Immer wenn man gerade denken könnte, dass endlich genug über das Thema Pay-to-Win gesprochen wird, ist das Jahr dann doch irgendwie wieder vorbei und der nächste FIFA-Ableger steht an, in dem Fall FIFA 23.. Vielen wird es da jedes Jahr so wie mir gehen und die altbekannte Hassliebe findet ihren Weg an die emotionale Oberfläche.
So ist es schon Routine geworden sich beim Start der Web-App in den neuen Teil hineinzuarbeiten, sich dann voller Euphorie in die ersten Spiele zu stürzen und nach ein paar Wochen zu merken, dass einen das Gameplay dann doch wieder furchtbar aufregt und die Glücksspiel-Thematik in diesem Franchise ihren unrühmlichen Meister gefunden hat. Am Ende kann zumindest ich dann doch immer relativ genau sagen, ob das nun ein guter oder eben ein schlechter FIFA-Teil war. Welche der beiden Optionen zutrifft und wie sie sich begründen lässt, erfahrt ihr hier in unserem Test zu FIFA 23.
Manches bleibt für immer
Bevor wir uns dem eigentlichen Spiel widmen, muss hier direkt ein Punkt angesprochen werden, der mir zu Beginn sofort sauer aufstieß. Dass sich das Spiel auf der PS5 äußerlich und was die Performance angeht, deutlich von der PS4 unterscheidet kann natürlich sein, das muss es wahrscheinlich auch. So weit man bisher blicken konnte sind die Unterschiede sogar teils so gravierend, dass hier wahrscheinlich ein eigener Test hermüsste. Dass im Jahre 2022 aber immer noch kein Old-Gen-Next-Gen-Crossplay möglich ist und das bei der schier unendlichen Anzahl an Spielern, die noch an keine PS5 gekommen sind, grenzt schon an einer Frechheit. Wieso man hier bei der aktuellen Lage keinen Weg gefunden hat bzw. finden wollte, um wenigstens Playstation-Spieler mit unterschiedlichen Konsolen-Generationen miteinander spielen zu lassen und damit eine klare Abgrenzung schafft, sollte wohl den aller meisten ein Rätsel bleiben. Ob diese Option noch zu späterer Zeit folgen wird oder nicht, die interessanteste Zeit eines jeden FIFA-Teils mussten PS4 und PS5-Spieler auch in diesem Ableger getrennt voneinander erleben.
FIFA 23 wartet mit einiger guter neuer oder verbesserter Technik auf und trotzdem schlägt einem hier und da die volle Ladung Unausgereiftheit entgegen. Es sind mal wieder die merkwürdigen Kamera-Bugs, die Menü-Lags und die Gameplay-Totalausfälle (vor allem bei Torhütern) die es einem oft sehr schwer machen, nicht das ganze Zimmer kurz und klein zu schlagen. Wie viel von dem ganzen Schwachsinn, der innerhalb der 90 Minuten in diesem Spiel passiert, im Hinblick auf „Scripted Gameplay“ tatsächlich Zufall ist, wird wohl auch in diesem Teil wieder die Geister scheiden. Wenn man aber im neuen Momente-Modus zum hundertsten Mal den Pass spielt, der verlangt wird und man alles neustarten muss damit es vielleicht dann doch irgendwann man gezählt wird, fragt man sich durchaus auch, ob eigentlich irgendwer von EA Sports das Spiel auch mal angetestet hat.
Viel Neues, viel Gutes
Wenn wir schon beim neuen Momente-Modus sind, dann können wir hier ja auch kurz bleiben. Hier hat man nämlich die Möglichkeit, innerhalb bestimmter Spiel-Szenarien verschiedene Aufgaben zu lösen, um dafür dann eine neue Währung zu erhalten mit der man wiederrum Packs oder andere Dinge kaufen kann. Ähnlich wie z.B. die Michael Jordan Karriere vom diesjährigen NBA 2K-Ableger, kann man auch gewisse Momente von Kylian Mbappe’s oder Jürgen Klopps Karriere nachspielen und sich durch ihre Augen an die Spitze des Fußballs kämpfen. Ein richtiges Suchtpotenzial hat dieser Modus zwar insgesamt nicht, jedoch ist das ein netter Zeitvertreib und ein gutes Zeichen dafür, dass EA Sports vielleicht doch gewillt ist, ein wenig Liebe in die Gelddruckmaschine zu stecken.
