Es ist mal wieder Zeit sich zu gruseln. Supermassive Games meldet sich mit dem vierten Part der The Dark Pictures-Reihe und damit dem gleichzeitigen Abschluss der Season One zurück. The Devil in Me, so der Name, erfindet sich dabei wieder etwas neu, liefert frische Ansätze und lässt diesmal die Frage aufkommen: Ist ein Überleben überhaupt möglich?
Wir konnten The Devil in Me vorab testen und verraten euch in unserem Review, warum es wiederholt einer der besten Ableger der Serie überhaupt ist.
Ein Serienkiller mit Stöckchen und Hut geht um
The Devil in Me bedient sich einer realen Vorlage, nämlich dem Serienkiller Henry Howard Holmes, der sich im 19. Jahrhundert als erster Serienkiller überhaupt einen Namen machte. Offiziell gesteht man Holmes 11 Opfer zu, er selbst spricht von 27, der damit reges Interesse in der Popkultur weckte, darunter in TV-Serien, Filmen, Songs und zuvor auch schon in Videospielen. In Watch Dogs von Ubisoft wird auf ihn in einem Hotspot verwiesen. Nun darf er in The Devil in Me sein Unwesen treiben.
Die Grundlage für The Devil in Me (unsere Preview) basiert auf seiner legendärsten Kreation, dem Horror Hotel. Dieses Anwesen mit einer eigenartigen Bauweise – Treppen, die ins Nichts führen, Fenster ohne Zimmer oder Rutschen, die in tiefe Gruben münden – waren für H. H. Holmes am Ende “sein Schloss” und eine Falle für zahlreiche Gäste, die es nie wieder verlassen haben.
Für The Devil in Me hat man eine eigene Interpretation dieses Horror Hotels erschaffen, welches nicht wie ursprünglich in Chicago liegt, sondern auf einer etwas abgelegenen Insel, die nur mit einer Fähre zu erreichen ist. Auch tritt H. H. Holmes nicht selbst in Erscheinung, sondern ein riesiger Fan seiner “Arbeit”, der sie in der heutigen Zeit fortführt, einschließlich einem originalgetreuen Abbild.
Alles beginnt damit, dass ein jung Dokumentar-Crew eine Einladung auf diese Insel bekommt, nicht wissend, dass sie die nächsten Opfer sein sollen. Jung und naiv folgt man dieser Gelegenheit und zeigt sich sichtlich beeindruckt von der Architektur des Gebäudes und der Geschichte dahinter. Schnell fällt aber auch auf, dass hier etwas nicht stimmt. Das Gebäude scheint zu leben, Flure sind nicht immer dieselben und schon bald macht man erste unheimliche Begegnungen mit gruseligen Schaufensterpuppen und Animatronics, während vom Gastgeber selbst keine Spur zu sehen ist.
Entgegen der vorherigen Ableger der The Dark Pictures-Serie ist The Devil in Me viel weniger linear aufgebaut, da man sich zum Großteil in diesem Hotel bewegt, später aber auch im Außengelände, im Basement usw. Da sich das Hotel aber ständig verändert, wirkt es auch nie so, als würde man ständig die gleichen Orte besuchen. Abwechslung ist definitiv vorhanden und ebenso jede Menge Gelegenheiten zur Erkundung, die man auch unbedingt wahrnehmen sollte.
Der Cast besteht aus der gewohnten Gruppe von fünf Leuten, die gewisse Stereotypen bedienen und wieder recht oberflächlich abgehandelt werden. Man erfährt hier und da etwas über ihre Beweggründe und Vergangenheit, wirklich tiefgreifende Gespräche wird es aber nicht geben, auch wenn im Hintergrund wieder das Beziehungs-System implementiert wurde, das Einfluss auf eure Entscheidungen nehmen kann. Es handelt sich bei diesem Titel ja auch nicht um ein Rollenspiel, sondern um ein Entertainment-Produkt, welches eine ganz andere Zielgruppe anspricht. Und ohnehin: wer weiß wie lange jeder Einzelne überlebt, da möchte man sich auch nicht zu sehr an die Charaktere binden. In dem Punkt braucht man The Dark Pictures also keinen Vorwurf machen, denn das Konzept unterhält trotzdem ungemein.
