Muskeln, Stil, Geld, Humor, all das wollen Frauen, und Larry kann ihnen davon nichts bieten, außer den Humor vielleicht. Bereits seit den 80er Jahren versucht der stets paarungswillige Larry Laffer die Frauen um den Finger zu wickeln, und ist sich dabei für keinen noch so überholten Anmachspruch zu schade. In Zeiten von Debatten wie „Me too“ und grünem Gender-Wahn stellt sich allerdings auch viel mehr die Frage, ob so ein Spiel hier noch Platz hat oder bald genauso streng auf dem Prüfstand steht, wie einst die Baller-Spieler? Wir haben durchs Schlüsselloch geschaut, um „Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don’t Dry“ bei seinem Treiben zu beobachten. Gewisse Zweideutigkeiten sind dabei durchaus beabsichtigt.
Welcome back, Larry
2019, New Lost Wages. In dem bereits aus Vorgängern bekannten Labor erwacht Larry Laffer in tiefstem Dunkeln zu neuem Leben und versucht einen Weg an die Oberfläche zu finden. Dort angekommen fällt direkt auf, dass sich hier seit den 80ern einiges verändert hat. Bei einem Abstecher in unsere Lieblingsbar, das Leftys, klärt uns der namensgebende Barkeeper schnell auf. Starke, unabhängige Frauen, die ihr Essen und Katzenvideos auf Plattformen wie Farcebook oder Instacrap teilen und Partner online mit Dating-Apps wie Timber suchen. Hinzu kommen vegane Shops, eine komische Spezies namens Hippster und ein über allem schwebender Konzern namens Prune, in deren Hauptquartier (welches natürlich nur rein zufällig aussieht wie ein männliches primäres Geschlechtsorgan) das Genie Bill Jobs mit seiner Assistentin die Stadt lenkt.
Für Larry ein absoluter Kulturschock. Doch zum Glück hat sich nicht alles geändert, und die Menschen in „Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don’t Dry“ haben immer noch Sex und brauchen dabei immer noch hin und wieder Hilfe von echten Menschen. Und genau diese beiden Dinge sind ein Fall für: Larry Laffer!
Wir erforschen also die Spielwelt, die uns an verschiedene Orte innerhalb New Lost Wages, begegnen zahlreichen Personen jeglicher Art, egal ob Hipster, Influencerin, Pumper oder homosexuellem Model, alle sind sie vertreten. Trotz dem Wandel der Zeit ist der Titel sich treu geblieben und im Kern ein klassisches Point-and-Click Abenteuer, voll von verrückten Kombinationsmöglichkeiten. Immer wieder schlägt man die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sich die verrücktesten Ideen als tatsächliche Lösung herausstellen sollte. Hin und wieder wird es selbst der KI unseres Smartphones zu viel und bringt ihre Ungläubigkeit zum Ausdruck. Doch Vorsicht! Denn auch diesmal hat die Welt einige Gefahren für Larry im Angebot, die ihm nach dem Leben trachten wollen. Und auch sonst wird man sich darauf einstellen müssen, dass man manche Ort immer wieder besuchen muss, da sich im Laufe der Zeit immer neue Möglichkeiten eröffnen, die uns in der Story weiter voranbringen, immer mit dem Ziel, unseren eigenen Timber-Score zu steigern und unsere Traumfrau zu erobern.
Insgesamt hat Larry nichts von seinem alten Charme verloren. Die Story an sich ist sehr ansprechend inszeniert und bringt sogar die ein oder andere Wendung mit sich, die man so nicht direkt erwarten würde. Allerdings darf man hier keine Blockbuster-Story erwarten, für Tele5 sollte es aber durchaus reichen. Hinzu kommt eine klassische, aber nach wie vor sehr ansprechende Spielweise, von der man heutzutage viel zu wenig geboten bekommt. Es sollte wieder viel mehr Titel mit einem so simplen Gameplay geben, anstatt sich in unzähligen Features und Möglichkeiten zu verlieren. Genau das macht Larry sowohl zum hervorragenden Einsteigertitel, als auch zu einer netten Abwechslung für nebenbei. Aber denkt daran zu speichern, gerade zu Beginn hing sich der Titel gerne mal in kleinen Zwischensequenzen auf und dadurch, dass nicht automatisch gespeichert wird, haben wir eine Menge an Fortschritt verloren. Manual Save ist doch ist uns dann doch ein bisschen zu sehr 80er!
