Mit Remnant II erscheint in Kürze die Fortsetzung des 2019 erschienen Überraschungshits Remnant: From the Ashes. Der Titel sorgte bereits im Vorfeld für reges Interesse, so auch bei uns. Ob Remnant II auf den Stärken des ersten Teils aufbauen kann und es zeitgleich schafft, die Schwächen dessen auszumerzen, erfahrt ihr in unserem Test.
Durch sein einzigartiges Setting und die überzeugenden Spielmechaniken schaffte es Remnant: From the Ashes (unser Review) Spieler zu halten und über die Jahre neue anzulocken. Remnant: From the Ashes gilt daher bis heute als echter Geheimtipp. Es ist also nicht verwunderlich, dass Gunfire Games mit Remnant II an den Erfolg des ersten Teils anknüpfen möchte.
Ein neuer Anfang
Remnant II spielt wenig überraschend nach den Ereignissen des ersten Teils. Die Saat, eine erdfremde Macht, die sich parasitär auf Planeten niederlässt und die heimischen Lebensformen ausrottet, wurde besiegt. Zu vereinzelten Auseinandersetzungen mit der Saat kommt es aber immer noch, bei der es sich aber nur um Überbleibsel handelt.
In Remnant II schlüpft man diesmal in die Haut eines neuen Überlebenden, der mit seiner Partnerin auf der Suche nach einer neuen Heimat ist. Auf ihrer Reise gerät das Paar in eine Bredouille und wird von einer Gruppe aus Ward 13 gerettet, die sich seit den Ereignissen des ersten Spiels zu einer richtigen Zufluchtsstätte entwickelt hat. Anführer von Ward 13 ist Ford, der wiederkehrenden Spielern bekannt sein dürfte.
Ford benötigt einen Gefallen von den Neulingen und so wagt sich dieser mit dem Spieler im Schlepptau in die Ruine von Ward 13, wo sich der Weltenstein befindet. Der Weltenstein wird von Ford aktiviert und ohne weitere Erklärungen genutzt. Zu Komplikationen kommt es, als Clementine, die sich unbemerkt von Fords Gruppe in das Herz von Ward 13 geschlichen hat, ebenfalls den Weltenstein berührt und eine Stimme im Raum zu vernimmt, die Clementine als Versorgerin identifiziert. Clementine wird daraufhin unaufhaltsam in das Innere des Steins gesogen und verschwindet.
Der Zufall regiert die Welt
Remnant II setzt wie schon der erste Teil auf halb zufällige Welten. Spieler können z. B. die Geschichte in unterschiedlichen Welten beginnen und innerhalb dieser Welten gibt es weitere zufällige Elemente, die jeden Spieldurchlauf anders gestalten. So können z. B. zwei Spieler, die in derselben Welt starten, auf unterschiedliche Bosse treffen, komplett andere Gebiete, Quests und unterschiedlichen Loot finden. Wurde eine Welt bezwungen, wird der Abenteuermodus freigeschaltet, in diesem Modus könnt ihr bereits besuchte Welten erneut zufällig Würfeln und besuchen. Wenn ihr auf der Suche nach einem bestimmten Boss oder Biom, in dem ein bestimmter Gegenstand ist, seit, habt ihr so die Möglichkeit, euer Glück auf die Probe zu stellen.
Durch die zufällige Generierung der Spielwelt bietet Remnant II daher keine offene Spielwelt.
Remnant II setzt vielmehr auf aneinander anschließende Gebiete, die durch kurze Ladezeiten unterbrochen werden und sich durch ein Baukastenprinzip zusammensetzen. Karten werden per zufällig generiert, wobei das Erkunden besonders dann, wenn man die Augen offen hält, Rätsel löst und Geheimnisse findet. Es kann aber auch vorkommen, dass man ab und an die Orientierung verliert. Wenn man nach einem Kampf einen Treppenaufgang erkennt, der zu einer Kutsche führt, die man in dieser Kombination vor 10 Minuten schon genau so gesehen hat, kann Verwirrung einsetzen, ein Blick auf die Karte verrät allerdings, dass der “Fog Of War” die Umgebung noch verdeckt, also kann man noch nicht hier gewesen sein. Die sich wiederholenden Elemente sind ein Problem, mit dem Remant: From the Ashes damals schon zu kämpfen hatte. Situationen wie die gerade beschriebene kommen noch immer in Remnant II vor, jedoch seltener als im ersten Teil.
