Der italienische Entwickler Milestone, der sich in erster Linie zahlreichen Racing-Marken verschrieben hat, welche zumeist auf Lizenzbasis entstehen, versucht es mit „Gravel“ jetzt erneut mit einer komplett eigenständig entwickelten IP. Nach dem Motoradsport geht es diesmal damit auf die rauen Pisten des Off-Road Racing und dessen harsche Anforderungen. Ob man sich damit gegen Größen wie „WRC“ oder „DiRT“ durchsetzen kann, haben wir uns einmal genauer angeschaut und selbst Platz hinter dem Steuer genommen.
Der Name „Gravel“ ist für Milestone nicht einfach so vom Himmel gefallen oder in einer durchzechten Nacht im Rausch entstanden, sondern rührt vom dem Begriff Kiesel her, auch wenn das nur grob umschreibt, worauf man sich bei „Gravel“ freuen kann. Im Fokus des Racers stehen anspruchsvolle Arcade-Rennen, ganz ohne aufwendiges Tuning, ständig die Cops im Nacken oder eine zumeist eh überflüssige Story. Es geht um puristische Rennen, die fahrerisches Können, Streckenkenntnis und manchmal auch viel Geduld voraussetzen. Wer das original „MotorStorm“ mochte, der findet in „Gravel“ jetzt womöglich einen würdigen Nachfolger.
Endlich mal keine Story
Was mich persönlich an vielen Rennspielen der letzten Zeit so richtig nervte war, dass diese entweder immer das gleiche boten oder unbedingt der Konkurrenz in jedem Aspekt nacheiferten, so chaotisch oder identisch das am Ende auch war. Arcade-Racing muss auch nicht immer gleich bedeuten, dass man völlig ausgefallene Spielmodi bieten muss – es geht um zugängliches und spaßiges Gameplay, das dennoch nicht das Adrenalin eines spannenden Head-2-Head Rennens missen lässt.
Und genau hier setzt „Gravel“ an, die mit den Off-Road Masters zwar auch so etwas wie eine kleine Rahmenhandlung bieten, diese allerdings aufs Nötigste beschränkt, sodass man sich geradeaus in die Rennen stürzen kann. Über 15 Shows und fünf Special Events, die je 3 bis 4 Rennen umfassen, reist man hier um den gesamten Globus und besucht eindrucksvolle Schauplätze, darunter die Wüste Namibias, tropische Strände, frostige Wälder in Alaska oder einen umfunktionierten Steinbruch. Obendrauf gibt es lizenzierte Circuits der FIA World Rallycross Championship.
Auch bei der Auswahl der lizenzierten Fahrzeuge (Toyota, Porsche, Honda, Chevrolet & Co.) braucht man sich zunächst keine Gedanken machen und kann aus einer zunächst übersichtlichen Auswahl und je nach Rennklasse wählen. Wer das Tuning dennoch ein wenig vermisst, kann in „Gravel“ zumindest einige Assistenten wie Schaltung, Bremsen oder Schäden und solche Dinge anpassen, womit man sich aber nicht wirklich lange aufhalten muss, denn das Rennen wartet schon.
Wie erwähnt, absolviert man nach und nach verschiedene Rennen und Disziplinen, darunter Cross Country, Wild Rush, Speed Cross und Stadium Circuits, sowie diverse Variationen darin, wie Zeitrennen, Elimination, Checkpoint-Rennen usw., wodurch man über die gesamte Tour abwechslungsreich unterhalten wird. Aufgepeppt werden diese mit unterschiedlichen Wetterbedingungen (Regen, Schnee, Sonn) oder Rennen zu unterschiedlichsten Tageszeiten. Zusätzlich stehen außerdem der Multiplayer, separate Zeitrennen, Freie Rennen und wöchentliche Herausforderungen zur Verfügung. An Vielfalt mangelt es in „Gravel“ also definitiv nicht, was in Rennspielen ja oft zuerst bemängelt wird.
Stetiges Vorankommen
Fortschritte in der Tour erzielt man um Grunde die ganze Zeit, je nach Schwierigkeitsgrad mal schneller oder langsamer, aber auch, wenn man nicht gleich unter die Top 3 fährt. Je nach Platzierung und Rang gibt es dann neue Fahrzeuge, Lackierung oder die nächsten Events werden freigeschaltet, die nach jeweils drei Shows in einem Special Event enden, das man zwingend gewinnen muss, um weiterzukommen. Ewige Wiederholungen waren nicht notwendig, helfen aber dabei, schnell an bessere Autos zu kommen.
