Cineastisch, Bildgewaltig und reichlich Action – das war ‚Tomb Raider‘ 2013, mit dem Square Enix und Crystal Dynamics ihre Kult-Heldin Lara Croft zurück in die Konsolen-Landschaft brachten und dabei trotz anfänglicher Skepsis über das Reboot fast auf ganzer Linie überzeugten. Bereits die PlayStation 3 Version zeigte vor rund einem Jahr auf, dass der neue Anstrich von Lara und der Serie schon längst überfällig war. Lara machte Drake damit mächtig Dampf unterm Hintern und während die Mannen von Naughty Dog ihren Dschungel-Helden derzeit noch aufpolieren, lässt man Crystal Dynamics den Vortritt auf PS4.
Genau genommen wurde die PS4-Version der ‚Tomb Raider: Definitive Edition‘ von Nixxes entwickelt – ein Jahr wurde weiter an Lara gehobelt, die Ressourcen der Next-Gen Konsolen angezapft und neue Features in den Mittelpunkt gerückt. Damit ist der Abenteurerdrang ins uns sofort wieder entfacht.
Seit Wochen steht die Frage im Raum, sind es grafische Updates und ein paar zusätzliche Features wert, ein Spiel erneut zum vollen Preis zu kaufen? Daran scheinen sich tatsächlich die Geister zu scheiden. In erster Linie zielt die ‚Definitive Edition‘ auf Tomb Raider Fans ab, die im vergangenen Jahr nur zögerlicher oder gar nicht zugegriffen haben, was zum Großteil sicherlich auch der Planungsunsicherheit im Hinblick auf die Next-Generation Konsolen zuzuschreiben war. Aber auch alle anderen, die das Spiel schon auf PS3 gesehen haben, sollten die ‚Tomb Raider: Definitive Edition‘ nicht einfach so an sich vorbei ziehen lassen.
Inhaltlich ändert sich absolut nichts an dem Spiel, bis auf ein zusätzlich verstecktes Grab, das in der ‚Definitive Edition‘ nun von jedem erkundet werden kann. Die Story führt euch erneut vor die japanische Küste und auf die Suche nach einer alten Königin, von der Lara bereits in den Kinderschuhen fasziniert war und dessen Geheimnis man aufdecken möchte. Nochmals erleiden wir einen Schiffbruch und geraten dabei in die Fänge von Kultanhängern. ‚Tomb Raider‘ überzeugt auch im zweiten Durchlauf durch eine grandiose und kinoreife Inszenierung, bei der ihr alles Hautnah miterleben könnt und die in Sachen Umsetzung sogar noch auftrumpft. Trotzdem bleiben einige Kritikpunkte von damals bestehen, wie die dominierenden Action-Parts, die zu schnelle Entwicklung von Lara Croft von der jungen Forscherin zum weiblichen Rambo oder einige Logikfehler, wie das zu schnelle Heilen von schweren Wunden. Zugunsten der kinoreifen Umsetzung bleibt das Erkunden riesiger Tempelanlagen oder das Lösen komplizierter Rätsel weiterhin und leider etwas auf der Strecke. Ergänzend hierzu empfehlen wir euch unseren PS3 Test zum Spiel.
Next-Gen oder nicht Next-Gen?
Nun kommen aber all die technischen Raffinessen und Verbesserungen zum Tragen, die im Gesamten ein noch stimmigeres und dichteres Gesamtbild erzeugen. Vordergründig sorgt die Auflösung von 1080p und die vier Mal höher aufgelösten Texturen für eine gestochen scharfe Optik, auch in Bewegungssituationen oder bei der Weitsicht. Zwar hatte die PS3-Version damals schon die Messlatte sehr hoch angesetzt, der Unterschied zur ‚Definitive Edition‘ ist jedoch von Anfang an spürbar. Ebenso das Anheben der Partikeleffekte, die laut Crystal Dynamics 15 mal zahlreicher vorhanden sind, lassen euch noch tiefer in diese düstere und teils recht brutale Welt eintauchen. Bereits das erste Gebiet im Dschungel wird hierdurch noch atmosphärischer – Nebelschwaden kreuzen euren Weg, Feuerpartikel umgeben euch in den Camps sowie sorgen die überarbeiteten und grandiosen Licht- und Schatteneffekte für ein noch authentischeres Feeling. Auffällig ist auch die Vegetation um euch herum, die ebenfalls deutlich dichter ausfällt und mit mehr Animationen glänzt. Betrachtet man zum Beispiel ein Strang Efeublätter auf einem Felsen, fühlen sich diese bald zum Greifen nahe an. Diese verbesserten Details ziehen sich durch das gesamte Spiel hinweg, vom Regen, der nicht nur einfach grob auf den Boden prallt, den Windböen, die viel feiner dargestellt werden, oder die beeindruckenden Zerstörungen, bis hin zu Lara Croft selbst.