Neue Vielfalt in der Figurenentwicklung
Das Trait-System des ersten Teils ist wieder vertreten, wurde aber einigen Änderungen unterzogen. Remnant II lässt euch noch immer in die Werte investieren, die euch am besten gefallen. Traits werden aber nicht mehr durch Erfahrung gelevelt, sondern mit Büchern, die in der Spielwelt gefunden und von Bossen gedroppt werden. Insgesamt wird man ca. 80 Punkte in die Eigenschaften seiner Figur investieren können und nicht mehr 1000 wie im ersten. Traits haben zudem nur noch zehn Level und nicht mehr 20 wie im ersten Teil.
Viele Perks, wie extra kritischer Schaden etc. wurden zudem komplett gestrichen und durch interessantere Alternativen ersetzt. Das viele der Schadens-Perks gestrichen wurden, bedeutet aber nicht, dass ihr keine Vielfalt bei der Gestaltung eures Builds habt. Remnant II bietet euch insgesamt 13 Ausrüstungsslots, 4 für Rüstung, 1 Slot für euer Artefakt, 3 für Waffen und 5 für Schmuck, von denen einer für eine Kette und vier für Ringe sind. Die Rüstungsslots haben nur noch einen geringen Einfluss auf euer Build. Rüstungsboni gibt es nicht mehr und Rüstung kann augenscheinlich nicht verbessert werden, zumindest habe ich keinen Händler gefunden, der mir dies erlaubte, wodurch Rüstung abseits von den geringen Boni hauptsächlich kosmetisch ist. Die Rüstungsboni wurden unterdessen auf die Waffen verschoben und können dort in Form von Umwandlungen angewandt werden. Umwandlungen können wiederum in der Spielwelt gefunden, hergestellt oder gekauft werden und haben je nach Build einen starken Einfluss auf den Spielfluss. Zu Beginn des Spiels fand ich eine interessante Umwandlung, welche Gegnern Blutungsschaden zufügt und meinen Spielstil fortan beeinflusste. Später fand ich dann noch einen Ring der Statuseffekte um 20 % verstärkt, einen, der meinen Schaden um 15 % erhöht, wenn man sieben Sekunden unverletzt bleibt und eine Kette, die mir 10 % Bonus Schaden gewährt, der dreimal gestapelt werden kann, nachdem ein Gegner besiegt wurde.
Die Build-Vielfalt sollte daher deutlich interessanter als im ersten Teil ausfallen, zumal es zahlreiche Ausrüstungsgegenstände gibt, die interessante Effekte bieten, welche nur darauf warten, mit einer bestimmten Waffe kombiniert zu werden. Komplett neu ist unterdessen der Artefakt-Slot, der das Drachenherz beherbergt. Wie schon zu erahnen gibt es mehr als nur ein Artefakt, das in diesen Slot gesetzt werden kann. Jedes der Artefakte heilt und verfügt über definierende Effekte, die sich ebenfalls stark auf euren Spielstil auswirken können. Eines der Herzen heilt z. B. bis zu 100 % eurer maximalen Gesundheit und gewährt 75 % Schadensreduktion, verlangsamt euch aber um 50 %, nicht die beste Wahl für den Fernkampf, aber ausgezeichnet für die neue Nahkampf-Klasse.
Archetypen bringen Abwechslung
Die größte Neuerung des Spiels sind die Archetypen, welche Charakterklassen verkörpern. Zur Verfügung stehen: “Der Revolverheld”, “Der Doktor”, “Der Draufgänger”, “Der Helfer” und “Der Jäger”. Die Revolverhelden-Klasse ist darauf ausgelegt über kurze Zeit großen Schaden anzurichten und kann so z. B. seine Waffen ziehen und gezielt einem einzelnen Gegner großen Schaden zufügen oder mehrere Gegner mit einer Salve ausschalten. Mit voranschreitendem Level schaltet jeder Archetyp neue Fertigkeiten frei und wird stärker. So kann der Revolverheld auf maximaler Stufe z. B. jede Waffe vollautomatisch schalten, wodurch dessen Schaden maximiert wird, obendrein bufft der Revolverheld sein Team auf mehr als nur eine Weise.
