TEST: Diablo 4 – Die Rückkehr des Königs

Jonas Herrmann 1 Comment
13 Min Read

Ziemlich genau elf Jahre nach dem dritten Teil erscheint heute mit Diablo 4 der nächste große Ableger der wohl unbestritten größten und beliebtesten ARPG-Reihe überhaupt. Blizzard hat sich ordentlich Zeit gelassen und zwischendrin auch jede Menge Kredit verspielt, möchte mit dem neuen Teil aber aufgebrachte Fans versöhnen und darüber hinaus jede Menge neue gewinnen. Das Marketing läuft seit Wochen auf Hochtouren, die Erwartungen sind bis ins Unendliche gewachsen. Wir konnten den Titel seit dem Early Access-Start auf der PS5 ausgiebig testen und sagen euch, ob sich das Warten gelohnt hat.

Was ist überhaupt Diablo?

So ziemlich jeder, der sich für Videospiele interessiert, ist wohl irgendwo schonmal über Diablo gestolpert. Trotzdem hier eine kurze Einordung für alle, die mit der Serie bisher nichts anfangen konnten. Diablo ist so ziemlich der Vater des ARPGS aus der isometrischen Perspektive. Also von schräg oben und mit einer starren Kamera. Die Spiele sind in einer düsteren Fantasy-Welt angesiedelt, in der sich Himmel und Hölle im ewigen Krieg befinden.

Eure Aufgabe ist es dabei meistens, das Übel abzuwehren und vor allem massenhaft Dämonen, Monster und andere Fieslinge um die Ecke zu bringen. Dazu stehen unterschiedliche Klassen zur Verfügung, die sich meist stark spezialisieren und anpassen lassen. Die erlegten Monster lassen Loot in Form von neuen Waffen oder anderen Ausrüstungsteilen fallen, die ebenfalls unterschiedliche Effekte haben können. Letztlich geht es neben dem Erleben der Geschichte vor allem darum, den eigenen Charakter immer stärker und stärker zu machen, um immer schwerere Herausforderungen zu erledigen und immer besseren Loot zu finden, der einen wiederum stärker macht. Soweit zu den Grundzügen der Reihe. Diablo 1 war dabei der Auftakt, Diablo 2 zählt für die meisten als Revolution und besonders atmosphärisch als der beste Teil der Serie, während Diablo 3 vor allem beim Gameplay viele Stärken hatte, aber im Endgame weniger überzeugen konnte.

Die Dunkelheit regt sich

Diablo 4 setzt 50 Jahre nach den Ereignissen aus dem Diablo 3-DLC Reaper of Souls ein. Ohne zu viel zu verraten, endet dieser damit, dass ein großer Teil der Menschheit stirbt. Die Welt liegt also in Trümmern und die Überlebenden kämpfen um die verbliebenen Ressourcen, ums weitere Überleben und natürlich um Macht. In dieser Gemengelage kehrt Lilith, die Tochter des Hasses auf die Welt von Sanktuario, die sie einst mitgeschaffen hatte, zurück. Ihr Pläne bleiben vorerst im Dunkeln, aber ihre Ankunft kann eigentlich nichts Gutes bedeuten. Wir werden mit ihrem Blut infiziert und so zu einer besonderen Figur und nehmen selbstverständlich die Verfolgung auf.

Diablo 4

Die Hauptstory, für die ihr ohne Nebenaufgaben knapp 20 Stunden einplanen könnt, führt euch durch fünf große und abwechslungsreiche Gebiete. Von verschneiten Berggipfeln über Sümpfe bis zur Wüste ist da einiges geboten. Auf eurer Reise trefft ihr auf viele verschiedene Charaktere, schlagt ein paar denkwürdige Schlachten und werdet insgesamt wirklich bestens unterhalten. Euch muss aber klar sein, dass Diablo 4 ein durch und durch düsteres Spiel ist. Sanktuario ist eine trostlose Welt, in der ständig schreckliche Dinge passieren und selbst die größten Helden nur das Schlimmste verhindern. Hier geht es dreckig, rau und blutig zu und auf Lacher braucht ihr nicht zu warten.

Solltet ihr die Vorgänger übrigens nicht gespielt haben, braucht ihr euch keine Sorgen zu machen. Vorwissen ermöglicht an ein paar Stellen zwar schöne Momente, wird aber keinesfalls vorausgesetzt. Neue Spieler finden sich trotzdem gut zurecht und dürften die Geschichte problemlos verstehen. Hier hat Blizzard wirklich ganze Arbeit geleistet und offenbar die Kritik der Fans an Teil 3 erhört. Die Story ist spannend, Lilith ist eine tolle Gegenspielerin und die Welt strotzt vor Atmosphäre, was nicht zuletzt an der erstklassigen Präsentation liegt.

