Nach „Need for Rivals“ haben EA und Ghost Games den Reset-Button des populären Renn-Franchise gedrückt und präsentieren nach zahlreichen Ablegern nun ein komplettes Reboot. Eine Mischung aus allem, was die Serie einst groß gemacht hat, sollte es werden, die wichtigsten Elemente unter einem Dach vereint, was für viele Fans längst überfällig erschien.
Seit „Need for Speed: Most Wanted“ versuchen die Entwickler immer mehr zu den Serienwurzeln zurück zu finden, um den Spagat zwischen altbewährten Spielmechaniken und Innovation zu meistern. Ob die Jungs von Ghost Games es diesmal endgültig geschafft haben, erfahrt ihr in unserem Review zu „Need For Speed“.
Willkommen auf dem Spielplatz für Erwachsene …
Wir übernehmen die Rolle eines gesichtslosen Charakters in der Ego-Perspektive, der es ohne etwas zu sagen schafft, neue Freunde zu finden und in der internationalen Rennwelt aufzusteigen. Beeindruckend, oder ? Nun, stellt euch vor, ihr steigt in euer brandneu getuntes Fahrzeug und werft euch in ein zufälliges Strassenrennen auf dem Asphalt von Ventura Bay. Plötzlich erregt ihr die Aufmerksamkeit von vier anderen Fahrern, die unterschiedlicher nicht sein könnten und mit denen ihr doch irgendwie arrangieren müsst.
So gilt es im Verlauf des ganzen Spiels mit jedem von ihnen eine Rennserie zu absolvieren, um mehr und mehr bekannter zu werden, damit ihr mehr Likes, Tweets und Abonnenten im Netz findet. Das totale Social-Life, wenn man so will. Hört sich unfreiwillig komisch an, aber in der realen Welt machen die Leute auch durchaus krassere Sachen, damit der Like-Counter nach oben schnellt – nicht wahr ? Was hier allerdings unfreiwillig komisch wirkt, sind die im Cinematic-Stil gedrehten Zwischensequenzen, in denen es von pseudedramatischen Monologen und klischeehaften Reden nur so wimmelt. Es ist das typische Fast and Furious-Niveau, wobei man ehrlich zugeben muss, dass es auch gut zur Need for Speed-Serie passt. Daher bleibt die Stimmung und die Atmosphäre in der Handlung stets dynamisch und energiegeladen, eben wie der Lifestyle eines echten Straßen-Rennfahrers. Wer sich nicht wirklich mit dieser Szene identifizieren kann, wird die Story von „Need for Speed“ vermutlich etwas albern oder kindisch finden – wer schon so richtig dazu gehört, weiß aber, dass man damit auch in „Need for Speed“ gar nicht so verkehrt liegt. Insofern bleibt es mal wieder Geschmackssache, ob die Story hier absolut passend oder eher doch fehl am Platz ist.
Tuning, Tuning und nochmals Tuning …
In „Need For Speed“ gibt es haufenweise Tuning-Möglichkeiten, die euer Auto so einzigartig machen, wie es nur sein kann. Ein Wunsch, den die Fans schon ungemein lange hegen und nun erfüllt bekommen. Ob optisch oder technisch – es gibt wie versprochen unendlich viele Optionen. Wichtig dabei ist, dass ihr nicht nur neue Serienfahrzeuge zur Verfügung habt, sondern auch ältere Modelle, die in der Autoindustrie einen Legendenstatus haben, wie zum Beispiel den populären M3 – vor allem bekannt aus dem original „Most Wanted“. Jedenfalls lassen sich hier auch die letzten Schrottkarossen zu richtigen Raketen umtransformieren, um letztendlich sogar einem Lamborghini die Stirn bieten zu können. Klar, einige Tuning-Möglichkeiten sind wahrlich cool – wie zum Beispiel das Anpassen der Karosserie, die umfangreichen „Decals“, mit denen ihr euer Auto absolut individuell gestalten könnt, nicht zuletzt durch den integrierten Vinyl-Maker, für das besondere i-Tüpfelchen. Das Justieren von Reifendruck, Lenkverhalten und Kurvernverhalten mag auf den ersten Blick vielleicht unnötig erscheinen, doch auf dem Asphalt werdet ihr diese Möglichkeiten immer mehr zu schätzen wissen.
