Metacritic, einst der Goldstandard für Spielebewertungen, steht zunehmend unter Beschuss. Kritiker bemängeln, dass das Bewertungssystem des Review-Aggregators nicht mit der dynamischen Natur moderner Spiele Schritt hält. Ein Spiel wird oft zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung bewertet – und dieser erste Eindruck bleibt für immer bestehen, egal wie sehr das Spiel durch Updates und Verbesserungen nachträglich aufgewertet wird.
Lieber sicher als innovativ
Diese Problematik hat der Creative Director von „Dishonored“, Raphael Colantonio, kürzlich in den Fokus gerückt. In einem Beitrag auf der Plattform X prangerte er an, dass das „Metacritic-Ökosystem“, aber auch andere Plattformen wie OpenCritic, Entwickler dazu zwingt, sicheres, aber langweiliges Spieldesign zu bevorzugen. Da die Metacritic-Wertung oft über die Auszahlung von Boni entscheidet, entstehe ein Druck, eher auf eine fehlerfreie Veröffentlichung als auf kreative Risiken zu setzen.
„Solange ein Spiel beim Start poliert ist, sind Ihnen 80 % garantiert, egal wie langweilig das Spiel sein mag“, erklärte Colantonio. Spiele mit innovativen Konzepten, die womöglich zum Release noch nicht perfekt sind, würden hingegen gnadenlos abgestraft. Als Beispiel führt er das kürzlich veröffentlichte „Stalker 2“ an, das aufgrund seines problematischen Zustands beim Launch nur mittelmäßige Bewertungen erhielt. Obwohl Entwickler GSC Game World versichert hat, das Spiel durch Updates zu verbessern, bleiben die schlechten Kritiken haften – ein Schicksal, das viele Spiele teilen.
Colantonio sieht darin eine grundsätzliche Ungerechtigkeit: „Ein schlechtes Spiel ohne Fehler hat eine bessere Bewertung als ein großartiges Spiel mit Fehlern.“ Das sei weder fair noch repräsentiere es die Qualität des Spiels, insbesondere wenn dieses Monate später durch Updates erheblich besser wird.
Branchenweite Problematik
Das Problem liegt nicht nur bei Metacritic selbst, sondern auch bei den Gaming-Magazinen. Nur wenige Portale aktualisieren ihre Reviews nachträglich, obwohl viele Spiele nach Monaten oder Jahren ein völlig anderes Erlebnis bieten können. Dazu kommt, dass Metacritic nur eine handverlesene Auswahl an Magazinen berücksichtigt, was ohnehin nicht das gesamte Spektrum der Meinungen abbildet. Die User-Bewertungen, die theoretisch flexibler sein könnten, werden ebenfalls nur sporadisch angepasst.
Die Konsequenzen für Entwickler sind enorm. Der Fokus auf eine makellose Veröffentlichung bedeutet, dass kreative Risiken oft auf der Strecke bleiben. Spiele wie „No Man’s Sky„, die sich nach ihrem problematischen Launch enorm weiterentwickelt haben, sind die Ausnahme und nicht die Regel.
Die Lösung? Ein dynamisches System, das die Entwicklung eines Spiels über Zeit berücksichtigt. Alternativ könnten Spieler dazu ermutigt werden, sich abseits von starren Wertungen ihr eigenes Urteil zu bilden. Doch ob Metacritic bereit ist, sein altes System zu reformieren, bleibt fraglich. Klar ist nur: In einer Welt, in der Spiele nach ihrer Veröffentlichung kontinuierlich verbessert werden, ist ein statisches Bewertungssystem zunehmend ein Anachronismus.
Die Lösung ist ganz einfach: Eine Bewertung bezieht sich auf eine bestimmte Version. Dann kann man noch Metriken wie Durchschnittsbewertung, Differenz der aktuellen Version zur Releaseversion oder Durchschnitt der letzten drei Monate neben der Bewertung der aktuellen Version anzeigen, damit nicht eine neue Version veröffentlicht wird, die dann gut bewertet wird …
Warum können Spiele keine kreativen Risiken beinhalten UND trotzdem beim Verkaufsstart fehlerfrei sein? Das klingt ja so als würden sich die beiden Dinge ausschließen.
Ich seh No Mans Sky hier auch als schlechtes Beispiel: Das Spiel wurde bei Release nicht schlecht bewertet, weil die Qualität mies war, sondern weil man die Käufer in ganz erheblichem Umfang über Features belogen hatte, die es ihm Spiel gar nicht gab.