Mit über vier Monaten Verspätung hat es „Gravity Rush“ – Sonys neuer Vorzeigetitel für die Playstation Vita – endlich in die europäischen Regale bzw. als digitalen Download in den PlaystationStore geschafft.
Unter dem Namen „Gravity Daze“ erschien der von Sony im hauseigenen japanischen Entwicklerstudio geschmiedete Titel bereits Anfang Februar in Japan und begeisterte sowohl die örtliche Presse als auch die Spieler. Auch hier wurde das Spiel aufgrund seines japanischen Comicstils vor allem bei Anime-Fans schnell bekannt. Ob das Spiel, welches ursprünglich für die PS3 erscheinen sollte, dem Hype auch abseits von Fans japanischer (Zeichen-)Kultur gerecht wird, verraten wir euch in unserem Test.
Ihr beginnt das Spiel als ein Mädchen ohne Namen, welches reichlich unspektakulär mitten in der Stadt auf dem Boden aufwacht und sich an nichts mehr erinnern kann. Ihr werdet schon gleich zu Beginn bei euren ersten Schritten von einer mysteriösen Katze begleitet, die ihr schnell Dusty tauft. Diese scheint euch auf irgendeine Weise die Kraft zu verleihen die Gravität zu beeinflussen. Schnell lernt ihr mithilfe des Tutoriums wie ihr ohne Mühe an Wänden und Decken lauft und sogar in der Luft stehen bleibt und schwebt. Diese Fähigkeit ermöglicht es euch zu auch zu fliegen, jedoch nicht wie man es vielleicht aus anderen Spielen gewohnt sein mag, denn faktisch fliegt ihr nie sondern fallt lediglich. Ihr könnt immer nur den Punkt der Gravität festlegen. Wenn ihr also die Anziehungskraft in Richtung einer weit entfernten Wand festlegt, dann fallt ihr zur dieser, was somit wie ein gekonnter Flug wirkt. Euch sind dabei fast keine Grenzen gesetzt. So könnt ihr den Gravitationspunkt auch einfach in der Luft festlegen und euch damit gen Himmel bewegen, nur die Richtung spielt eine Rolle. Da ihr – wie ihr schnell feststellt – etwas besonderes seid, könnt ihr nach Herzenslust durch die Gegend „fallen“, denn ihr werdet nie Lebensenergie durch vermeintlich hartes Aufschlagen auf dem Boden – dessen Definition durch das Spielprinzip sicherlich nicht mehr ganz so leicht ist – verlieren. . Das Ganze mag sich kompliziert anhören, geht aber nach einigen Minuten leicht von der Hand und bringt vor allem zu Beginn viel Spaß. Euch wird nur durch einen Balken, der eure Gravitationskraft anzeigt, eine Grenze gesetzt. Sobald dieser durch die Manipulation der Gravitation aufgebraucht ist, wird die Gravitation wieder normalisiert und ihr fallt ihn Richtung des tatsächlichen Bodens. Der Balken regeneriert sich nur, wenn ihr spezielle Kristalle dafür aufsammelt oder die Gravitation nicht manipuliert, und füllt sich immer mit einem Schlag und nicht stetig wie beispielsweise das Mana in den meisten Spielen.
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Gleich zu Beginn der Story trefft ihr auf die ersten Nevi, welche es im Spiel durch fleißiges Treten durch Kat – so werdet ihr aufgrund eures treuen Begleiters schnell genannt – zu bezwingen gilt um die Stadt zu retten. Bei den Nevi handelt es sich um unbekannte Wesen aus einer Art Schattenwelt, die allesamt über eine oder mehrere rote und runde Schwachstellen verfügen. Sobald diese durch mal mehr und mal weniger gezielte Tritts zerstört sind, ist der Nevi bezwungen und verschwindet im Nirvana. Während euren Kämpfen werdet ihr fast ausschließlich euren Gravitationstritt verwenden, indem ihr im Zeitpunkt der Schwerelosigkeit in der Luft den Gegner anvisiert und die Tritttaste drückt, womit ihr dann mit hoher Geschwindigkeit und dem Fuß voraus auf den Gegner stürmt. Dies offenbart bereits den größten Schwachpunkt von Gravity Rush, denn die Kämpfe sind auf Dauer ziemlich eintönig und schlicht und ergreifend zu leicht. Da kein Schwierigkeitsgrad gewählt werden kann – was zudem den Wiederspielwert stark verringert – werden sich einige Spieler durch die Kämpfe leicht unterfordert fühlen. Man sucht sich immer den nächsten Gegner, visiert ihn an und drückt auf Viereck. Kat sucht findet dann meist ihr Ziel, auch wenn ihr nicht ganz genau gewesen seid oder sich der Gegner bewegt hat. Immerhin die teilweise recht imposanten Bossgegner besitzen meist gewisse Mechaniken, bei denen sich der Schwachpunkt im Laufe der Zeit verändert und die Taktik dementsprechend angepasst werden muss. Dies führt aber auch gerne mal zu frustrierenden Momenten, wenn der Schwachpunkt erneut in dem Augenblick verborgen wird, indem Kat ihr Ziel erreicht.