Mit einem Revolverhelden im Team wird mehr Munition von Gegnern fallen gelassen und gesammelte Munition direkt auf das Team verteilt. Der Twist ist, dass Archetypen nicht fest sind. Sie können in Form von Medaillen in Ward 13 und der Spielwelt gekauft bzw. gefunden werden. Einen Archetyp könnt ihr euch zu Beginn des Spiels aussuchen, weitere können in der Spielwelt gefunden oder gekauft werden. Habt ihr eine zweite Klasse freigeschaltet, kann dieser als Sekundärklasse eingesetzt werden, wodurch ihr alle Fertigkeiten des Archetyps, mit Ausnahme des Prime-Perks, freischaltet. Prime-Perks sind sehr mächtig und runden die Identität einer Klasse ab. Der Prime-Perk des Revolverhelden gewährt diesem z. B. für kurze Zeit unendlich Munition und erhöhte dessen Feuerrate. So könnt ihr z. B. den Revolverhelden und den Jäger miteinander vermischen, jeweils eine aktive Fertigkeit der Klassen wählen und trotzdem von allen passiven Fertigkeiten der Klassen profitieren.
Technik und Ton
Technisch steht es zudem gut um Remnant II. Während der gesamten Testphase, in der ich ca. 37 Stunden Spielzeit anhäufen konnte, stürzte mir das Spiel nur einmal ab, eine zufriedenstellende Quote, wenn bedenkt man, dass Remnant II noch nicht erschienen ist. Wenn es um die Grafik und Ton geht, muss sich Remnant II ebenfalls nicht verstecken. Welt und Gegner-Design schaffen mit ihrem Detailreichtum zu überzeugen, ohne dass die Performacne gleich in die Knie geht.
Die deutsche Vertonung ist zudem gelungen und gut besetzt. Es kam jedoch immer wieder vor, dass Dialoge asynchron waren. Lippensynchronität schien in einigen Szenen nur eine Idee zu sein, denn immer wieder kam es zu unterschiedlichen Arten der Asynchronität: mal bewegen sich Lippen fast synchron, stehen still, während weiter gesprochen wird oder blubbern in absoluter Stille vor sich hin. Ein unschönes Manko, das einigen Spieler ein Dorn im Auge sein wird, während andere nicht einmal einen zweiten Gedanken daran verschwenden.
Eine zweite Meinung
Erfreulicherweise wurde uns zu Testzwecken ein weiterer Key zur Verfügung gestellt und daher bekommt ihr nun eine zweite, etwas kürzere Meinung zum Spiel:
Mit dem Archetyp „Helfer“ hat man einen tierischen Begleiter, den man sogar streicheln kann.
Unser vierbeiniger Begleiter trägt den Namen Hund und verfügt zum Beispiel über die Fähigkeit, den Spieler oder dessen Mitspieler aufzuheben. Diese Fähigkeit hat einen Cooldown von 120 Sekunden, welcher leider nicht optisch dargestellt wird. So kann man schlecht abschätzen, wann der Cooldown abgelaufen ist. Ein weiteres kleines Manko um den Vierbeiner ist die fehlende Möglichkeit, ihm einen Namen zu geben.
Das Spiel überzeugt mit seiner guten Performance und abwechslungsreichen Mechaniken. Die Kämpfe sind herausfordernd, aber nicht frustrierend schwer. Man hat nicht das Gefühl, dass die Kämpfe unfair oder nicht zu gewinnen sind. Auch die Synchronisation ist gut, Betonungen passen und die Sprecher sind gut gewählt. Leider gibt es auch hier ein kleines Manko: Die Synchronisation ist manchmal asynchron.
Im Mehrspielermodus sind uns ebenfalls einige Unfeinheiten aufgefallen. Nimmt man z. B. Dialoge, so kann ein Spieler einen NPC ansprechen und das Gespräch leiten, der Mitspieler bekommt allerdings von der Auswahl nichts mit. Das führt zu Verwirrung und fehlenden Kontext.
Bei einem der Bosse konnte mein Mitspieler die Auswahlmöglichkeiten zwar sehen, allerdings nicht, welche ich gewählt habe. So kam man um das Vorlesen der gewählten Antworten leider nicht umhin. Ferner bekommt nur der Host Tooltipps am Kristall, so verpasst der Mitspieler wichtige Informationen, was z. B. das Herstellen von Gegenständen angeht.
Schade, dass das Spiel offenbar doch mit Dusselsprech verseucht ist. 🙁