Wer die Herausforderung seines Lebens sucht, wird nicht selten in einer Survival-Erfahrung fündig. Unter schwierigsten Bedingungen an die Grenzen der Belastbarkeit gehen, das verspricht ab heute Green Hell von Creepy Jar. Wir haben uns vorab tief in den Amazonas gewagt und dort eine der besten Survival-Erfahrungen gefunden, die es bisher gibt, am Ende aber auch etwas mitgenommen, was zum Nachdenken anregt.
Meist besteht eine Survival-Erfahrung aus den gleichen Rezepten. Man wird irgendwo im Nirgendwo ausgesetzt und muss zusehen, wie man da zurecht kommt, meist mit nichts in der Hand. Green Hell ist da gar nicht so anders, gibt aber einem die Wahl, wie Hardcore die eigene Erfahrung sein soll. Vom Sightseeing-Trip bis zum erbarmungslosen Kampf gegen den Tod ist alles dabei. Als großes Plus gibt es hier allerdings noch eine bedeutungsvolle Story obendrauf.
Willkommen in der grünen Hölle
Eine Survival-Erfahrung ist ja oft frustrierend, da sie oftmals zu nah an der Realität ist. Das soll sie zwar sein, ein bisschen Spaß möchte man aber dennoch haben. Insofern lässt Green Hell einem hier vordefinierte Parameter wählen, die auf die eigene Erfahrung einwirken. Hunger, Durst oder Parasiten? Das sind meist Dinge, mit denen viele Leute in ihrem verwöhnten Stadtleben gar nicht umgehen könnten, wenn diese Probleme plötzlich einmal über sie kämen. Und so scheitern viele direkt schon nach wenigen Stunden an sich selbst und können wohl dankbar dafür sein, dass das Ganze nur virtuell passiert. Man stelle sich vor, jemand verdurstet vor dem eigenen Controller?
Ständig Nahrung und Wasser suchen müssen kann halt ziemlich nervig sein, wenn man eigentlich mit etwas Anderem beschäftigt ist. Somit war ich ziemlich dankbar dafür, dass man solch “unwichtige” Dinge erstmal ausblenden kann, zumindest für den ersten Anlauf. Da Green Hell an sich auch recht übersichtlich und kompakt im Umfang wirkt, lässt sich das Hardcore-Level nach und nach steigern und dann unter erschwerten Bedingungen wiederholen. Ein neuer Alexander von Humboldt ist schließlich noch nie so einfach vom Himmel gefallen, weshalb man sich für eine Softcore-Erfahrung auch gar nicht schämen braucht.
Manche Dinge bleiben lieber unberührt
Ein weiterer Punkt, den Green Hell etwas anders macht, ist die erwähnte Story, die tatsächlich ein guter Einstiegspunkt ist, um im Urwald zurecht zu kommen. Gleichzeitig zeigt diese einem Grenzen auf, die die moderne Gesellschaft vielleicht niemals überschreiten sollte und die einem hier schonungslos vor Augen geführt wird.
In der Rolle des Forscherpärchens Higgins wagt man sich tief in den Amazonas hinein, um einen dort lebenden Stamm zu erforschen. Da diese so etwas wie die zivilisierte Menschheit noch nie zuvor gesehen haben, sind Probleme auf beiden Seiten vorprogrammiert. Generell gilt man für diese als Eindringling und Gefahr und wird dementsprechend bekämpft, auf der anderen Seite geht aber auch von den zivilisierten Menschen eine Gefahr aus, die für den Stamm gefährliche Viren und Bakterien einschleppen, gegen die sie in ihrer Isolation gar nicht gewappnet sind. Diesen Konflikt zwischen unberührter und moderner Zivilisation zu verstehen, ist ein elementarer und spannender Teil der Story, der genau so auch in der realen Welt belegt ist. Viel verheerender ist allerdings das, was man von dort wieder mitbringt.
Gefahren in Green Hell lauern aber nicht nur vom besagten Stamm, im Grunde ist der gesamte Dschungel euer Feind, samt Alligatoren, giftigen Schlangen, Vogelspinnen oder Hornissen, über die man jederzeit stolpern kann. Selbst die kleinste Wunde muss da gut versorgt sein, bevor sie sich zu einer tödlichen Infektion ausbreitet. Auf der anderen Seite wird man aber auch eine Wahrheit aufdecken, die den Glauben an das letzte und unberührte Fleckchen dieser Erde vor euren Augen zerbröseln lässt.