Doch nicht nur ein neuer Modus sorgt für frischen Wind, auch im Spiel selbst hat sich einiges getan. Flüssigere und realistischere Animationen durch die neue „Hypermotion2“-Technologie, eine wesentlich realistischere Umsetzung von z.B. Rasen & Tornetz, 4K-Auflösung und die möglichen 60 FPS sorgen alle für ein frisches und spaßiges Spielgefühl. Neben der Tatsache, dass die Physik von Ball und Spieler sich so an die Realität angepasst hat, dass man viel taktischer und mit Bedacht spielen muss, wurden auch die sogenannten „Power-Shots“ hinzugefügt. Diese sind nur sehr dosiert und klug einzusetzen, da sie in ihrer Ausführung eine halbe Ewigkeit brauchen, dafür aber sehr effektiv sind. Diese Neuerung gibt eine sehr spaßige und taktische Komponente dazu und ist genau die Art von Idee, die man sich von EA Sports schon früher gewünscht hätte.
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Natürlich ist nicht jede Neuerung ein Griff ins beste Regal und so hat es sich EA Sports natürlich wieder nicht nehmen lassen, die Mechanik der Standartsituationen zum gefühlt millionsten Mal völlig über Bord zu werfen und den Spielern eine ganz neue und „mega intuitive“ Art Freistöße, Ecken und Elfmeter auszuführen an den Kopf zu werfen. Was dieser Blödsinn eigentlich soll, wurde leider nie erklärt und so muss man sich, nachdem man sich schon mehrfach an neue Mechaniken gewöhnt hat, erneut an eine Art und Weise der Standards gewöhnen, die vieles tut, aber sicherlich nicht Standards verbessert.
Neben den Standards wurde mit FIFA 23 auch ein komplett neues Team-Chemie-System für den Ultimate-Modus eingeführt. Auch hier ist sich die Spiel-Gemeinde relativ uneinig und auch ich selbst bin zwiegespalten. Zum einen bin ich unsicher, ob diese Änderung wirklich ein Fortschritt ist und auch ein wenig angestrengt von der Umgewöhnung, zum anderen bietet dieses neue System aber neue Möglichkeiten für sehr kreative und gemischte Teams. Hier hilft auch die Tatsache, dass die Modifikation von Positionen nun auch gänzliche Änderungen bei den einzelnen Spielern hervorrufen können.
Da ist ein bisschen FIFA in deinem Ultimate-Team-Modus
Auch dieses Jahr bremst EA den Trend des UT-Fokus nicht aus und so kommen alle Modi, die nicht mit dem UT-Kosmos zusammenhängen deutlich zu kurz. Wir wollen die Opfer dieser unendlichen Geldquelle natürlich nicht unerwähnt lassen, daher noch ein paar kurze Worte zu den anderen Modi, bevor es dann um Ultimate Team geht.
Der Karriere-Modus ist im Vergleich zur Version aus dem letzten Jahr so gut wie gar nicht überarbeitet worden und lässt damit die nicht kleine Anzahl an langjährigen Karriere-Modus-Fans ganz klar im Regen stehen. Ähnliches gilt für den VOLTA-Modus, der Unterschied ist hier aber, dass dieser eh keinen interessiert. Was wiederum sehr viele Menschen interessiert und erneut eine kleine bis mittelgroße Enttäuschung sein dürfte ist der Pro-Club-Modus. Der macht zwar wie jedes Jahr immer noch viel Spaß, nachdem aber nun seit Jahren die Stimmen der Fans ignoriert werden und sich eher beiläufig um den Modus gekümmert wird, ist man versucht die Hoffnung auf das ganze Potenzial, was hier eigentlich noch drinsteckt aufzugeben und einfach still die immer wieder selben Abläufe weiter abzuarbeiten.