Das Ganze wird im Rahmen der Off-Road Masters Tour präsentiert, die es atmosphärisch so ziemlich auf den Punkt trifft. Nicht zu übertrieben oder zum leichten Fremdschämen, wie in anderen Racern der jüngsten Zeit. Die Aufmachung und Zwischensequenzen sind passend dezent gewählt, auch wenn der deutsche Kommentator etwas motivierter klingen könnte und nicht so, als wäre das hier nur ein bezahlter Job.
In der Gänze macht „Gravel“ somit einen sehr ausgeglichenen Eindruck, geradeaus strukturiert und für jeden Spielertyp anpassbar. So lässt sich zum Beispiel auch die KI der Gegner vor jedem Rennen anpassen, wobei man auf ‚Leicht‘ noch wirklich spannende Rennen bis zur Ziellinie erlebt, während auf „Mittel“ schon fahrerisches Können gefragt ist, ohne auf Extras wie Boost, Rückspulen oder ähnliches zurückgreifen zu können. Je nachdem, für welche Konfiguration man sich entscheidet, sammelt man dann mehr oder weniger Fortschrittspunkte.
Zum Release in dieser Woche war man sich bei Milestone offenbar auch noch nicht ganz sicher, ob „Gravel“ eher Simulations-Charakter oder Arcade-Feeling haben soll. Das Handling der Fahrzeuge war mir persönlich zu leichtfüßig, inkl. ständigen Schlitterpartien und harte Strafen für Fahrfehler, egal ob man die selbst verursacht hat oder nicht. Der jüngste Patch 1.04 sorgt für eine willkommene Festlegung aufs Arcade-Racing – die Boliden fühlen sich griffig und voll kontrollierbar an, Fahrfehler werden deutlich öfter verziehen und auch der Geschwindigkeitsrausch kommt ab dem ersten Drittel der Tour so richtig zur Geltung. Zudem war man auch darauf bedacht, dass sich die Vehikel doch sehr unterschiedlich anfühlen, auch innerhalb ihrer Klasse oder der Bodenbeschaffenheit, die zwischen Sand, Kies, Asphalt usw. variiert. Zwar ist man anfänglich noch etwas bei der Auswahl der Fahrzeuge eingeschränkt, aber das ändert sich ja mit dem Erfolg und dem Fortschritt. Wer zudem noch etwas mehr nach Realismus sucht, kann „Gravel“ auch mit Lenkrad spielen, dessen Support von Anfang an dabei ist und ebenfalls schon weiter optimiert wurde.
Kein Gran Turismo, aber OK
Einer der größten Kritikpunkte, der direkt zum Release auffiel, war vor allem der optische Aspekt, bei dem „Gravel“ trotz versprochenem PS4 Pro Support alles andere als zeitgemäß aussehen ließ. Unscharfe Animationen und Fahrzeugmodelle überschatteten das Fahrvergnügen. Und das nicht nur als Ausnahme, sondern durchgehend. Dabei machte die Vorschau einen guten Eindruck. Hier muss man sagen, dass „Gravel“ sicherlich noch immer kein Gran Turismo ist, aber Dank des letzten Updates noch einmal etwas zulegen konnte, sodass zumindest die Fahrzeugmodelle deutlich besser präsentiert werden. Es ist wahrlich nicht perfekt, aber durchaus OK und wird irgendwann sowieso zur Nebensache.
Beeindruckend sind dann wiederum die Strecken und Schauplätze, die mit viel Abwechslung, Details und Atmosphäre punkten können. Ich würde mal behaupten, dass „Gravel“ hier deutlich mehr bietet als andere aktuelle Racer, siehe eine Auswahl unserer Screenshots, die wir mit dem Fotomodus erstellt haben. Leider hat es der HDR-Support bis heute nicht in das Spiel geschafft, auf den man allerdings weiterhin hoffen darf. Bestätigt ist dieser zumindest.
Abschließend wäre der Soundrack zu erwähnen, der auf eine rockige, wenn auch geringe Auswahl von Musikstücken zurückgreift. Meist wird man von härteren Gitarren- und Drum Sounds umsorgt, während gesangliche Stücke gänzlich fehlen, die durchaus wünschenswert gewesen wären. „Need for Speed“ & Co. machen ihre Sache da deutlich besser, sodass man notfalls auf seinen eigenen Custom Soundtrack zugreifen muss. Ansonsten gibt es auch an dieser Front wenig zu bemängeln, da man soundtechnisch das gewohnte Level heutiger Rennspiele abliefert, mit satten Motoren und Surround Sound.