Nach „Final Fantasy XV“ schafft es auch die „Tales Of“-Serie mit „Tales of Berseria“ in den Ring der JRPG-Ableger zu steigen. Nach dem Vorgänger „Tales of Zesteria“ begann Publisher Bandai Namco die Arbeiten an diesem Nachfolger. Die Jungs versprechen ein für die Serie ungewöhnlich komplexes Kampfsystem, was durch die untypische Story abgerundet wird. Bisher reicht der Erfolg der Spielserie bis zu den Jahren 1995 zurück, in dem der erste Teil noch für die SNES veröffentlicht wurde. Seitdem steht „Tales Of“ für vielschichtig erzählte Geschichten und ein fröhliches Setting, in dem die Protagonisten als rechtschaffende Helden mit Moralvorstellungen und richtigen Entscheidungen glänzen. Mit „Tales of Berseria“ möchten die Macher nun eine ganz andere Schiene fahren – doch reicht es um auf dem JRPG-Markt bestehen zu können?.
Rache ist die beste Motivation
Das Königreich Midgand scheint eine ruhige und blühende Stadt zu sein, in der die darin lebenden Bewohner und all die in der Nähe aufgebauten Dörfer harmonisch miteinander leben. Das Mädchen Velvet trägt trotz aller Zufriedenheit eine große Last auf ihren Schultern – ihren kranken Bruder „Laphicet“, der seinen Alltag geschwächt im Bett verbringen muss. Doch was soll passieren, damit sich Velvet in ein blutrünstiges Monster verwandelt und skrupellos unschuldige Menschen ermordet? Die Charakterentwicklung und die damit verbundene Motivation ist in der Tat einzigartig in der „Tales Of“-Serie. Bisher haben mich die letzten Teile aufgrund mangelnder Innovation wenig bis gar nicht beeindruckt. Mir hat immer diese Dramatik und Brutalität in der Geschichte gefehlt, welche Ecken und Kanten bei den Hauptprotagonisten aufzeigt und keine Helden mit einer weißen Weste in den Mittelpunkt rückt. Velvet ist in der Tat eher ein Antiheld geworden, deren Entscheidungen man als Spieler nicht immer unterschreiben kann. Doch egal wie verstörend unser Hauptcharakter auch sein kann – Punkte für Sympathie gibt es trotzdem, da wir uns mit der Zeit an Velvet und ihre illegalen Ganovenfreunde gewöhnen können. Die Dauer der Erzählung ist ebenfalls von großer Bedeutung, weil wir insgesamt auf 45 Stunden Spielzeit nur durch die Story an sich gekommen sind. Im Verlauf der Geschichte ist es selten passiert, dass einige Cutscenes oder Abschnitte unnötig in die Länge gezogen wurden, was natürlich für die Langzeitmotivation spricht.
Womit ich unbedingt anfangen will ist das Kampfsystem, welches zwar intuitiv, stellenweise aber ehr unübersichtlich ist. Wenn Bandai Namco von Komplexität spricht, übertreiben die Jungs und Mädels in diesem Punkt nicht, denn es hat einige Stunden gebraucht, um überhaupt die Kämpfe schnell und bewusst beenden zu können. Wenn wir uns also anfangs durch die Kampftutorien durchklicken, um anschließend hier und da Wildschweine zu erlegen, müssen später größere Monster mit Techniken erledigt werden, die im Tutorial nur spärlich erklärt sind. Also heißt es ständig im Menü durchklicken, die so oder so schon selten gefundene Ausrüstung tauschen und erlernte Techniken finden, um später stärkere Kombos auszuführen.
