Nach „I Am Setsuna“ setzt der Entwickler „Tokyo RPG Factory“ ihre Entwicklung mit „Lost Sphear“ fort. Auch der RPG-Gigant Square Enix ist im Entwicklungsprozess wieder mit von der Partie. Doch was ist das Besondere an „Lost Sphear“? Wie im Vorgänger „I Am Setsuna“ handelt es sich um ein Rundenbasiertes RPG – dieses Genre hat niemand geringeres als „Square Enix“ damals mit Titeln wie „Final Fantasy“ oder „Chrono Trigger“ auf den Markt gebracht und eine lange Zeit dominiert. Heutzutage wird dieses Genre nicht mehr so oft bedient und gilt eher fast schon als Retro. Trotz dessen haben „Tokyo RPG Factory“ den Mut, die Genre-Liebhaber mit „Lost Sphear“ zu versorgen. Ob das Spiel den Anforderungen der Fans und RPG-Gamer gerecht wird, zeigen wir in unserem ausführlichen Test zu „Lost Sphear“ auf der PS4.
Plötzlich weg
Für Kanata könnte das Leben nicht schöner sein – in einem kleinen Dorf am Rande der Stadt lebt er mit seinen Freunden sorglos Tag für Tag. Doch eines Tages begibt er sich mit seinen Freunden auf einen kleinen Abstecher zum Ufer, um Fische zu angeln, als sein Dorf plötzlich komplett verschwindet und stattdessen ein gigantischer weißer Fleck übrig ist. Wir persönlich haben zuerst auf einen Meteoriten getippt, der eventuell herunterfällt und Kanatas heimisches Dorf zerstört. Immerhin scheint der Handlungsstrang aus einem 08/15-Anime zu stammen, zumal wir nach dem Verschwinden des Dorfes die „Auserwählten“ sind, die Erinnerungen und Gefühle sammeln, um die weißen Gegenden sowie die darin verschwundenen Menschen zurückzubringen.
Ihr merkt ja schon selbst, dass die Geschichte sich abstrakt und etwas fade anhört. So spielt sie sich auch, denn die erste Hälfte müssen wir uns durch diverse Gespräche durchklicken und viele unnötig platzierte Cutscenes anschauen, um überhaupt ansatzweise interessante Aspekte oder gar Plot-Twists zu entdecken. Unserer Meinung nach, gibt es im Spiel massenhaft überflüssige Dialoge und Stellen, an denen die Charaktere aufbrechen wollen und ihre Gespräche trotzdem noch 2 Minuten weiterführen, während man schon mit den Augen rollt und sich denkt, wann Kanata & Co. endlich aufbrechen können.
Dass Square Enix in der Entwicklung von „Lost Sphear“ beteiligt ist, wusste ich bereits vor dem Beginn meiner Reise im verlorenen Land. Allerdings hätte ich wirklich mehr Tiefe erwartet, was ich zum Beispiel von „Final Fantasy“ oder „Chrono Trigger“ her kenne. Stattdessen bekommen wir hier ausgiebig gute Ansätze, deren Potenzial aber viel zu oft auf der Strecke liegen bleibt.
Zurück zum Ursprung
Die rundenbasierten Kämpfe sind wahrlich genau das, worauf ich mich persönlich bei „Lost Sphear“ gefreut habe, als die ersten Gameplay-Szenen veröffentlicht wurden. Es ist ja auch so, dass das Genre vielmehr in die Action-Richtung geht, wie wir es bereits bei den letzten „Final Fantasy“-Ablegern gesehen haben. Der Genre-Gigant gibt somit immer die Richtung an, wohin sich das JRPG-Genre bewegt und das merkt man auf jeden Fall, wenn man Spiele wie „Star Ocean“, „Persona“ und andere Titel aus dem gleichnamigen Genre heran zieht. Viele Neuerungen gibt es seit „I Am Setsuna“ hier und da deutlich, vor allem, weil sich die Charaktere nun beim Anvisieren der Gegner bewegen lassen, was neue Strategien eröffnet und die Dynamik der Kämpfe deutlich erhöht.
