Mit „Ni No Kuni 2: Revenant Kingdom“ liefert Level-5 einen Nachfolger zum PlayStation 3 RPG-Hit „Wrath of the White Witch“ ab. Wie schon der erste Teil setzt „Ni No Kuni 2“ auch diesmal wieder auf ein Fantasy-Setting, dessen Design sich stark am Studio Ghibli Stil orientiert, auch wenn das Studio diesmal nicht in die Produktion involviert war. Ob „Ni No Kuni 2“ es dennoch wieder schafft, ein fantasievoller Hit zu sein, erfahrt ihr in unserem Test.
Ein Königreich in Trümmern
Die Geschichte von „Ni No Kuni 2“ beginnt mit Roland, der sich nach einem Autounfall, der augenscheinlich durch eine Bombe verursacht wurde, in den königlichen Gemächern Ding Dong Dells wiederfindet – einer Stadt in der sprechende Katzen, Mäuse und Menschen zusammenleben. Roland trifft hier auf den jungen Prinzen Evan Pettiwhiskers Tildrum, der Roland für einen Attentäter hält und versucht seine bevorstehende Krönung zu vereiteln. Evan folgt Roland, als dieser allerdings an ihm vorbei läuft und befiehlt den Wachen den Eindringling festzunehmen, muss er mit Schrecken feststellen, dass die Wachen versuchen ihn umzubringen, anstatt seinen Befehlen zu folgen.
Somit stellt sich schnell heraus, dass ein Putsch im vollen Gange ist, denn auch Evans Vater starb nicht unter natürlichen Umständen, da dessen engster Freund und Berater Mausinger der Drahtzieher hinter dem Staatsstreich ist. Wie kann sich Evans Vater so in Mausinger geirrt haben? Wurden Katzen, wie von Mausinger behauptet, bevorzugt behandelt, während Mäuse ein Schattendasein fristeten? Auf diese Fragen weiß Evan keine Antwort, da er bisher ein sehr behütetes Leben führte. Evan entschließt sich dennoch nicht aufzugeben und ein neues und eigenes Königreich zu Gründen, in dem alle glücklich miteinander leben können; und mit Roland, der mehr als willens scheint einen Neuanfang zu wagen, hat er seinen ersten Bürger auch schon gefunden.
Vielschichtiges Gameplay
„Ni No Kuni 2“ unterscheidet sich vor allem in seinen Kämpfen vom ersten Teil. In Kämpfen schickt man nun nicht mehr zuvor gefangene Monster in den Kampf, sondern legt selbst Hand an. In Echtzeit wird nun mittels Starken-, Schwachen- und Distanzangriffen auf die Gegner eingedroschen. Mit den Schultertasten kann man zudem Blocken, ausweichen und Spezialattacken, die Magie verbrauchen, ausführen. Insgesamt kann man drei Waffen pro Figur ausrüsten. Greift man Gegner, füllt sich eine Prozentanzeige, die von Waffe zu Waffe unterschiedlich schnell ihr Maximum erreicht, und dann in Kombination mit Magie eine besonders verheerende Attacke austeilt. Der Waffenwechsel kann dabei manuell oder automatisch, in letzterem Fall zur nächsten Waffe, die einen verbesserten Angriff ausführen kann, erfolgen. Alle Varianten haben somit ihre Vor- und Nachteile. Wählt man manuell, kann man aktiv Waffen verwenden, gegen die der Gegner schwach ist, während die automatische Variante Angriffe ohne Pause erlaubt.
Abseits des Kampfs finden sich zudem noch Naturgeister, genannt Higgeldies, auf dem Schlachtfeld, die Evan und seine Gefährten mit allerlei Magie auf dem Schlachtfeld unterstützen. Hin und wieder werden euch die Higgeldies signalisieren, das sie bereit sind anzugreifen – befiehlt man ihnen dann einen Zauber auszuführen, wird ja nach Art des Higgeldies eine von vielen unterschiedlichen Attacken, Buffs oder Debuffs ausgeführt. Welche Higgeldies euch in den Kampf begleiten, bleibt dabei euch überlassen. Insgesamt gibt es ca. 100 verschiedene Higgeldies, die im Verlauf des Spiels gesammelt und beschworen werden können.
Unschön steht es – zumindest nach meinem befinden, um den Schwierigkeitsgrad des Spiels. Selbst ohne das RPG typische Level-Grinding, ist man an vielen Punkten des Spiels stärker als die Gegner, die einem vorgesetzt werden. Insgesamt war das Spiel wenig fordernd, was dazu führt, dass man Spezialattacken eher dazu nutzt, um große Horden von Gegner schnell auszuradieren. Higgeldies werden zudem, trotz ihrer starken Magie, nur dann genutzt, wenn man gerade zufällig an ihnen vorbei läuft, da es in den meisten Fällen reicht seinen Gegner mit Standard-Attacken einzudecken. Hier wünscht man sich doch schon, dass die Herausforderung etwas anspruchsvoller ausgefallen wären.