Schaurig schöne Albtraumwelt

Diablo 4 macht auf der PS5 eine wirklich hervorragende Figur. Das Spiel läuft superflüssig und stabil und sieht dabei wirklich zum Anbeißen aus. Die verschiedenen Umgebungen der offenen Welt und der Dungeons sind abwechslungsreich gestaltet und strotzen nur so vor Kultur und Atmosphäre. Überall gibt es Ruinen, gruselige Statuen und Spuren okkulter Rituale zu entdecken. Die kleinen Städte und Orte sind belebt und detailliert aufgebaut. Die Iso-Perspektive gefällt zwar nicht jedem, wer sich aber an der Diorama-ähnlichen Sichtweise erfreuen kann, wird hier gerne etliche Stunden verbringen.

Diablo 4

Der gute Eindruck wird auch vom phänomenalen Sounddesign fortgeführt. Alles klingt genauso, wie es klingen sollte. Das Röcheln von sterbenden Dämonen, Pfeile, die durch die Luft sausen, der Schmiedehammer auf dem Amboss, das Gemurmel in den Orten. Dazu kommt der fantastische Soundtrack, der das Geschehen zu jeder Zeit perfekt untermalt und herrlich düster anhaucht. Zu guter Letzt ist da noch die Synchronisation. Wie immer empfehlen wir, die englischen Sprecher zu aktivieren. Die klingen nämlich besser als in so ziemlich jedem anderen Spiel mit Ausnahme von eventuell Hades. Es gibt deutsche Untertitel für alle Gespräche und auch die deutsche Synchro ist nicht verkehrt.

Die einzigen technischen Probleme haben mit der Online-Komponente zu tun, die im Vorfeld für viele Diskussionen geführt hat. Mehr dazu unten, aber es kam im Test einige Male zu nervigen Freezes beim Betreten eines neuen Ortes und manchmal auch merklichen Lags. Beides hat den Spielspaß nicht nachhaltig gestört und trat nur sehr vereinzelt auf, soll aber nicht unerwähnt bleiben.

Schnetzeln bis der Morgen kommt

Also: Geschichte top, Atmosphäre und Präsentation herausragend, bleibt noch das Gameplay. Und auch hier gibt sich Blizzard keine Blöße und macht vieles richtig. Ihr könnt euch zwischen fünf verschiedenen Klassen entscheiden, die sich allesamt sehr unterschiedlich spielen. Der Druide verwandelt sich in einen Wolf oder Bären, der Totenbeschwörer beschwört Tote, der Barbar stürzt sich in den Nahkampf, der Zauberer nutzt magische Sprüche und Elemente. Ich habe die meiste Zeit als Jäger verbracht. Die Klasse bietet viel Beweglichkeit und kann sowohl als Nah- als auch als Fernkämpfer oder als Hybrid gespielt werden.

Diablo 4

Für erlegte Gegner und abgeschlossene Quests erhaltet ihr EP, mit denen ihr im Rang aufsteigt. So sammelt ihr Schritt für Schritt eure Fähigkeiten ein und baut euch euren Spielstil zusammen. Einsteiger werden hier behutsam herangeführt und zum Ausprobieren eingeladen, hinten raus wird es aber trotzdem richtig komplex und Experten werden noch wochenlange Freude beim Herausfinden der besten Kombinationen haben. Die Diversität ist hier aber wirklich von Beginn an sehr groß. Einzelne Klassen bieten hier teilweise mehr Auswahl als ganze andere Spiele.

Ein kleines Beispiel: Meinen Jäger wollte ich am liebsten mit Pfeil und Bogen spielen. Also habe ich die passenden Fähigkeiten ausgewählt und Skills genutzt. Irgendwann konnte ich dann Giftfallen legen, Gegner verlangsamen und mit einem Pfeilregen eindecken. Ein paar anders verteilte Skillpunkte verändern die Klasse dabei enorm. Jetzt friere ich Feinde mit Pfeilen ein, Dashe mit dem Dolch durch sie durch oder lasse ihre Leichen explodieren. Viele Spielstile werden angeboten und auch wenn Hardcore-Spieler hier schon bald die allerbesten Builds herausgefunden haben werden, kann man das Spiel auch mit eigenen Kreationen gut zocken. Probiert einfach aus und macht, was euch gefällt. In vielen Fällen belohnt euch Diablo 4 sogar dafür.

Diablo 4

Das Wichtigste ist nämlich, dass das Gameplay einen Riesenspaß macht. Durch Dungeons zu fegen und ganze Legionen von Skeletten, Dämonen oder Banditen auszulöschen und riesige Bosse zu legen ist einfach eine absolute Freude. Die Skills fühlen sich stark an, alles läuft flüssig und man verliert schnell jegliches Zeitgefühl. Glücklicherweise gibt es auch massig Inhalte. Ab Level 50 öffnet sich nämlich das Endgame mit neuen Schwierigkeitsgraden, neuem Loot und noch mehr Möglichkeiten zur Individualisierung. Wenn ihr Spaß mit dem Titel habt, geht euch bestimmt für hunderte Stunden nicht die Motivation aus.

