TEST: The Technomancer – fantasievolle Welt voller Gameplay-Probleme

Dennis Giebert 3 Comments
11 Min Read

Mit “The Technomancer” veröffentlichte der französische Entwickler Spiders kürzlich sein neustes Action-RPG. Besonders hervorstach dabei das Marketing, das mit einer Reihe von effektiven Trailern den Eindruck erweckte “The Technomancer” würde ein AAA, ein hochkarätiger Titel, entwickelte von einem kleinen Studio, werden. Doch dem fertigen Spiel fehlt es in vielen Punkten an Feinschliff, während es in anderen Gebieten durch Unbeholfenheit glänzt. Warum “The Technomancer” doch einen Blick wert sein könnte, erfahrt ihr in unserem Test.

Mars – die neue Heimat der Menschheit

Die Geschichte von “The Technomancer” trägt sich auf dem Mars zu, in derselben Welt wie das ebenfalls von Spiders entwickelte „Mars War Logs“. Der Mars wurde schon vor Langem von menschlichen Kolonisten bevölkert, befindet sich aber in einem ständigem Konflikt. Städte bekriegen sich untereinander, während die Gesellschaften innerhalb der Städte um die Vorherrschaft kämpfen. Am schlimmsten trifft es die Mutanten – Menschen, die durch die starke Sonneneinstrahlung eine Mutation unterliefen und somit zu den Untermenschen der Gesellschaft deklariert werden. Die lieblose Aufgabe die städtischen Sonnenschutzdächer in Stand zu halten, fällt daher den wie Sklaven gehaltenen Mutanten zu. Das dies oft mit dem Tod der Arbeiter Hand in Hand geht, stört in der Stadt Abundance (zu deutsch Überfluss) niemanden. Der Spieler schlüpft in dieser Welt in die Haut von Zacharia Mancer, ein junger Mann der in der Lage ist Elektrizität zu generieren und als Waffe einzusetzen, womit er zu den raren Technomancern zählt.

The Technomancer - Mutant Valley?

Tollpatschiges Gameplay

„The Technomancer“ verbringt viel Zeit mit Kämpfen, die leider, wie das gesamte Spiel, sehr durchwachsen ausfallen. Auf Knopfdruck greift ihr an, setzt Fertigkeiten ein oder verlangsamt den Spielfluss, um im Menü nach Items zu suchen. Die vier Haupttasten dienen dabei als Hotkeys für Fertigkeiten, haltet ihr L1, bekommt ihr Zugriff auf ein zweites Set. Ebenfalls aktivieren lassen sich Fertigkeiten durch ein wischen über das Touchpad, was jedoch von wenig Nutzen ist, da diese immer mit den bereits den Haupttasten zugewiesen Fertigkeiten belegt sind. Frei belegen lässt sich das Touchpad aber auch nicht. Hier fängt es im Grunde auch an – vergeudetes Potenzial ohne Ende. Wäre das Touchpad zumindest frei belegbar, müsste man nicht wählen, welche Fertigkeiten man schnell nutzen möchte, man könnte einfach sein Repertoire erweitern. Findet man sich in einer Situation wieder, in der man eine Fertigkeit nutzen will, die keiner Taste zugewiesen wurde, muss man wieder umständlich ins Menü wechseln, diese von dort aus aktivieren oder die Tasten neu belegen.

Ebenfalls mangelhaft ist das Feedback der Gegner. Trifft man diese, wird oftmals nur eine Zahl, die den Schaden widerspiegelt, eingeblendet. Trefferanimationen sind so minimal, dass sie kaum ins Auge fallen. Taumeln oder Fallen tun Gegner nur, wenn ihr spezielle Zustände wie Unterbrechen, Niederwurf oder Schock ausgelöst werden. Fortgesetzt wird dieser ermüdende Trend bei den Animationen der Hauptfigur, die besonders in Kämpfen mangelhaft ausfallen. Hier sollte man eigentlich flüssige Übergänge erwarten, die eine Attacke in die nächste übergehen lassen, stattdessen sieht man jedoch oft ein und dieselbe Animation, die harsch gestoppt und unverzüglich beim ersten Frame der Animation neu gestartet wird. Welche Animationen abgespielt werden, scheint dabei recht willkürlich, denn sollte einmal die korrekte Animation folgen, sehen die  Übergänge durchaus geschmeidig und schön aus.