Die Stärke unserer Kontrahenten nimmt zwar im Laufe des Spiels zu, allerdings habe ich das Gefühl gehabt, dass unsere Stärke ab einem gewissen Abschnitt so enorm hoch ist, dass die Monsterhorden überhaupt nicht mehr klar kommen. So ist der Ablauf der Kämpfe dann immer gleich und lässt sich sehr einfach beschreiben. Mit Distanzkämpfern visieren wir bereits am Anfang des Kampes möglichst viele Gegnern an, während die Nahkämpfer wie Kanata zufällige Monster angreifen können. Nach etwa ein paar Sekunden ist jeder Kampf schon wieder vorbei, wenn es sich nicht gerade um ein Boss-Fight handelt. Da haben wir speziell andere Probleme gefunden, die sich ebenfalls auf das Balancing auswirken. Vor allem aber haben manche Zwischenbosse solche starke Attacken, dass unser komplettes Team ausgelöscht wird. Dies geschieht zwar wirklich NUR aufgrund von einem Zufall und auch nur dann, wenn der Boss bereits am Anfang sofort seine Attacke einsetzt. Falls diese irgendwann gegen Ende kommt, sind wir bereits so gut darauf vorbereitet, dass sich der Kampf vom Ablauf her nicht besonders von normalen Monsterkämpfen unterscheidet.
Für die Charakterentwicklung haben wir standardmäßig Waffen und Ausrüstung, die wir in der gesamten Welt finden oder von in Städten erwerben können. Erwähnenswert wären die Skill-Sets für jeden Charakter, mit dem einzigartige Fähigkeiten wie Feuermagie usw. freigeschaltet werden und uns im ohnehin schon einfachen Kämpfen einen ungeheuren Vorteil bieten. Für Mecha-Fans gibt es sogar auch was zum Angucken, zumal unsere Helden ab einem gewissen Spielabschnitt die Steuerung über Roboter übernehmen können, um den Skill-Set komplett zu ändern und den Kampf viel leichter zu bewältigen. Die Punkte dafür können nur beim Schlafen in den Hotels aufgefüllt werden, weshalb der Einsatz ziemlich begrenzt und nur für stärkere Bosse vorgesehen ist.
Minimalistisch und doch irgendwie wunderschön
Hier und da benutzt „Lost Sphear“ Ansätze von der Cell-Shading-Optik, doch meistens beschränkt man sich nur auf die Vogelperspektive a la. „Diablo III“. Bei Dialogen werden lediglich die Texte aufgeblendet. Die Gesichter der Charaktere sind dabei verborgen und lassen und minimalistische Gesichtsausdrücke zu, die man bereits auf vielen Animes kennt.
Wer auf animierte Cutscenes hofft oder schön gezeichnete Szenen, der wird hier nicht fündig sein. Tokyo RPG Factory hält die gesamte Präsentation sehr minimalistisch, was man vor allem in den Umgebungen merkt. Wenn wir uns in den Wäldern oder außerhalb der Areale bewegen, merkt man wie wenig Details die Landschaft zu bieten hat und wie beinahe langweilig die Farben ausgewählt wurden.
Von der Performance her gibt es kaum Mängel – kaum Ladezeiten und flüssiges Gameplay, doch wie soll es auch bei so einem Spiel denn anders sein? Mir fehlen da einfach die Liebe im Detail und der Bezug zu den Charakteren, der aufgrund fehlender Grafiken in den Dialogen sehr schwierig ist.
ABER…
Wäre die musikalische Untermalung nicht gelungen, hätte ich die gesamte Präsentation als total misslungen gefunden, jedoch hat „Lost Sphear“ einen eindeutig gelungenen Soundtrack (Hörprobe) und wunderschöne Soundkulissen. Diese lassen sogar die minimalistische Welt doch irgendwie sympathisch erscheinen, so dass ich mir bis heute ziemlich unsicher bin, ob dieser Minimalismus nun gewollt ist oder nicht. Das müsst ihr nämlich für euch selbst entscheiden.