Die Figur des Indiana Jones ist mehr als nur ein Filmcharakter – sie ist ein Symbol. Ein Mythos, der Generationen von Abenteurern geprägt hat, der Kino-Geschichte geschrieben hat und dessen ikonischer Hut und Peitsche längst zum kulturellen Allgemeingut geworden sind. Mit Indiana Jones and the Great Circle bringt Machine Games den Archäologen mit dem schnellen Mundwerk nun in die moderne Gaming-Ära – ein mutiger Schritt, vor allem angesichts der großen Vorbilder wie Uncharted oder Tomb Raider, die längst das Abenteuer-Genre in der Videospielwelt neu definiert haben.
Doch wie schlägt sich der Hutträger in einem Medium, das sich mehr denn je über Gameplay, Freiheit und visuelle Exzellenz definiert?
Zwischen Peitsche und Pistole
Die Handlung von Indiana Jones and the Great Circle wirkt auf den ersten Blick wie aus einem der alten Filme entnommen: Indiana Jones jagt ein mächtiges Artefakt, diesmal den geheimnisvollen „Großen Kreis“, während ihm ein fanatischer Nazi-Archäologe, Emmerich Voss, dicht auf den Fersen ist. Die Geschichte führt uns dabei quer durch die Welt – von der düsteren Vatikanstadt über staubige ägyptische Ruinen bis in verschneite Höhen Tibets.
Was wie ein klassischer Indy-Plot beginnt, wird durch filmreife Zwischensequenzen, dichte Atmosphäre und authentisches Voice-Acting zu einer glaubwürdigen, wenn auch nicht besonders überraschenden Geschichte. Die Handlung lebt vor allem vom Charme der Hauptfigur, dem feinen Humor und der Spannung, die durch gezielte Dramaturgie entsteht – weniger durch narrative Innovation.
Ein leiser Held in lauter Zeiten
Entgegen vieler Erwartungen präsentiert sich Indiana Jones and the Great Circle nicht als klassischer Actionkracher. Statt Explosionen im Dauerfeuer gibt es hier leise Takedowns, vorsichtige Erkundung und kreative Improvisation. Die Ego-Perspektive verstärkt dabei das Gefühl, wirklich in Indys Stiefeln zu stecken – eine mutige Designentscheidung, die nicht jedem gefallen dürfte, aber das Gefühl von Nähe und Präsenz verstärkt.
Anders als in der Uncharted-Reihe von Naughty Dog wird hier nicht geschossen, was das Magazin hergibt. Waffen sind laut, auffällig und in vielen Situationen eher kontraproduktiv. Stattdessen fordert das Spiel eine durchdachte, schleichende Herangehensweise. Gegner mit einer antiken Vase außer Gefecht zu setzen oder mit gezielten Schlägen aus dem Schatten zu eliminieren, fühlt sich nicht nur abwechslungsreich an, sondern passt auch hervorragend zum Charakter von Dr. Jones – einem Mann, der nie der klassische Rambo war.
Improvisation statt Ballerei
Die Kämpfe in Indiana Jones and the Great Circle basieren auf dem Prinzip: Nutze, was du hast – oder was du findest. Stühle, Peitschen, Werkzeuge, antike Musikinstrumente – alles kann zur Waffe werden. Dieses System der kreativen Improvisation macht Spaß und belohnt Aufmerksamkeit. Wer sich umsieht, wird belohnt. Wer blind drauf losstürmt, bekommt schnell die Konsequenzen zu spüren.
Hinzu kommen Elemente, die an moderne Stealth-Titel erinnern: Gegner können abgelenkt, überwältigt oder aus dem Hinterhalt ausgeschaltet werden. Hier fühlt sich das Spiel fast wie eine Mischung aus Assassin’s Creed und Dishonored an – nicht im Umfang, aber in der Philosophie.
