Eine Geschichte, die so oder so ähnlich schon mal erzählt wurde, plus ein Best-Of von dem, was man in vielen anderen Spielen und Filmen erleben konnte. So könnte man The Callisto Protocol, das erste Projekt von Striking Distance Studios, zusammenfassen. Der Survial-Horrortitel, der von den ursprünglichen Dead Space-Machern stammt, galt für mich als eines der Highlights in diesem Jahr, ließ mich letztendlich aber etwas unbefriedigt zurück. Warum? Das erfahrt ihr im nachfolgenden Review.
Eine allzu vertraute Sci-Fi Story
Die Handlung dreht sich um den Piloten Jacob Lee, der das gefürchtete Black Iron Prison auf dem Mond ansteuert. Eine Strafkolonie, in der die schlimmsten Verbrecher eingesperrt werden. Fast schon zu erwarten, stürzt das Raumschiff von Jacob über dem Mond ab und er selbst findet sich als Gefangener in einer Zelle wieder, ohne die genauen Gründe dafür zu kennen. Was ist also zu tun? Zunächst einmal aus dem Gefängnis entkommen, in dem ziemlich unheimliche Dinge vor sich gehen und in welchem die meisten Insassen schon tot sind. Nur einige mutierte Häftlinge und Wärter irren noch in den dunklen Gängen umher, während man sich über die verschiedenen Ebenen schleppt und versucht, einen Ausweg zu finden.
Dass die Flucht aus dem Gefängnis nicht das ultimative Ziel ist, wird einem etwa nach dem ersten Drittel klar, nachdem der Satz: ‘Das Callisto Protocol muss fortgesetzt werden’ fällt. Ab dem Zeitpunkt war irgendwie absehbar, worum es in der Story geht und wie erwartet, wird man in dem Punkt auch nicht enttäuscht. Die Story von The Callisto Protocol ist an sich nicht schlecht, wurde so ähnlich aber schon hundert Mal irgendwo anders erzählt. Ich möchte hier gar nicht so sehr ins Detail gehen, aber der wirkliche Überraschungsmoment blieb für mich bis zuletzt aus. Ja, die Story unterhält, ist aber alles andere als neu oder überrascht mit einer unvorhersehbaren Wendung.
Das liegt zum Teil auch an den Charakteren, die gefühlt einfach nur da sind, um da zu sein. Bis auf oberflächlichen Smalltalk erfährt man nicht sehr viel über diese, außer was ihre Aufgabe ist oder das irgendwas Überraschendes mit ihnen passiert. Eine wirkliche Verbindung baut man also nie wirklich zu diesen auf und so ist es mir auch irgendwie egal, dass Jacob nun schon zum hundertsten Male stirbt.
Sicher handelt es sich bei The Callisto Protocol um kein RPG, weshalb auch so etwas wie Charakterentwicklung kaum stattfindet. Man ist am Ende der Gleiche, der man auch am Anfang war – nur eben um diese brutale Erfahrung reicher. Das haben Spiele wie Uncharted oder Star Wars Jedi auf Anhieb besser gelöst, wo einem die Charaktere im Laufe des Spiels alleine durch ihre Persönlichkeit zumindest wichtig wurden.
Uuund Action!
Ihr wollt Horror? Den bekommt man in The Callisto Protocol, wenn auch mit einigen Abstrichen. Striking Distance sagt zwar selbst, dass ihr im Grunde eigenes Baby – Dead Space – die große Vorlage für The Callisto Protocol war, die Definition von Horror hat sich seitdem jedoch stark verändert. Ich weiß noch, wie gruselig es damals war, durch die klaustrophobischen Gänge der USG Ishimura zu trotten, immer mit der Angst im Nacken, was wohl hinter der nächsten Ecke sein könnte oder nicht. Das würde auch wunderbar in The Callisto Protocol funktionieren, wenn man sich nur ein bisschen zurückgehalten hätte. „Weniger ist mehr“ trifft es in diesem Fall sehr gut.
Der gesamte Schauplatz auf dem Mond, das Gefängnis, der Untergrund, die Gegner und Atmosphäre sind an sich wirklich Klasse umgesetzt und bringen ein enormes Horror-Potenzial mit sich. Jedoch fährt man hier so viel gleichzeitig auf, dass die gruselige Stimmung irgendwann abhanden kommt. Ein psychologischer Aspekt möchte sich einfach nicht einstellen, wenn alle paar Meter irgendetwas wie der berühmte Springteufel aus der Wand oder dem Boden hüpft. Man ist schon fast enttäuscht, wenn mal so rein gar nichts passiert, obwohl man genau diese Momente genießen sollte. Es gibt sie natürlich auch, aber die generelle Erwartungshaltung im Laufe des Spiels macht einem in dem Fall einen Strich durch die Rechnung.