Eine weitere Gameplay-Variante präsentiert „Ni No Kuni 2“ mit seinen Strategieelementen. In diesen Gameplay-Abschnitten treten Einheiten, die nach einem Schere, Stein, Papier-System funktionieren, auf der Weltkarte gegeneinander an. Jeder Bürger, der für das Königreich rekrutiert wird, bringt seine eigene Einheit mit besonderen Fertigkeiten mit. Die meisten Strategieeinlagen, bis auf ein paar storyrelevante Ausnahmen, sind allerdings optional. Gesteuert werden die Einheiten in Echtzeit mit Evan in der Gruppenmitte. Die Formation kann hier mit den Schultertasten geändert werden – so kann man zum Beispiel Pikeniere nach vorne rotieren, um sie gegen die gegnerische Schwerttruppe, gegen die sie stark sind, kämpfen zu lassen.
Selbstverständlich bietet „Ni No Kuni 2“ auch eine Vielzahl von optionalen Nebenquests. Nebenquests werden auf den örtlichen Karten vermerkt, schalten für gewöhnlich etwas Erfahrung, Geld und Items frei, können aber auch neue Bürger für das Königreich bereitstellen.
Abgerundet wird „Ni No Kuni 2“ mit einer Wirtschaftssimulation, in der das Königreich Evermore nach und nach ausgebaut wird. Erbaute Gebäude können mit Bürgern bevölkern werden, dabei sind jedoch ihre Talente zu berücksichtigen. So könnt ihr z. B. einige Magier, die zuvor durch optionale Quests dazu überredet wurden, nach Evermore zu ziehen, in der lokalen Zauberschule arbeiten lassen, wo sie Zauber erforschen und es ermöglichen die Zauberfertigkeiten der Hauptfiguren zu verbessern. Das Königreich kann unterdessen nicht mit dem Spiel üblichen Geld ausgebaut werden, stattdessen verwendet man Steuern in Form von Königsguilden. Je größer Evermore wird, desto mehr Einnahmen werden auch umgesetzt, was es euch wiederum erlaubt neue Gebäude zu errichten und mehr Forschung zu betreiben.
Malerische Grafik
„Ni No Kuni 2“ präsentiert sich, wie schon der erste Teil, auch diesmal wieder von seiner besten Seite. Der Anime-Stil wurde ausgezeichnet getroffen und kann an einigen Stellen fast so überzeugen, als würde man einem Film zuschauen. Trotz seiner 1080p bzw. hochskalierten 4K wirkt das Spiel jedoch etwas unscharf, was wohl der verwendeten Kantenglättungs-Technik geschuldet ist. Sehr erfreulich ist dann allerdings wieder, dass „Ni No Kuni 2“, zumindest bei 1080p Auflösung, mit stabilen 60 FPS über dem Bildschirm flimmert und das sogar auf der Basis PS4.
Musik und Stimmen mit Charakter
Studio Ghibli Fans werden erfreut sein, das Joe Hisaishi, der schon bei Filmen wie Ponyo, Nausicaä, Prinzessin Mononoke und vielen weiteren Ghibli Projekten für die musikalische Kulisse sorgte, und somit auch bei „Revenant Kingdom“ einen fabelhaften Job abliefert. „Ni No Kuni 2“ strotzt nur so vor fantastischen Stücken, die sowohl abenteuerlich wie auch emotional daherkommen. Die Sprecher sind wie schon im ersten Teil, trotz der hohen Qualität, Geschmackssache. Man entschied sich diesmal erneut dazu, die gesamte Vertonung in Englisch zu halten und vielen Figuren obendrein einen schottischen Akzent zu verpassen, was sich auch im deutschen Text widerspiegelt. Sollte einem die englische Vertonung nicht zusagen, kann man wahlweise auch auf die japanische Tonspur wechseln, wohingegen eine deutsche Vertonung gänzlich fehlt.
Das Tempo des Spiels wird allerdings durch den Wechsel zwischen Vertonung und Vertextung oft unterbrochen. Es kommt vor das große Segmente gesprochen werden – man folgt seelenruhig der Geschichte, nur um dann an einen Punkt zu gelangen, an dem einige Sätze in Textform präsentiert werden, was einen unnötig aus dem Spiel reißen kann. Ebenso ist es möglich das große Textbrocken von einem gesprochenen Satz unterbrochen werden, der so überraschend kommen kann, dass man ihn versehentlich wegdrückt, da man den Text schon gelesen hat. Dies sind zwar kleine, aber für den ein oder anderen nicht unerhebliche Makel, welche die sonst so wundervolle Geschichte etwas stören.