In den anfänglichen Stunden hatte ich das Gefühl, die Autos würden recht träge agieren, jedoch täuscht dieser erste Eindruck ungemein – mit mehr Driftverhalten, ausgeschalteten Driftassistenten und dem richtigen Reifenluftdruck lässt sich das Auto perfekt durch die noch so scharfe Kurve manövrieren. Dass sich jedes Auto unterschiedlich verhält, muss man heutzutage eigentlich nicht mehr erwähnen, dennoch bleiben euch noch viele Möglichkeiten, um jedes Auto individuell in seinen Einstellungen im Fahrverhalten zupassen. Dadurch kommt nicht nur mehr Abwechslung in das Gameplay, sondern auch mehr Motivation, da man für jede Schrottkiste stundenlang Geld sammelt, um diese immer mehr pimpen zu können. Allerdings wächst damit auch die persönliche Beziehung zu den Autos – klingt irgendwie kitschig, oder ?
Nun, da wir bereits vier Rennfreunde auf den Straßen gefunden haben, gilt es nun, mit ihnen die Beziehung zu stärken – und wie macht man das ? Genau, man fordert jeden von ihnen in Rennen heraus, um spezielle Cutscenes und Rennen freizuschalten, sowie Punkte in unterschiedlichen Kategorien zu sammeln. Da jedes Crew-Mitglied für eine unterschiedliche Renn-Instanz steht, müsst ihr euch beim Driften, Sprinten und in Rundenrennen als Allrounder beweisen. Insgesamt wünscht man sich an dieser Stelle etwas mehr Abwechslung, vielleicht ein Spielmodi, der einen auch mal aus dem gewohnten Rennalltag herausrüttelt und einfach auf Spaß ausgelegt ist. Hier hat man leider etwas die Chance vertan, selbst für ein Rennspiel, wo inzwischen viel mehr möglich ist.
Dem Fotorealismus mit Vollgas entgegen …
Dank der Frostbite 3 Engine verwischen die Grenzen zwischen Fotorealismus und Spiel nahezu perfekt. Mit „Need for Speed“ sind tatsächlich kaum noch Unterschiede in dieser Hinsicht auszumachen, was die Mannen bei Ghost Games obendrauf geschickt nutzen, um zwischen Spiel und Filmszenen umzublenden, sodass man regelrecht verblüfft von dieser Technik ist. Optisch bleibt man dabei recht retro – und damit meine ich nicht die Grafik oder die Engine an sich, sondern das Setting. Wir fahren mit unseren aufgemotzten Karossen fast immer Nachts bzw. bis zum Sonnenaufgang herum – so richtig tagsüber zu fahren ist dabei absichtlich nicht gewollt und soll diese besondere Car-Kultur mit ihrem „illegalen“ Ruf unterstreichen.
Auch was das Setting selbst angeht, haben wir da nicht viel mehr Abwechslung zu erwarten, da wir uns entweder auf Brücken, Wohnsiedlungen oder inmitten von Hochhäusern bewegen. Ausgedehnte Randbezirke oder Waldstrecken gibt es diesmal ebenfalls nicht, womit man sich strikt an die Vorstellung einer urbanen Großstadt hält. Bei den Fahrzeugen selbst gibt es, wie eigentlich in jedem Rennspiel, kaum etwas zu meckern, wobei ich mir die Schadensmodelle bei den Unfällen etwas realistischer gewünscht hätte. Vielleicht liegt es daran, dass sich der Titel wieder mehr in Richtung „Arcade“-Racer bewegt, statt auf Realismus zu setzen. Ob das gut oder schlecht ist, muss jeder für sich entscheiden, aber da dieser Teil mehr zu den Wurzeln der Serie geht, finde ich die Entscheidung, in die Arcade-Richtung zu gehen, richtig.
Was mir zudem mal wieder richtig gut gefällt, ist die Song-Auswahl, die wie von EA Spielen gewohnt eine breite Pallette von Genres abdeckt. Sogar Deutsch-Rap ist hier mit „Genetikk – Wünsch Dir Was“ vertreten. Für Gänsehaut sorgt als besonderes Highlight auch der offizielle Soundtrack von Max Payne 3 „Health – Tears“, welchen man eigens für „Need for Speed“ lizenzieren konnte.
Entwickler: EA Ghost Games
Publisher: Electronic Arts
Release: erhältlich
Offizielle Homepage: www.needforspeed.com
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