Ubisoft meldet sich in dieser Woche mit der Far Cry-Serie zurück, die nach ihrem letzten Ausflug in ein Weltuntergangsszenario in Far Cry 5 (unser Review) nun die karibische Sonne in Südamerika ansteuern. Far Cry 6 bedient dabei ein Setting, das eigentlich schon von der Just Cause-Serie besetzt ist, in dem man einen brutalen Diktator in die Schranken weisen muss. Das passt diesem natürlich so gar nicht und bläst mit Kugeln und Caracho zum Gegenangriff. Im Vorab-Review haben wir Far Cry 6 etwas genauer unter die Lupe genommen und verraten euch, wo die Revolution erfolgreich ist und wo sie scheitert.
Für das Setting von Far Cry 6 hat man den fiktiven Inselstaat Yara kreiert, der bereits durch die ein oder andere Revolution gebeutelt wurde. Nach der letzten großen Revolution 1967 ist Yara weitestgehend vom Rest der Welt isoliert und wird nach dem Tod der legendären Guerilla-Legende Santos Espinosa durch den neu gewählten El Presidente Antón Castillo regiert, der das Ziel verfolgt, Yara wieder dort hinzuführen, wo es vor rund 50 Jahren stand – eine Zeit, in der Geld und Rum in Massen flossen.
Skandalöse Zustände
Um das zu erreichen, verfolgt Castillo eine perfide Agenda, die das Volk unterdrückt und sogenannte “falsche Yaraner” versklavt und ausbeutet, um das einzige Wirtschaftsgut des Landes, ein potenzielles Mittel gegen Krebs – Vivaro – in die ganze Welt zu verkaufen. Dieses ist für Yara nicht nur ein unheimliches wertvolles Medikament, sondern auch ein Druckmittel gegen die westliche Zivilisation, in dem man es zum Beispiel den USA vorenthält – Escandaloso. Die Produktion von Vivaro hat aber auch seine Schattenseiten, da es gefährlich und giftig für die Menschen ist, die es anbauen und ernten müssen. An diesem Punkt beginnt eine neue Revolution – für die Freiheit von Yara und seinen Einwohnern.
Schon hier merkt man, dass das Thema von Far Cry 6 deutlich ernster und realistischer gezeichnet wird, mit mehr Abstand zu Allmachtsfantasien oder durchgeknallten Irren mit dem Finger auf dem roten Knopf. Man nimmt Castillo seine Rolle glaubhaft ab und hört ihm gerne zu, wenn er seine Beweggründe darlegt. Dennoch soll er nach dem Willen des Widerstandes weg.
Angeführt wird dieser von unserem neuen Protagonisten Dani Rojas, der etwas ungewollt dort hinein stolpert. Nach einem Kampf wacht Dani auf der isolierten Insel auf und lernt die Anführer diverser Splittergruppen kennen, die in bester Guerilla-Manier den Aufstand planen und Castillo von seinem Thron stoßen wollen. Euch zur Seite steht dabei unter anderem Juan, ein ehemaliger Spion und Ex-CIA mit derben Sprüchen auf der Lippe, und natürlich darf auch die Diversität unter euren Mit-Rebellen nicht fehlen, was teilweise ein wenig überbetont wird und unpassend erscheint.
Neben Juan und El Presidente tritt aber vor allem dessen Sohn Diego in Erscheinung, der eines Tages das Erbe von Castillo antreten soll. Welchen Weg er dafür wählt – ebenfalls Diktator mit eiserner Hand oder ein wahrer Präsident fürs Volk – ist ein innerer Konflikt, den man immer wieder gekonnt in den Mittelpunkt rückt. Alle anderen Charaktere erscheinen dagegen leicht austauschbar. Sie haben zwar auch mal eine große Klappe, aufgrund der üppigen Anzahl verschwinden sie aber auch schnell wieder aus dem Gedächtnis.