Das Ausführen von Kombos kann ich nicht unbedingt als „flüssig“ bezeichnen – ständig gibt es Unterbrechungen, weil irgendwelche Kristalle oder sonst unnötige Voraussetzungen fehlen. Auf der anderen Seite genieße ich einfach diese Momente, in dem die Kombos stimmen und die Gegner zwar nicht zu einfach, aber trotzdem mit ein paar gekonnten Befehlen ausgeschaltet werden können. Diese zwei Situationen gibt es bei „Tales of Berseria“ und deswegen bin ich noch mehr hin und her gerissen, ob ich das Kampfsystem nun als schlecht oder gut abstempeln muss. Ich kann jedoch behaupten, dass geduldige und lernwillige Spieler mehr Erfolg und dadurch auch Spaß in den Kampfsequenzen haben werden.
Außer der Kämpfe gibt es ja noch das Grinden und die Nebenaufgaben, welche im Gegensatz zu der ehemals angesprochenen neuen Kampfmechanik, keine Neuerungen bieten. Stattdessen gibt es den Standard-Fraß, den wir schon in unzähligen anderen Games gesehen haben. Sprich, hol dies, töte das. „Tales of Berseria“ versucht außerdem mit kleinen Puzzle-Einlagen frischen Wind in die langweilig gestalteten Dungeons reinzubringen, was aufgrund der geringen Kreativität dieser Rätsel leider etwas auf der Strecke bleibt. Die meiste Zeit sind wir tatsächlich damit beschäftigt herumzulaufen und unnötige Kilometer zu Fuß zu gehen, statt unser Interesse bei Stange zu halten. Wer mit solchen Quests klar kommt und sich nur auf die Story fokussiert, hat sicherlich bessere Aussichten auf den Spielspaß und kann den leicht negativen Beigeschmack von „Tales of Berseria“ ignorieren.
Interessante Charaktere, aber eine langweilige Welt
Nach den ersten Minuten im Dorf hatte ich mich auf die offene Welt von „Tales of Berseria“ gefreut, was meine Erwartung aufgrund der schön detaillierten Häuser, Dorfbewohner und die herumstehenden Bäume und Pflanzen wirklich hochhob. Umso enttäuschter war ich, als Velvet die öde Landschaft betreten hat, in der hier und da mal langweilig gestaltete Monster herumlaufen. Versteht mich nicht falsch, die Hauptcharaktere samt Velvet sind charmant und stilvoll gestaltet, doch die NPCs und all die anderen „unwichtigen“ Objekte sind ziemlich austauschbar und das genaue Gegenteil was ich anfangs im Dorf gesehen habe. Der Look von der Dämonen-Lady und den sonst so ganz gut inszenierten Dungeon-Bosse hat man doch auch ganz gut hinbekommen!
Zu viel stänkern möchte ich nicht und das hat das Spiel auch nicht verdient, zumal die Kampfsequenzen praktisch stets überschaubar und ganz gut von der Kamera eingefangen werden. Dieser Punkt war aufgrund der schlechten Kameraführung in den Vorgängern ganz wichtig anzusprechen – da hat man deutlich dazugelernt und entsprechende Verbesserungen implementiert. Die voll animierten Cutscenes haben nicht den klassischen Anime-Charme verloren, wobei die kleinen Dialoge zwischen den Protagonisten durchaus mal besser inszeniert werden könnten. Momentan bekommen wir nur minimalistisch animierte Einblendungen von den Gesichtern der jeweiligen Redner und das hat im Jahr 2017 nun wirklich nichts mehr verloren.
Reden wir ganz kurz mal über die soundtechnischen Aspekte von „Tales of Berseria“. Die englische Synchronisation gehört auf jeden Fall nicht zu den Stärken des Spiels, was ich mal der Fehlbesetzung einiger Charakteren zuschreiben möchte. Außerdem erlaubt die englische Lokalisierung auch keine perfekte Synchronisation mit den Lippenbewegungen. Wer sich aber für die japanische Stimmenausgabe entscheidet, wird sich sofort zurechtfinden und mit den deutschen Untertiteln die Story ungestört von banalen Synchro-Fehlern folgen können.
Entwickler: Bandai Namco // Publisher: Bandai Namco // Release: erhältlich // Offizielle Homepage: www.blog.talesofgame.com