Das ‘weniger ist mehr’-Prinzip hätte für meinen Geschmack jedenfalls besser in The Callisto Protocol funktioniert, als dieses ‘mehr, mehr, mehr’, bei dem Ruhepausen und sich mal ein wenig Erden kaum möglich sind. Die größte Angst bestand letztendlich darin, dass man scheitern wird und den Abschnitt entweder gelangweilt oder noch mehr angespornt zum zwanzigsten Male wiederholen muss – je nachdem, inwiefern einen solche Situationen motivieren oder frustrieren.
Intensiv, brutal & nichts für schwache Nerven
Dass The Callisto Protocol gar nicht so sehr der Horrortitel ist, der er vielleicht sein wollte, zeigt sich nicht nur an den ständigen Konfrontationen, die Action und die großen Showeinlagen untermauern dies offensichtlicher als alles andere. Hier wird wirklich alles in Szene gesetzt, was man zu zeigen hat – vom ersten Zuschlagen bis zu den teils ekligen Tötungsanimationen. Wenn einem der Kopf zur Hälfte abgerissen wird, während anschließend das Gehirn raus blubbert, da würde selbst Mortal Kombat vor Neid erblassen. Und die Kamera natürlich immer draufgehalten.
Gerade die Nahkämpfe sind das, was The Callisto Protocol so anders und besonders macht, da eine Waffe nicht immer die erste Wahl ist, die auf Anhieb funktioniert. Hat man das verinnerlicht, machen die Auseinandersetzungen wirklich Spaß und hinterlassen ein ziemlich befriedigendes Gefühl, wenn der Gegner mit dem finalen Schlag zu Brei verarbeitet wird. Grundsätzlich weicht man gekonnt aus oder blockt die Angriffe, um dann mit einem saftigen Konter zurückzuschlagen. Führt man eine solche Kombo perfekt aus, lässt sich auch mal eine Waffe ziehen und etwas Blei im Gegner versenken. Kniffliger wird es schon, wenn man den perfekten Moment verpasst und bestimmte Gegner zu den gefürchteten Biophages mutieren (die Dinger mit den Tentakeln), die nochmals deutlich stärker und resistenter sind. Kommen dann – und das nicht selten – noch weitere Gegner hinzu, ist die eigene Niederlage quasi besiegelt, zumal Gegner selten nach dem gleichen Muster vorgehen. Bis jetzt ist nicht erkennbar, warum einige einen sofort töten können, wo auf der anderen Seite ein Quick-Time Event gestartet wird. Hinzu kommt, dass es auch mal schnell sehr unübersichtlich werden kann.
Es gibt wenige Abschnitte, die man auf Anhieb meistert, was insbesondere für den psychiatrischen Trakt gilt. Jeder Kampf hat aber auch eine Lernkurve, um sich für den nächsten Anlauf eine neue Strategie zu überlegen. Es kann durchaus frustrierend sein, wenn sich überhaupt kein Ansatz finden lässt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ich letztendlich schon auf leicht gespielt habe und trotzdem immer wieder gescheitert bin.
Erschwerend kommt hinzu, dass man die Detailverliebt auf absolut alles anwendet und Dinge so unnötig verkompliziert. Selbst das eigene Heilen wird aufwendig in eine Animation verpackt, was es oft unmöglich macht, in den teils chaotischen Kämpfen darauf zurückzugreifen. Auch das Wechseln und Nachladen der Waffen wird wie in einem Akt geradezu zelebriert und ist für meinen Eindruck zu langwierig gestaltet.
Alles in allem wirken die Kämpfe derzeit noch recht unausgeglichen. The Callisto Protocol verfolgt hier sicher einen spannenden Ansatz, der etwas anders ist, verliert sich dabei aber auch zu sehr im Detail, was es wieder zum Nachteil werden lässt. Immerhin, mit Schleich-Optionen, der Umgebungsnutzung, bei der man Gegner in Stachelwände oder Ventilatoren mittels der Geheimwaffe GRP werfen kann, gibt es immer noch genug Optionen und Abwechslung, eine bestimmte Taktik lässt sich so aber nicht grundsätzlich erkennen – vielleicht auch so gewollt?
The Callisto Protocol zeigt, was die PS5 drauf hat
So sehr ich von der inhaltlichen Umsetzung von The Callisto Protocol eines Besseren belehrt wurde, muss man ohne Zweifel anerkennen: technisch ist der Titel mit das Schönste, was ich in dieser Generation gesehen habe. Sicherlich nicht perfekt, was insbesondere die etwas schlichten Charaktermodelle von Jacob & Co. betrifft, das Setting löst aber regelmäßig großes Staunen aus. Ob nun im Gefängnis selbst, auf der stürmischen Mondoberfläche oder in den unterirdischen Strukturen – hier zeigt die PS5, was sie wirklich drauf hat. Nicht zuletzt wohl auch, da Sonys Visual Arts-Team einen großen Beitrag dazu geleistet hat.