Da haben es eure Amigos – Partner in Crime – schon leichter. Allen voran Chorizo, der kleine süße Dackel-Mix, der zwar seine Hinterläufe nicht mehr benutzen kann und in einem improvisierten Rollstuhl durchs Leben taumelt, aber deswegen nicht weniger gefährlicher ist.
Wirrer Guerilla-Kampf
Yara teilt sich im Grunde in drei große Gebiete plus einige Inseln auf, die jeweils von den Splitter-Gruppen und ihren Anführern kontrolliert werden, die ihre eigenen Ziele verfolgen und am Ende den Kampf vereint gegen Castillo bestreiten sollen. Die Struktur ist ähnlich wie in Far Cry 5 aufgebaut, in dem man diese Gebiete durch endlose Guerilla-Aktionen zermürben, von den Soldados befreien und somit den Einfluss der Armee und Castillos schützenden Händen schwinden lassen muss. Die Reihenfolge ist dabei völlig egal, kann einen aber auch mal etwas ratlos zurücklassen.
Problematisch ist dabei, dass jede Mission zur Story-Mission erkoren wurde, sei sie noch so unbedeutend. Lieferdienste, Sklavenbefreiung, Militärstützpunkte einnehmen etc. gehören zwar irgendwie zu einer Revolution dazu, das könnten oftmals aber auch Nebenmissionen sein, die euch stattdessen Zeit rauben und den Spannungsbogen unnötig abwürgen.
Klar, es gibt auch sehr coole Missionen, die nur so vor Action strotzen, etwa wenn man eine ganze Schiffsflotte versenken muss, um eine Blockade zu beenden, oder man das erste Mal persönlich auf Castillo trifft, der die Hintergründe seines Bestrebens darlegt, meist in aufwendigen und tollen Zwischensequenzen, in denen man sich verlieren kann. Auch der Kampf gegen Maria – die Geliebte von Castillo – und ihrer Propaganda-Maschine fand ich als Gesamtmission durchweg gelungen. Man übernimmt ihre Radio- und TV-Sender und verkündet am Ende mit einem lateinamerikanischen Rapsong die eigene Botschaft.
Das passiert jedoch in zu großen Abständen und lässt einen oftmals auch etwas unbefriedigt zurück. Teils fühlt man sich wie ein dummer Laufbursche, ohne die nötige Anerkennung dafür zu erhalten. Mit einer stärkeren Abgrenzung zwischen Missionen, die für die Revolution wirklich bedeutend erscheinen, und dem, was man optional machen könnte, würde man das Revolutions-Thema erheblich spannender gestalten.
Abseits dessen hat man ohnehin genug zu tun, etwa mit Yaras Geschichten, die unerwartete Dinge zutage fördern, der Schatzsuche, dem Erobern von Militäranlagen und Straßensperren, dem Erkunden der riesigen Spielwelt, den Mini- und Meta-Games und und und. An Inhalten mangelt es in Far Cry 6 jedenfalls nicht. Für Spieler, die allerdings nur an der Story interessiert sind und gerne mal was nebenbei machen, wird das Ganze jedoch zu einer ziemlichen Geduldsprobe. Weniger ist manchmal mehr, trifft es hier ganz gut.
Welch eine Schönheit!
Yara selbst ist natürlich eine absolute Augenweide und das bisher schönste Far Cry-Spiel. Das tropische Setting, das verschiedene Biome – von Dschungel, über Sumpf und Berge – zu bieten hat, lädt mal wieder zum Erkunden bis in den letzten Winkel ein. Das ist, was die Ubisoft-Spiele seit jeher auszeichnet, es wird nie langweilig und es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Dass man den besonderen südamerikanischen Flair so ziemlich perfekt eingefangen hat, ist auch der vorherigen Recherchearbeit des Entwicklers zu verdanken, die tausende Kilometer durch den Kontinent gereist sind, um den Zeitgeist von damals zu spüren.