The Technomancer kampf

Mehr als fragwürdig ist auch die KI eurer Begleiter, die euch eigentlich unterstützen sollten. In meinem Durchgang stach dies besonders in Situationen heraus, in denen die gegnerische Horde sich auf Zacharia stürzt. Zacharia kämpft um sein Überleben, während seine Gefährten im Hintergrund, mit gezogener Waffe in Kampfhaltung die Gegner taxieren und augenscheinlich darauf warten von ihnen angegriffen zu werden, ohne selbst aktiv zu werden.

Weiter geht’s mit dem Schwierigkeitsgrad, der sprunghaft steigt und fällt. Hier findet man sich oft in Situationen wieder, in denen man einer ganzen Gruppe von Gegnern gegenübersteht, von denen jeder Zacharia in zwei Angriffen das Licht ausblasen kann. Auf der anderen Seite findet man Gegner, die anfangs schwer erschienen, gegen Mitte des Spiels aber mit nur einer Attacke ausgeschaltet werden können. Abgerundet wird das Ganze dann mit Bossen, auf die dasselbe Prinzip zu trifft – entweder reicht ein Angriff aus, um euer Abenteuer schlagartig zu beenden oder ihr überwältigt sie in nicht einmal zehn Sekunden.

Gut gelungen hingegen ist das Level-System. Hier darf man, sobald genug Erfahrung gesammelt wurde, Punkte in einer der vier Kampfstile stecken und so neue Fertigkeiten und passive Boni freischalten. Weiter geht es mit Talenten, die eure Begabung und Ausrüstungswahl beeinflussen. Möchtet ihr Messer nutzen, steckt ihr eure Punkte in Agilität, wer in Stärke investiert, verursacht generell mehr Schaden und darf dafür schwere Waffen nutzen, die jedoch langsamer sind und euch zu einem leichter zu treffenden Ziel machen. Des Weiteren darf man Punkte in Charisma, Wissenschaft und Handwerk stecken, die eure Skillchecks in Gesprächen beeinflussen und es erlauben eure Ausrüstung zu verbessern oder mehr Lebensenergie mit einem Heilgegenstand wiederherzustellen.

The Technomancer - Kampf 2

Geradezu tollpatschig ist dann aber wieder die Handhabung der Begleitergeschichten und Skillchecks in Gesprächen. Oft bekommt ihr die Möglichkeit geboten Quests ohne Kämpfe und stattdessen z. B. durch gute Argumentation zu lösen, hier kommen Charisma, Wissenschaft und Co. ins Spiel. Ist ein Skillcheck möglich, wird dies mit einem Prozentsatz angezeigt z. B. (Wissenschaft: 50%), ihr habt also eine 50%-Chance den Konflikt mit einer logischen Argumentation zu lösen. Schade jedoch, dass dies nicht konsequent genug durchgesetzt wird. Findet man sich in einer Quest wieder, in den man mehrere Personen derselben Gruppierung, die sich womöglich noch im selben Raum befinden, von etwas überzeugen muss, kann man hier bei einigen Skillchecks anwenden, während andere Personen euch diese Möglichkeit gar nicht erst geben. Hier bleibt dann nur die offene Konfrontation mit Waffen.

Zu den besten Quests zählen dabei die der Begleiter. Habt ihr einen bestimmten Freundschaftsgrad mit einem eurer Mitstreiter erreicht, wird dieser euch fragen, ob ihr ihm bei der Lösung eines Problems behilflich sein könnt. Amelia bittet euch z. B. den Aufenthaltsort ihres vermutlich verstorbenen Vaters ausfindig zu machen, der eines Tages nicht von seiner Marsexpeditionen wiederkehrt. Absolut unverständlich ist hingegen die Tatsache, dass diese Quests, nachdem sie abgeschlossen wurden, in absolute Vergessenheit geraten.

SPOILER!

Wie sich herausstellt, hat einer eurer Begleiter und früherer Freund von Amelias Vater, dessen Fahrzeug manipuliert. Amelias Vater wurde daraufhin von der Sonne zu Tode gekocht. Hier werdet ihr nun vor die Wahl gestellt, entweder Amelia davon abzuhalten Rache zu üben oder dies zu ermutigen. Redet ihr Amelia ins Gewissen, ist alles mit dem Beginn der nächsten Quest vergeben und vergessen, als ob nie etwas vorgefallen wäre.