Die Atmosphäre stand bei Striking Distance definitiv hoch im Kurs, von der man in allen Formen sprichwörtlich umarmt wird. Ob man nun durch die kühlen Gänge des Gefängnisses wandert, durch die stinkende Kanalisation kriecht oder im hypermodernen Control-Tower unterwegs ist – es fühlt sich zu jederzeit so an, als wäre man selbst vor Ort. Zu keinem Zeitpunkt wird mit aufwendigen Licht- und Schatteneffekten gegeizt, Nebel breitet sich unheimlich über dem Boden aus, und die fies anzusehenden Gegnern erst – mein persönliches Highlight im ganzen Spiel.
Zugegeben, in den Designs hat man sich stark von anderen Spielen und Filmen inspirieren lassen. Mal könnte es Aliens sein, mal die Clicker aus The Last of Us, mal die Freaker aus Days Gone. Die Ideen wurden recht großzügig recycelt, lösen in The Callisto Protocol mit ihrer technischen Weiterentwicklung aber umwerfende Gefühle aus. Das alles mit einer stimmigen Soundkulisse und der extrem großzügigen Nutzung des DualSense Controller, der einen sogar spüren lässt, wenn die eigenen Knochen brechen. Alleine dafür hat es sich gelohnt!
Update: Nach diversen Updates scheint der Schwierigkeitsgrad etwas ausgewogener zu sein, was das Ganze etwas fairer macht als noch zuvor.
Ich bin eher der stille Leser und bin auch oft von den Artikeln von so manchem Journalisten enttäuscht und auch verärgert. Zu oft wird hier eine sehr kritische und (aus meiner Sicht zumindest) unreflektierte Haltung eingenommen.
Aber hier wurde eine schöne Arbeit präsentiert. Das wollte ich einfach mal loswerden. Kommt auf dieser Seite leider viel zu selten vor. Vielen Dank dafür!
Die größte Enttäuschung in diesem Jahr. Es zeigt sich wieder, das kopieren von Dead Space nicht gleich ein gutes Spiel macht. Sämtliche USPs die Dead Space ausgemacht haben, wurden bei Callisto Protocol ausgelassen. Es ist nur ein Action Spiel mit Gore-Faktor. Gar kein Space-Horror vorhanden und die Spielmechanik ist einfach nur schlecht. Das System mit dem Ausweichen ist einfach dumm und spielt sich komplett schlecht. Die deutsche Synchronisation ist unterirdisch. Dazu ist das Spiel ziemlich verbuggt.
Man merkt, das man hier unbedingt vor Dead Space auf den Markt kommen wollte, koste was es wolle. Und das ja bekanntlich auf Kosten der Arbeitsmoral und der Gesundheit der Mitarbeiter.
Die Debatte um den heftigen Crunch sollte man ebenfalls in dem Test hier unterbringen. Denn über solche Missstände sollte ein Test schon aufmerksam machen.
Danke für das Feedback, wir hatten eine sehr frühe Version 1.00 und 1.01, die Release-Version war ja 1.04. Gravierende Bugs gab es nicht, einmal im Boss Fight, wo der Gegner zwischen zwei Kisten kniete und nicht getroffen werden konnte, aber jetzt nichts was den Progress behinderte. Der Entwickler hatte inzwischen bestätigt, dass zwischenzeitlich eine falsche Version gepatcht wurde, daher vielleicht die Probleme seit dem Release?
Also für neue IP ist es mein game of the year, wäre es der zweite teil der Reihe dann wäre es ganz klar GOW ragna und nicht calisto.
Finde das Spiel toll bis jetzt. Was ich kritisieren würde, eben das Spiel zeigt nicht was die ps5 kann. Schlauch levels und zig enge Gänge qutschen um Ladezeiten zu überbrücken, klar next gen only Titel wäre auf diese mechanick nicht angewiesen. Die deutsche synchro ist nicht perfekt(nicht 100% Lippen synchron, schlechte abmisching, Taktung).
Und die Kamera wackelt zuviel (da wird ma ja Seekrank), aber zum Glück kann man es abstellen.
Aber im grossen und ganzen tolles Spiel, brauche jetzt kein dead space Remake oder alien isolation 2 mehr.
Warum schneidet man der spielenden Figur die Füße ab ?
Ich für meinen Teil, finde diese komische „3rd“ Person“ Ansicht fürchterlich.
Entweder 1st Person oder die ganze Figur sehen. zB. ala Horizont Zeo Dawn.