Der Tod kommt schneller als geahnt
Ziel ist es wie üblich aus diesem Horror Hotel zu entkommen. Ob das gelingt, liegt an euch, an euren Entscheidungen und auch mal einfach nur am Glück oder Können. Mehrfach wird man aber auch vor die Entscheidung gestellt, einen seiner Freunde aktiv zu opfern, damit der andere überleben kann. Es sind diesmal also nicht nur Schicksals- oder Momententscheidungen, die über Leben und Tod auf kurz oder lang ausgelegt sind. In einer Szene landen zwei eurer Freunde in getrennten Kammern und man muss wählen, wen von den Beiden man ersticken lässt, damit der andere genug Sauerstoff zum Überleben bekommt. Solche Prüfungen gibt es mehrfach im Spiel und sie beziehen ihre Inspirationen klar aus der SAW-Filmreihe, die bekanntlich nichts für schwache Gemüter ist. Das ist teilweise schon so pervers inszeniert, dass man fast Lust darauf verspürt, unbedingt sehen zu wollen, wie die Charaktere vor euren Augen hingerichtet werden. So ging es mir vor allem in der finalen Szene, die ich nur deshalb gleich nochmal gespielt habe. Supermassive Games hatte ja zuvor gesagt, dass es die härtesten Entscheidungen in der gesamten Serie werden, und damit haben sie nicht zu wenig versprochen!
Der Tod kommt allerdings auch mal schneller um die Ecke, als es einem lieb ist. Das Hotel ist eine riesige Falle, gespickt mit Falltüren, mordenden Animatronics und natürlich dem Killer, der zwischen den Wänden wandelt. Das Zeitliche segnet man mitunter also auch völlig überraschend, wobei man sich gelegentlich noch mit einem Quick-Time Event retten kann.
Hierfür greift man auf die bewährten Gameplay-Mechaniken der Serie zurück und setzt auf ein angenehmes Pacing, um diese zu meistern. Es ist immer noch etwas unfair gelöst, dass man sich oft durch eine ganze Reihe von Actioneinlagen und QTEs kämpft und dann an einem einzigen Fehler scheitert, ohne eine zweite Chance zu bekommen. Das ist wirklich entmutigend, wenn man so lange für seine Charaktere kämpft und dann doch verliert.
Fragwürdig erscheint nach wie vor die gewisse Gleichgültigkeit, die die Charaktere verinnerlichen. Ich meine, da werden zumindest nahestehende Freunde vor den eigenen Augen auf übelste Weise getötet, emotional berühren tut es einem anscheinend aber nicht. Selbst auf Nachfrage, wo denn der Rest der Crew ist, wird fast emotionslos und im Stil einer Randnotiz geantwortet: ‘Die haben es nicht geschafft’ … und weiter im Drehbuch. Hier ist definitiv noch viel Luft nach oben, um die Panik und Ängste in einer solchen Situation glaubwürdiger zu gestalten.
Jetzt in Third-Person
Die wohl größte spielerische Neuerungen ist allerdings der Wechsel von der „statischen Kamera“ zur Third-Person Ansicht. Das war längst überfällig und hätte schon bei House of Ashes viel besser funktioniert. Man bekommt ein so viel besseres Gefühl für die Charaktere, man ist näher am Geschehen und kann auch die Umgebungen mit den vielen Details besser genießen. Ob sich der Third-Person Mode für die vorherigen Ableger nachpatchen lässt, ist aktuell unklar, aber ich hoffe, dass Supermassive Games für die kommenden Spiele daran festhalten wird.
Im Gros hält man im Spiel und mit dem Hotel an dem fest, wofür die Serie jeher steht. Es gibt zahlreiche Rätsel, die an Escape Room-Mechaniken angelehnt sind, man findet wieder viele Geheimnisse und Rückblenden, welche die Story mit Geschichten früherer Opfer anreichern oder man sammelt sogenannte Charon Penny, die man Toten in den Mund legt, um eine Art Zoll für ihre Überfahrt ins Jenseits zu leisten.
Technisch sieht The Devil in Me wieder sehr gut aus, hat jetzt aber nicht mehr den WOW-Moment ausgelöst, den man von Little Hope zu House of Ashes und von der PS4 zur PS5 gesehen hat. Ich finde die Facial-Animationen noch immer hervorragend und als ein Vorzeigebeispiel, was technisch so möglich ist. Gerade der fotorealistische Ansatz des Spiels ist genau das, wovon ich in dieser Generation gerne mehr sehen möchte und nicht der zunehmend übergreifende Comic-Look, auf den sich viele Entwickler selbst in den größten AAA-Spielen versteifen.
Akustisch scheint dafür noch immer das Mikro im Aufnahmestudio defekt zu sein, und zwar schon seit Until Dawn. Zwar nicht mehr ganz so schlimm, aber warum die Dialoge einen leichten Nachhall haben müssen, erschließt sich mir nicht ganz. Und schon fast als Markenzeichen von Supermassive Games ist die deutsche Synchro erneut etwas unvollständig, wenngleich nicht so dramatisch wie zuletzt.