Bereits nach dem Besiegen der ersten Gegner könnt ihr euch ganz nach dem Prinzip eines ordentlichen „Open-World-Spiels“ frei im bereits verfügbaren Teil der riesigen Stadt Hekseville bewegen. Im Gegensatz zu annähernd vergleichbaren Spielen wie beispielsweise InFamous, hat die Stadt dadurch nur wenig gemein mit unseren Städten. Es handelt sich animetypisch vielmehr um eine völlige Phantasiestadt mit mehreren Etagen, die es von oben bis unten zu erkunden gilt. Im Laufe des Spielverlaufs schaltet ihr weitere in einer Schattenwelt verlorene Stadtteile frei, die allesamt lediglich mit einer gigantischen Säule verbunden scheinbar über dem Nichts schweben und durch Zug- und Luftschiffverbindungen miteinander verbunden sind. Jeder Stadtteil verfolgt dabei ein Thema, sodass Abwechslung in der Umgebung geboten wird.
Ihr habt zu jeder Zeit die Wahl, ob ihr die nächste Storymission startet, eine der zahlreichen Herausforderungen angeht, oder euch einfach in der Stadt umseht um mit einigen wenigen Stadtbewohnern Gespräche zu führen und vor allem Kristalle einzusammeln. Diese lilafarbigen und ihrem Wert entsprechend großen Kristalle benötigt ihr für das Verbessern eurer Fähigkeiten, was für das reibungslose Vorankommen unabdingbar ist. So könnt ihr beispielsweise eure Fluggeschwindigkeit, die Menge sowie die Zeit zum Regenerieren eurer Gravitationskraft und die Stärke eurer Angriffe um mehrere Stufen verbessern, was selbstverständlich mit dem Erreichen höherer Stufen immer teurer wird. Durch das fleißige Verbessern ergaben sich bei unserem Test einige Situationen, die leider absurd leicht wurden, da ursprünglich als Sprungpassagen gedachte Stellen durch pausenloses „Fliegen“ überwunden werden konnten. Denn irgendwann ist euer Verbrauch sowie die Zeit zum Regenerieren der Gravitationskraft so niedrig, dass ihr nur wenige Meter in Richtung Boden fallt, bis ihr die Gravitationskraft manipulieren könnt. Dadurch könnt ihr euch – auch wenn es stellenweise nicht so gedacht ist – problemlos ohne Unterbrechung in der Luft befinden. Diese Tatsache ermöglicht euch aber auch ein unbeschwertes Erkunden eurer Umgebung und Spielen mit der Gravitation, was euch vermutlich den größten Spaß bringen wird.
Die Story von Gravity Rush, von der hier bewusst nur wenig erzählt wird, lässt euch mit der Zeit immer mehr in das Spielgeschehen eintauchen und ist durch durch comicartige Unterbrechungen spannend und schön inszeniert. Auch mangelt es vor allem Kat nicht an animetypischem Humor, der euch das ein oder andere Lächeln auf die Lippen zaubern wird. Schade ist aber, dass fast gänzlich auf eine Sprachausgabe verzichtet wurde, nur einige wenige Worte auf Japanisch sind hier und da zu hören. Wenn ihr die Story abgeschlossen habt, bleiben euch noch einige Herausforderungen, bei denen es je nach Leistung einen Award in Bronze, Silber und Gold zu erreichen gilt. Je nachdem wie gut ihr abschneidet, werdet ihr mit Kristallen zum Verbessern eurer Fähigkeiten belohnt, was wiederum die Missionen sowie die Story leichter macht. Daher solltet ihr die Herausforderungen idealerweise während dem normalen Spieldurchlauf absolvieren. Ihr schaltet diese frei, indem ihr gegen eine geringe Gebühr von Kristallen zahlreiche Objekte wie einen Brunnen, Fabriken, Bildschirme oder Lichterketten repariert und damit das Stadtbild aufwertet. Jedes Mal erhaltet ihr dabei eine der Herausforderungen, die meist aus einem Checkpointrennen oder dem Besiegen einer möglichst hohen Anzahl an Gegnern in einer gewissen Zeit bestehen, aber auch zahlreiche weitere abwechslungsreiche Aufgaben bieten. Im Gegensatz zum restlichen Spiel ist das Erreichen des Gold-Awards bei einigen Herausforderungen durchaus nicht leicht zu bewältigen und erhöht dadurch die geschätzte Zeit, die ihr zum kompletten Absolvieren des Spiels benötigen werdet, auf gute 15 Stunden.
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Grafisch gibt sich das Spiel keine Blöße. Der gezeichnete Stil steht dem Spiel gut und zeigt in einigen Details, wie den blonden Haaren von Kat, die immer gen „tatsächlichem Boden“ fallen, was er kann. Vor allem die Tatsache, dass beim Bewegen durch die riesige Stadt keinerlei Ladebalken in Kauf genommen werden muss und das Spiel auch bei Kämpfen gegen zahlreiche Monster stets absolut flüssig dargestellt wird, zeigen, was auf dem Handheld machbar ist. Somit ist die Grafik zwar sicherlich kein absoluter Höhepunkt der Konsole, dafür sind die Texturen und Lichteffekte nicht ausgereift genug, die Leistung, die durch die hohe Geschwindigkeit von Kat und die extremen Höhenunterschiede sowie der ordentlichen Weitsicht gezeigt wird, ist jedoch absolut ohne Makel. Nette Spielereien, wie die automatische Zentrierung der Kamera beim Drehen Vita während man sich in der Luft befindet sowie bei den comicartigen Zwischensequenzen erhöhen die Spieltiefe. Man fühlt sich noch mehr in das Spiel hineinversetzt, die Vita wirkt fast wie ein Fenster in eine andere Welt.
Offizielle Homepage: de.playstation.com/gravityrush