Dieser ist in Kuba – der Inspiration für Yara – ja nach wie vor präsent, das wie in der Vergangenheit eingefroren scheint, wo Oldtimer zum alltäglich Bild gehören, Propagandaplakate diesen typischen Retro-Touch haben und allgemein alles sehr farbenfroh daher kommt. Das mit der typisch lateinamerikanischen Musik, die aus jedem Radio tönt, bietet Far Cry 6 erneut ein wahnsinnig reichhaltiges Setting, an dem es nichts auszusetzen gibt. Das diktatorische Regime, das seine brutale Macht allgegenwärtig verkündet und demonstriert, einschließlich offenen Hinrichtungen und dem Einschüchtern der Bevölkerung an jeder Ecke, gehört aber ebenso zu diesem Bild.
Mehr Feingefühl bitte
Generell wirkt Far Cry 6 ziemlich brutal inszeniert, mehr als je zuvor. Da wird Leuten der Kopf mit einer Granate im Mund weggesprengt, während die Kamera voll drauf hält. An anderer Stelle flippen eure Guerillas plötzlich aus und entladen ganze Magazine in Leute, die bereits am Boden liegen. Eine Revolution ist brutal, ohne Frage, und solange der Kontext dazu gegeben ist, wird wohl auch niemand etwas sagen.
Besonders kritisch muss man aber die Gewalt gegen Tiere im Spiel betrachten. Hier entstehen teils bizarre Bilder, die ein wenig am Feingefühl der Entwickler zweifeln lassen. Offenbar gibt es keine Unterschiede zwischen menschlichen und tierischen Gefährten. Da wird man reitend einfach mal vom Jeep gerammt, und während das Pferd schon tot am Boden liegt, wird auch noch drüber gefahren, als wäre es das Normalste der Welt. Gleiches gilt auch für eure Amigos – spätestens wenn ein Soldado sein ganzes Magazin in Chorizo entleert, sollte man als Entwickler mal nachdenken, was hier eigentlich falsch läuft. Vermutlich sind solche Situationen der nicht so ganz hellen KI geschuldet, die die Soldados generell recht kopflos herum rennen lässt.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass Ubisoft genau wegen sowas in ihren Spielen kritisiert wird, und damals ging es nur ums Jagen und Töten. Was man allerdings in Far Cry 6 zu Gesicht bekommt, überschreitet so einige Grenzen in der Hinsicht und erscheint völlig unnötig. Meine Meinung!
Detailverliebt wo man hinschaut
Einen großen Fokus hat Ubisoft vor allem aber in die Details gelegt, nicht nur die grafischen Aspekte, die besonders auf den neuen Konsolen alles hergeben, was möglich ist, auch spielerisch treibt man die Far Cry-Serie damit weiter voran.
Auffällig neu sind Animationen beim Heilen, wo nicht immer nur ein Verband angelegt wird, sondern jetzt auch mal ein Kugel entfernt, ein Schmerzmittel eingenommen oder ein Glasscherbe aus dem Arm gezogen wird. Wer beim Autofahren Radio hört, kann Dani teilweise dabei zuhören, wie er die Songs mitsingt, ebenso fallen Kommentare von zufälligen KIs auf, die individuell auf euch oder eure Amigos im Vorbeigehen fallen. Es sind all diese kleinen Dinge, die die Welt von Yara so unglaublich authentisch und glaubhaft machen und damit enorm zur Gesamtatmosphäre beitragen.
Detailverliebtheit zeigt man aber auch bei Dani und seinen Waffen, die Far Cry-typisch nicht nur wieder sehr umfangreich ausfallen, sondern ebenfalls bis zur Munition angepasst werden können. Durch die Unterscheidung von Standard-, Weichteil-, Sprengmunition & Co. kann man seine Missionen nun viel taktischer vorausplanen, anstatt immer nur reinzustürmen und alles platt zu walzen. Ein absolutes Highlight sind natürlich die neuen Impro-Waffen, sowas wie Superwaffen, die Juan in seinem HQ zusammenbastelt. Diese machen nicht nur unheimlich Spaß, sondern sind auch besonders effektiv in ihrer Wirkung – insbesondere der Granatenrucksack, der so manche Mission willkommen abkürzen kann.