SPOILER Ende!

Grafik und Sound

Grafisch sticht “The Technomancer” leider auch nicht wirklich heraus. Mit einer Auflösung von 1080p und einer bombenfesten Framerate von 30 fps kann man zwar von einer technisch gelungenen Umsetzung sprechen, aber abseits der teils seltsamen Kampfanimationen, hat es insbesondere die Gesichtsanimationen schwer getroffen, aus denen sich zum Beispiel Gefühle nur schwer erahnen lassen. Wenn Figuren sprechen, wird nur das Nötigste animiert, in diesem Fall der Mund, was unfreiwillig ein komisches Gefühl aufkommen lässt. Die Figuren erwecken dadurch eher weniger den Eindruck von lebenden Wesen, sondern eher den von seelenlosen Hüllen.

The Technomancer - Great Mantis

Auf der krassen Gegenseite haben wir dann die Welt und Monster, die durch ihr hervorragendes Design begeistern können, insbesondere Letzteres. Städte wurden hier nach einem Thema erstellt, das originell und konsequent beibehalten wird. Abundance ist z. B. ein hochtechnisiertes, dunkles Städtchen, das von einem riesigen Sonnenschild geschützt wird, während die geheime Händlerstadt Noctis ein in  Stein gehauenes, natürliches Versteck ist.

Besonders hervorsticht zudem das Kreaturen-Design, das nur so vor Kreativität und Details strotzt. Die Tierchen, die von den ersten Marssiedlern mitgebracht wurden, sind durch die ständige Sonneneinstrahlung stark mutiert und haben sich so der harschen Marslandschaft angepasst. Einige Mutationen lassen noch erahnen, welcher Erdrasse sie ursprünglich angehörten, andere wiederum sind so abstrakt, dass diese kaum noch etwas mit ihren Urvätern gemein haben.

Ebenfalls gut gelungen, oder zumindest in Teilen gut, ist die musikalische Untermalung. „The Technomancer“ kann mit einigen sehr stimmigen Musikstücken aufwarten, wenn man genau hinhört. Durchwachsen ist hingegen die Vertonung, die hier durchweg in Englisch präsentiert wird, aber mit passenden deutschen Untertiteln daher kommt. Leider hört man dabei zu stark heraus, dass einzelne Sprecher gleich mehreren Figuren ihre Stimme  geliehen haben. Viele Figuren haben eine nahezu identische Stimme und sind zudem etwas lieblos vertont. Wenn man in einem Moment mit einem Mutanten, mit rauen stimme und Akzent, spricht und danach eine Quest von einer älteren Dame, mit rauer Stimme aber ohne Akzent, annimmt, wird klar, wie klein der Sprecher-Pool hier gewesen sein muss.

Entwickler: Spiders
Publisher: Focus Home Interactive
Release: erhältlich
Offizielle Homepage: www.thetechnomancer-game.com

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Technomancer
TEST: The Technomancer – fantasievolle Welt voller Gameplay-Probleme
“The Technomancer” ist ein durchwachsenes Action-RPG, das gerade so über dem Durchschnitt liegt. Angefangen bei Kämpfen, die nie einen gesunden Mittelweg finden, über Animationen, die ruckartig abgespielt werden, bis hinzu Figuren-spezifischen Quests, die zwar interessant sind, aber für die weitere Handlung des Spiels in Vergessenheit geraten. “The Technomancer” fühlt sich trotz des interessantes Settings und dessen Potenzial leider etwas unfertig an, womit man wieder bei dem Punkt ist, dass man hier zwar ein Triple-A Spiel abliefern wollte, die Mittel und Ressourcen dies aber vermutlich kaum ermöglichten. Zumindest aber fasziniert die Welt an sich, sowie das teils sehr aufwendige Charakter-Design, insbesondere das der Monster. Ansätze und Design toll, Gameplay lässt zu wünschen übrig. Insofern sollte man abwägen, ob einem der Titel tatsächlich schon die vollen 60 EUR wert ist oder man bis zur ersten Sales Aktion abwartet.
6.1
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