Stilvoll pervers, so mag ich’s
Ich hatte es eingangs erwähnt, in Zeiten von #metoo, Gender-Debatten und dem dritten Geschlecht (Larry, nimm dich in acht!) stellt sich die Frage, ob ein Titel wie „Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don’t Dry“ wirklich noch einen Platz hat. Und die Antwort ist ganz klar: JA VERDAMMT! Denn klar, Sex und Co. sind ein großes Thema im Titel, sieht man sich nur unser Inventar an, in welchem Objekte wie Analplugs, Käsedildos oder ein Einhornkopf keine Seltenheit sind. Aber, und das ist das wichtige, Larry ist dabei zu keiner Zeit ein widerlicher Schmierlappen, wie einst, der Frauen einfach präsidial in den Intimbereich greift oder heimlich beobachtet. Er ist ein über alle Maßen hilfsbereiter und freundlicher Kerl, der in der modernen Welt vielleicht ein bisschen verloren wirkt und erst etwas Zeit braucht, um sich darin zurecht zu finden. Und dabei natürlich trotzdem über Peniswitze und jedes Mal die Zahl 69 (Hihi) lacht. Anrüchige Momente sind dabei eher eine Art Belohnung, die man sich erst hart erarbeiten muss, während er dabei aber auch viel zu oft in ein Fettnäpfchen nach dem anderen tritt. Deshalb wirkt Larry auch zu keiner Zeit widerlich, sondern immer überaus charmant. Dabei spielt auch die grandiose Synchronisation von Philipp Moog eine große Rolle, den meisten wohl eher in seiner Paraderolle als Barney Stinson aus „How I Met Your Mother“ bekannt, dem bekanntlich größten Verführer aller Zeiten. Selten hat eine Synchronisation so gut gepasst wie hier. Danke dafür!
Aber auch die anderen Figuren sind wunderbar in Szene gesetzt worden und erzählen nebenbei hervorragend ihre eigenen Geschichten und Probleme, welche die heutige Zeit mit sich bringt, wie etwa die Angst vor dem eigenen Coming-Out oder dem ständigen Bestreben, seine körperliche Fitness durch Tracker zu steigern. Gesellschaftskritik gekonnt verpackt und zum Spieler transportiert, was das Ganze umso sympathischer macht.
Die Welt von New Lost Wages ist wirklich sehr passend um die Handlungen und Figuren herum gebaut worden. Viele Orte sind aus den Vorgängern bekannt, konnten allerdings dem Fortschritt nicht entkommen. Aber das ist nicht schlimm, sondern passt hervorragend ins Gesamtbild. Zudem sind die Level über und über gefüllt mit den wildesten Easter Eggs, egal ob auf Vorgänger, wie das nach wie vor verpixelte Bild in Lefty’s Bar, laut Larry immer noch die schönste Frau der Welt, die Namen der Apps wie Unter, Instacrap und Co., oder Anspielungen auf andere Titel, wie eine Abrissbirne in einem Zimmer über der Bar, die laut Larry nur noch Karts jagen kann. Seine KI bittet hier außerdem darum, das Studio bloß nicht zu verklagen.
Leider hat „Leisure Suit Larry: Wet Dreams Don’t Dry“ aber auch mit einigen, in unseren Augen, unnötigen Problemen zu kämpfen. So fehlt es etwa an einer Art Quest-Übersicht, aus der hervorgeht, was wir eigentlich gerade tun müssen. Gerade, wenn man mal eine längere Pause gemacht hat oder erst über einen langen Zeitraum einen anderen Zweig verfolgt, bevor man den ersten weiterführen kann, verliert man ein bisschen schnell den Überblick. Außerdem ist die Steuerung hin und wieder etwas hakelig, was ggf. auch mit der beschränkten Präzision der PlayStation im Vergleich zum PC zu tun haben könnte. Gerade auf der Map verzweifeln wir regelmäßig, weil wir unseren Zielort einfach nicht vernünftig auswählen können. Und auch das Kombinieren einzelner Gegenstände gestaltet sich etwas komplizierter als unbedingt nötig. Und natürlich die Tatsache, dass an einem Autosave fehlt ist mehr als ärgerlich, gerade, wenn der Titel hin und wieder einfriert oder abstürzt.