Die Krücken der Modernisierung

Kommen wir zu guter Letzt noch auf zwei Dinge zu sprechen, die vor dem Release für viel Kritik, Sorgen und Dissenz gesorgt haben: Die Shared World und der Shop. Diablo 4 kann nur online gespielt werden. In Story-Dungeons seid ihr zwar alleine (ausser im Koop natürlich), aber in der offenen Welt trefft ihr immer wieder auf andere Spieler. Viele Leute stört das sehr in ihrer Immersion, anderen ist es völlig egal, letztlich gibt es hier auch kein richtig und falsch. Warum Blizzard die Shared World allerdings so sehr erzwingt, ist dann doch nicht ganz ersichtlich. Wenn ich nicht will, muss ich mit niemandem was zu tun haben. Vielleicht bekomme ich unerwartet Hilfe bei einem der Events auf der Karte oder ein paar Spieler hängen bei den Questgebern oder Händlern herum.

Mich stört das nicht, in den Story-Abschnitten habe ich das schnell vergessen und sonst ist es mir schlicht egal. Es wäre aber bei dem Spiel auch einfach nicht nötig gewesen. Diablo 4 funktioniert hervorragend gut als Solospiel und macht auch im Koop jede Menge Spaß. Die MMO-Komponenten hätte es da schlicht nicht gebraucht. Eine Shared World bietet Spielern aber natürlich die Möglichkeit, sich mit anderen zu vergleichen und mit einer schicken Rüstung oder einem besonders coolen Pferd anzugeben. Und das bringt uns auch schon zum letzten Punkt: dem Ingame-Shop.

Diablo 4

Nach Diablo Immortal gab es hier schlimmste Befürchtungen, die sich, stand jetzt, nicht bewahrheitet haben. Was aber nichts daran ändert, dass es schon ziemlich heftig ist. Das Spiel kostet schlappe 80€ in der Standard-Edition. Man sollte eigentlich meinen, dass in dem Preis auch alles enthalten wäre. Stimmt aber nicht, sonst wäre ja der Shop leer. Hier kostet ein ziemlich langweiliges Rüstungsset mal eben umgerechnet 16€. Ein etwas cooleres wird für 28€ angeboten. Klar, es sind rein kosmetische Items, die man nicht kaufen muss, aber es ist schon ziemlich traurig, dass so etwas 2023 einfach normal ist. Diablo 4 steht mit solchen Preisen ja nicht alleine da, auch in FIFA kann man Umengen an Geld ausgeben, um Inhalte zu nutzen, die eh schon im Spiel sind. Titel wir Fortnite oder Apex Legends sind immerhin Free-2-Play, was es aber auch nur minimal besser macht.

Dessen solltet ihr euch auf jeden Fall bewusst sein und wenn ihr einen Hang zu unüberlegten Käufen habt, solltet ihr den Shop am besten grundsätzlich meiden und einfach Spaß mit dem Spiel haben, das ist nämlich richtig richtig gut geworden.

Fazit

Diablo 4
TEST: Diablo 4 – Die Rückkehr des Königs
"Diablo 4 ist das erhoffte Meisterwerk und der beste Teil der Reihe. Das Gameplay ist knackig und motivierend, die Abwechslung riesig. Die Story ist fesselnd und die Atmosphäre so düster wie es nur geht. Umgebungs- und Sounddesign gehören für mich zum Besten, was ihr aktuell finden könnt. Die Shared World lässt sich gut ignorieren, manch einer wird sich aber trotzdem daran stören. Der Shop ist frech, bietet aber immerhin keine Nachteile für die, die ihn nicht nutzen."
Pro
Stimmungsvolle, düstere Welt
Gameplay mit Suchtpotenzial
Fantastische Präsentation
Contra
Unnötige Shared World
Überteuerter Shop
9.3
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Mark
1 Jahr zuvor

Die Shared World stört mich im generellen nicht. Was mich aber extrem stört ist, daß ich diese bescheuerten Namen mancher Spieler aufgezwungen bekomme! Wieso in 3 Teufels Namen kann ich die nicht optional ausblenden? Das so was nicht in den Optionen vorhanden ist, ist mir schleierhaft. Auch die erzwungene Minimap oben rechts nervt und das diese nicht mehr, wie vorher, über den Bildschirm leicht durchsichtig, gelegt werden kann.

Und für komplettiesten, wie mich, ist es einfach nur ätzend, dass man in der Oberwelt auf der Karte nicht wirklich sieht, in welcher Ecke man jetzt schon gewesen ist, weil immer ein großer Teil automatisch aufgedeckt wird.

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