Wer mehr über das Leben im Amazonas, dessen Erforschung und so manches Geheimnis darin erfahren möchte, findet dazu unzählige Notizen in den Camps, die aufgrund ihrer Länge und unzähligen Seite leider auch etwas ermüdend wirken. Bücher kann man schließlich auch Zuhause lesen.
Maden, Käfer, Hütten bauen
Der Survival-Aspekt von Green Hell zeigt sich hingegen dann wieder recht klassisch. Man muss Hütten bauen, Lagerfeuer errichten, für Nahrung sorgen, gefährliche Infektionen versorgen usw. Das bedeutet also Holz und Gräser sammeln, den ganzen Dschungel nach Ressourcen abgrasen, Waffen schnitzen und auf kreative Weise kombinieren. Sogar psychedelische Tränke lassen sich brauen, um tiefer in das eigene Bewusstsein einzutauchen. Dabei stellt sich sogar ein echter Lerneffekt ein, denn die Natur ist eine wahre Goldquelle, wenn es um Ressourcen geht. Obendrauf lernt man Karten und Kompass richtig zu deuten, optimiert seinen Tag-/ Nacht-Rhythmus und passt sich zunehmend dem Leben im Dschungel an und weiß diesen letztendlich sogar zu seinem Vorteil zu nutzen. Das Ganze mit einem wirklich angenehmen Pacing, das auch den unerfahrensten Survivalists unter euch nicht gleich überfordert.
Wie erwähnt, kann man das Hardcore-Level nach und nach steigern. Interessant ist hier der Punkt der geistigen Gesundheit, denn ist diese erst einmal erschöpft, hüllt sich der Dschungel in einen grauen/braunen Schleier und man hört geisterhafte Stimmen aus allen Richtungen, was einen psychisch weiter zermürbt. Abhilfe schaffen hier Proteine aus Maden oder gesunde Fette, etwa von einer Kokosnuss, die man regelmäßig zu sich nehmen muss. Aber auch unerwartete Vergiftungen können für einen schnell das Aus bedeuten, etwa wenn man über Klapperschlangen stolpert, giftige Pfeilfrösche berührt und von einer vermeintlich süßen Frucht kostet.
Im Gesamten hat man mit Green Hell ein tiefgreifendes Survival-Erlebnis geschaffen, das in Teilen viel weiter geht als in manchen Genre-Kollegen. Vermissen tut man dabei jedenfalls nichts und besonders der Multiplayer-Part hat seinen Reiz. Leider stand dieser für unser Review noch nicht zur Verfügung. Dennoch, die Motivation an diesem etwas gemächlichem Gameplay ist definitiv vorhanden und man kann es kaum erwarten, seine eigene kleine Gemeinschaft zu gründen und von der Pieke an aufzubauen.
Ein bisschen hinderlich dabei ist lediglich die Menü-Steuerung, die nicht optimal an die Konsolen-Fassung angepasst wurde und zuweilen etwas umständlich wirkt. Das ist vor allem anfangs ein Problem, wo auch etwas mehr Erklärungshilfen, etwa beim Crafting, wünschenswert gewesen wären. Zudem sollte man immer strategische Speicherpunkte bauen und wählen, was in Form von Hütten oder noch existierenden Camps möglich ist. Andernfalls wirft man seinen wirklich hart erarbeiteten Fortschritt dem Dschungel unnötig zum Fraß vor.
Man sieht den Dschungel vor lauter Palmen nicht
Green Hell ist momentan für PlayStation 4 und Xbox One erschienen, während native Versionen für die neuen Konsolen folgen. Das soll dem Suvival-Spaß aber nicht wirklich abträglich sein. Technisch zeigt sich Green Hell nämlich trotzdem auf einem hervorragenden Level, wenn auch nicht ganz perfekt.
Insbesondere die Einführungssequenz lässt zunächst auf ein Tearing-Unwetter schließen, das erledigt sich mit dem Start des Story-Modus aber weitgehend. Störender sind da schon die auffälligen Textur-Popups, die noch etwas Feinschliff benötigen, die mit dem Launch auf PS5 & Co. aber auch der Vergangenheit angehören sollten.
Denn insgesamt macht Green Hell einen klasse Eindruck, insbesondere die dichte und vielfältige Vegetation, die fantastische Beleuchtung, wenn die letzten Sonnenstrahlen durch die dichten Palmenblätter scheinen, sowie die generell authentische und einsame Atmosphäre. Dschungel-Feeling, wie man es sich vorstellt und zum Greifen nahe, was zuweilen sogar Erinnerungen an Uncharted 4 aufkommen lässt.
Leider nicht mein Genre, klingt aber super. Auch schöner Test geworden.