Ein besonderes Highlight: Die Peitsche, die mehr ist als nur ein Gimmick. Sie dient nicht nur zur Fortbewegung, sondern auch zur Entwaffnung, zum Lösen von Rätseln oder zum Erschrecken von Feinden – ein echter Alleskönner im Arsenal von Indy.
Starke Welt, schwache Rätsel
So beeindruckend die Welt auch ist – grafisch und atmosphärisch hat das Spiel einiges zu bieten –, so enttäuschend sind leider viele der Rätsel. Während man sich bei einem Indiana-Jones-Spiel auf knifflige Fallen, clevere Kombinationsaufgaben und herausfordernde Denkspielchen freuen würde, bleibt vieles zu simpel, zu linear und zu offensichtlich.
Oft reicht es, ein paar Symbole in der richtigen Reihenfolge zu aktivieren oder den offensichtlichen Weg zu gehen. Die Lösung liegt meist im selben Raum oder zumindest in direkter Umgebung und wird erfahrenen Lara Croft-Fans wenig abverlangen. Das nimmt dem Spiel ein Stück der Faszination, die man aus den Filmen kennt: das Gefühl, dass jeder Schritt auch eine Falle sein könnte, jeder Schalter eine Entscheidung zwischen Leben und Tod.
Ein weiterer Schwachpunkt: Die angeblich offene Spielwelt. Zwar bewegen wir uns in größeren Arealen, die auf den ersten Blick zum Erkunden einladen, doch oft stoßen wir auf verschlossene Türen, unsichtbare Mauern oder geskriptete Events, die uns in engen Bahnen halten. Freiheit wird hier mehr suggeriert als tatsächlich gelebt. Das kann frustrierend sein – vor allem für Spieler, die sich nach dem Gefühl echter Entdeckung sehnen. Zu oft hat man das Gefühl, durch ein schönes Museum geführt zu werden, statt selbst zum Entdecker zu werden.
PS5 Pro: Wo Indy am besten glänzt
Was jedoch nicht zu leugnen ist: Auf der PS5 Pro zeigt das Spiel, wozu es in der Lage ist. Die grafischen Verbesserungen sind deutlich spürbar – hochauflösende Texturen, butterweiche Framerates, beeindruckende Licht- und Schatteneffekte sowie eine fein abgestimmte Soundkulisse machen das Erlebnis auf der Sony-Konsole zum audiovisuellen Hochgenuss. Hier zeigt sich, dass sich das Upgrade auf die PS5 Pro mal wieder richtig gelohnt hat.
Besonders hervorzuheben ist die Integration der DualSense-Features. Jeder Peitschenhieb, jeder Faustschlag, jedes uralte Zahnrad, das sich ächzend in Bewegung setzt, ist in den eigenen Händen spürbar – ein Erlebnis, auf das ich auf der Xbox-Version zuvor komplett verzichten musste und was meiner Meinung nach noch einmal einen deutlichen Unterschied ausmacht. Das haptische Feedback und die adaptiven Trigger sorgen für eine spürbare Tiefe, die weit über visuelle Reize hinausgeht. Die Lichtleiste des Controllers synchronisiert sich sogar mit Indys Gesundheitszustand und dem Alarmlevel – ein kleines Detail, das zeigt, wie viel Liebe Machine Games in diese Umsetzung gesteckt hat.
Neben der grafischen Aufwertung wurden auch Gameplay-Inhalte exklusiv für die PS5 Pro erweitert. Die erwähnte Peitsche erhält neue Funktionen: Gegner entwaffnen, Waffen weiterverwenden oder die Umgebung manipulieren – all das bringt frische Dynamik ins Spiel. Neue Fähigkeiten wie „Jagdsaison“, bei der Gegner nach einem Angriff länger orientierungslos bleiben, fügen taktische Tiefe hinzu. Es sind nicht die großen Innovationen, aber viele kleine Erweiterungen, die das Spielgefühl runder und vielseitiger machen.