Miss Croft hat man in der ‚Definitive Edition‘ besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet, wie man in den vergangenen Wochen schon ausführlich erfahren konnte. Als neues Sexsymbol bringt ihr die Kultanhänger zwar nicht um den Verstand, dafür ähnelt das Gesicht nun mehr den ersteren Entwürfen und wirkt noch jünger, die markanten Gesichtszüge wurden reduziert und Lara verfügt über mehr Emotionen und Nuancen, die sich direkt aus dem Gesicht ablesen lassen. Das gesamte Charaktermodell besteht aus deutlich mehr Polygonen sowie ist nun auch die TressFX-Technologie von AMD mit an Bord, wodurch das Haar feiner dargestellt wird und eine realistischere Physik aufweist.
Was hier aber wieder etwas störend auffällt ist, dass das Haar dadurch sehr strähnig wirkt, als wäre es permanent nass. Zudem stechen durch die feinere Darstellung ungeliebte Clipping-Fehler ins Auge. Ebenfalls etwas kritisch anzusehen sind die teils noch recht steif wirkenden Animationen, die nicht konsequent umgesetzten scharfen Texturen, die hier und da doch kleine Schönheitsfehler aufweisen, oder die teils noch sehr plastisch wirkende Haut von Lara oder den Umgebungen. Insbesondere offene Wunden wirken an Lara nicht gerade Glaubhaft. Vielmehr auffällig ist aber wie schon auf der PS3, dass Lara offenbar allen Regeln der Physik trotzen kann, eigentlich viel zu große Abgründe ohne Probleme überwindet oder sich im freien Fall neu ausrichten kann. Hier gibt man dem Spieler etwas zu viel Freiraum, anstatt einem mit der Konsequenz „mach es besser, sonst stirbst du“ zu konfrontieren. Hier zeigt sich, dass immer noch Spielraum vorhanden ist, sich zu verbessern und die Authentizität noch weiter zu fördern, auch wenn man im Gesamten sagen kann, dass man für einen Port eine erstklassige Umsetzung bekommt.
Next-Gen Spielereien
Nun ging es nicht nur um grafische Updates bei der ‚Definitive Edition‘. Mit dem DualShock 4 Controller und der PS4 Kamera kommt zumindest ein wichtiges Tool hinzu, das euch unter Umständen das Leben im Dschungel retten kann. Die PS4 Kamera ist wohl die sinnvollste Erweiterung, die nun auch Sprachbefehle entgegennimmt. Das ist bei der Waffenauswahl sehr hilfreich, denn anstatt zu überlegen, auf welcher Belegung die gewünschte Wumme liegt, reicht es aus zu sagen: „Handgun“ oder „Firebow“ und Lara greift sich daraufhin das gewünschte Tool. Insbesondere in hektischen Kämpfen hat mich das schon vor dem einen oder anderen Versagen bewahrt. Auch die Karte oder das Menü lassen sich so viel leichter aufrufen. Bequemlichkeit par excellence, die ich gar nicht mehr missen möchte.
Was die hochgelobte Implementierung der Lightbar des DualShock 4 Controller angeht, darüber kann man sich wohl streiten. Wirklich Sinn macht diese wohl nur, wenn das Zimmer um einen herum komplett abgedunkelt ist und keine andere „störende“ Lichtquelle auf euch einwirkt. Vom Spielen tagsüber ganz zu schweigen. Andernfalls bemerkt man die Lightbar nur dann, wenn diese bei einem Schuss für einen kurzen Moment aufs Maximum aufblitzt, aber selbst dann wurde man eher davon abgelenkt. Alle anderen Farbnuancen, wie etwa der Gesundheitszustand von Lara, sind kaum bis gar nicht wahrnehmbar und dienen bestenfalls dazu, den Controller-Akku schneller in die Knie zu zwingen. Das ist aber ein Problem, das nicht nur die ‚Tomb Raider: Definitive Edition‘ mit sich bringt, sondern bald schon jedes PS4-Spiel.
Was für mich ein echtes Next-Gen Feature auf PlayStation 4 ist, nennt sich ‚Interactive‘, von dem Sony schon ganz am Anfang bei der Vorstellung der PS4 gesprochen hat und was eindrucksvoll auf der gamescom von Sony´s Shuhei Yoshida präsentiert wurde. Die ‚Tomb Raider: Definitive Edition‘ ist eines der ersten Spiele, das davon Gebrauch macht und es einem anderen Spieler erlaubt, euch direkt beim Spielen zuzusehen und zum Beispiel an schwierigen Stellen direkt einzugreifen oder Tipps zu geben.
Positiv auffallend ist auch die Soundumsetzung, die ich in der PS3-Version damals nicht ganz so optimal fand. Ob es nun an der PS4 selbst liegt oder daran, dass ich diesmal die englische Version gespielt habe, kann ich nicht beurteilen. Die Musik und der Sound wirken deutlich brachialer, einzelne Soundpassagen kommen besser zur Geltung, wie das Main-Theme des Spiels, sowie man macht reichlich Gebrauch von den Surround-Lautsprechern. Insbesondere in Feuergefechten kracht und knallt es nur so um euch herum, wenn man den Abzug betätigt. Quasi mittendrin statt nur dabei!
Entwickler: Crystal Dynamics / Nixxes
Publisher: Square Enix
Release: 31. Januar 2014
Offizielle Homepage: www.tombraider.com
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