Auch bei den regulären Saison-Spielen hat sich rein gar nichts getan, diese haben aber auch an sich eine geringe Relevanz. Fehlt also nur noch der WM-Modus, der… äh, ne doch nicht, der kommt noch, also, irgendwann halt. Aber hey, immerhin haben wir richtige Frauenfußball-Mannschaften! Also zwar nur in Offline-Spielen und Online-Saisons und auch nicht im Karrieremodus und bei einigen Mannschaften hat es halt nicht jeder mit einem gescannten Spielergesicht hinein geschafft, aber der Wille (oder der PR-Wert) zählt!
Die Goldgrube
Ganz am Ende sind wir dann doch da angekommen, wo in FIFA 23 wirklich die Musik spielt. Bereits aufgegriffen haben wir an dieser Stelle schon den neuen Momente-Modus, den ich durchaus etwas abgewinnen kann. Außerdem haben wir über das völlig neue Team-Chemie-System und die verändertet Positionsmodifikatoren gesprochen. Noch nicht erwähnt hab ich hier aber unter anderem noch die verschiedenen Sprinttypen, die jetzt neu hinzugefügt wurden. Hierbei handelt es sich um 3 Varianten (Explosiv, Anhaltend, Kontrolliert), die sich nicht nur unterschiedlich auf das Sprintverhalten der Spieler im Spiel auswirken, sondern auch durch die altbekannten Chemistry-Styles verändert werden können. Ob das wirklich eine fördernde Änderung ist oder aber innerhalb kürzester Zeit zu jeder Variante eine Konter-Variante bekannt ist und sich dieses ganze System neutralisiert bleibt abzuwarten.
Bevor wir mit dem riesigen Pay-to-Win-Aspekt den ganz großen Elefanten im Raum abhandeln, möchte ich sehr lobend erwähnen, dass FIFA 23 zumindest in den Squad-Building-Challenges einen größeren Fokus auf nicht tauschbare Spieler gelegt hat. Dies spornt nicht nur dazu an den Versuch zu starten, sich ohne monetäre Hilfe ein gutes Team aufzubauen, es beruhigt auch den Markt von Anfang an enorm und lässt den ganzen Modus vor allem in seiner hektischen Anfangs-Zeit sehr entspannt und damit auch spaßiger wirken. Ein höherer Wert auf Belohnungen, die man sich in irgendeiner Form selbst erspielen kann, ist in Zeiten von an jeder Ecke lauernden In-Game-Kaufen fast schon so etwas wie ein Segen.
Nun, was soll man eigentlich noch zu dem Lootbox-System sagen. Ich habe durchaus das Gefühl, dass die Stimmen, die sich kritisch zu käuflichen Vorteilen äußern immer lauter werden und doch zeigt EA Sports Jahr für Jahr, wie egal ihnen eben diese Stimmen sind und wie gnadenlos sie ihre Geldgier ausleben können, nicht zuletzt, da sowohl Spieler als auch Influencer das Ganze bis ins Unermessliche befeuern. Von Glücksspiel unterscheidet sich das ganze zumindest nicht wirklich und wenn man betrachtet, dass die Möglichkeit sein Geld zurückzubekommen oder gar welches zu gewinnen nicht einmal vorhanden ist, würden nicht wenige wahrscheinlich das hier als noch bedenklicher einstufen. Ultimate Team macht auch dieses Jahr wieder enorm Spaß und hat enormes Suchtpotenzial, der Druck In-Game-Käufe zu tätigen, die wirklich brillante Arbeit des Psychologen-Teams bei EA-Sports und das maßlose Ungleichgewicht zwischen jenen, die Geld ausgeben und denen die es nicht tun, wirft dennoch Jahr für Jahr einen größeren Schatten und ist schon lange an dem Punkt angekommen, an dem man in der Spiellandschaft von einem richtigen Problem reden kann.