht dies so gut wie Director David Cage, dem man eigentlich dafür Danken muss, dass er diesen Kurs trotz viel Kritik beibehält und die Industrie um ein nicht zu unterschätzendes Genre bereichert. Im Gesamten zeigt sich das Spiel aber auch so wunderschön wie kaum ein anderes.