Eine junge Forscherin, eine mystische Insel und ein mysteriöser Kult. Das sind die Zutaten, die sich Square Enix und Crystal Dynamics für das Reboot von „Tomb Raider“ ausgesucht haben. Dass es nicht die dümmste Idee war, auch diese Serie neu zu starten, zeigen euch die kommenden Spielstunden des Abenteuers.
Bereits in unserer Vorschau beeindruckte Crystal Dynamics mit einem erfrischend neuen und atmosphärischen Setting, einer jüngeren Lara Croft, die zudem deutlich reifer wirkt, und einer technischen Generalüberholung. Nun haben wir das neueste Meisterwerk in seiner Vollendung testen können und waren letztendlich noch mehr begeistert.
Die Geschichte beginnt damit, dass Lara und ihre Forschercrew mit dem Forschungsschiff Endurance vor der Küste einer japanischen Insel auflaufen, auf der Suche nach dem Drachendreieck und einer alten japanischen Königin. Natürlich läuft dabei nicht alles so glatt, wie man es sich zu einer Abenteuerexpedition wünscht und so gestaltet sich bereits die Ankunft auf der Insel mit einem Schiffbruch sehr heikel. Eure Crew wird auseinandergerissen und ihr geratet in die Fänge gefährlicher Kultanhänger.
Von der Forscherin zur Kriegerin …
Das Abenteuer wirft euch in einen Überlebenskampf, in dem die junge Lara sehr schnell lernen muss sich zu verteidigen, ihre Umwelt zum Überleben zu nutzen, auf die Jagd zu gehen und nicht davor zurückzuschrecken, im Ernstfall auch zu töten. Wie Frauen so oft sind, stolpert Lara dabei zunächst von einem Unglück ins Nächste. Es gehört zum Spielverlauf, seine Umgebung besser abschätzen zu können und zum Überleben einzusetzen, sodass ihr anfänglich sogar noch in einer Bärenfalle landet und zu allem Übel dabei von Wölfen angegriffen werdet. Das Tempo, in dem Lara zur unerschrockenen Heldin wird, lief für meinen Geschmack etwas zu schnell ab. Eben noch eine unerfahrene Forscherin, schreckt Lara bereits nach wenigen Minuten nicht davor zurück, einen unschuldigen Hirsch zu erlegen und auszuweiden. Bis man den ersten Menschen gen Jenseits schickt, ist es dann nicht mehr weit. Erreicht man zwischenzeitlich ein erstes Lager, zeigt man gekonnt, dass Lara doch noch irgendwo ein verletzlicher Mensch ist, die sich alleine und hilflos auf einer unbekannten Insel befindet, womit man vor allem die emotionale Seite anspricht. Teilweise schafft man es so auch, dass man mit Lara regelrecht mitleidet.
Einige Logikfehler stechen bis dahin aber arg ins Auge, sodass sich Lara zum Beispiel zu schnell von schweren Verletzungen erholt. Direkt zum Anfang durchbohrt euch ein Holzspieß seitlich am Bauch, eine wirklich schwere Verletzung, die im Spiel aber recht schnell vergessen ist. Das Gleiche mit der Bärenfalle. Ich könnte mir vorstellen, dass man keine neuen Olympiarekorde beim Weitsprung aufstellt, wenn einem eben noch fast der Fuß abgetrennt worden wäre. Dieser ganze Prozess läuft häufig zu schnell ab und hätte vielleicht besser dazu genutzt werden können, um die Dramatik und die Hilflosigkeit von Lara weiter auszubauen. Ein Punkt, den man zuvor immer als wesentliches Element des neuen „Tomb Raider“ angepriesen hat.
Euer weiteres Abenteuer schickt euch auf eine Rettungsmission eurer Crew, bei der ihr mehr und mehr erfahrt, was hinter dem mysteriösen Kult steckt und warum es so schwierig ist, von der Insel zu entkommen. Trotz eures Ziels, die Insel sicher hinter euch lassen zu wollen, packt Lara der Abenteurergeist, das Geheimnis dieser Insel zu enträtseln. Schnell stellt sich dabei die Befürchtung ein, dass man sich mit dem Reboot doch etwas zu weit weg von den Wurzeln der Serie bewegt hat, als es manch einen Fan lieb sein wird. Teilweise überwiegen die Action- und Fast Pace-Parts mehr als das Erkunden von alten und riesigen Tempelruinen, für das „Tomb Raider“ eigentlich immer bekannt war. Mitunter geht es nämlich ordentlich zur Sache. Alles um euch herum explodiert und wird dem Erdboden gleich gemacht, in Hektik müsst ihr einstürzende Brücken bewältigen oder stürzt in tiefe Gruben auf ein Rutschtour an gefährlichen Hindernissen vorbei. Hier hat man definitiv nicht mit Highlights gespart und die teils ruhigen Passagen im Spiel gut ausgeglichen. Was dann aber wieder ein wenig fehlt, sind aufwendige Rätselpassagen, in denen man komplizierte Mechanismen lösen muss. Klar muss man hin und wieder überlegen, wie man jetzt durch die ein oder andere Tür kommt oder sich den Weg durch die Katakomben bahnt, aber hier wird es einem auch wieder zu leicht gemacht, sodass nicht einmal der Überlebensinstinkt großartig notwendig ist, um hinter die Lösung eines Rätsels zu kommen . Hier hat man dann doch etwas vergessen, wo die Wurzeln von „Tomb Raider“ liegen. Aus der Abenteurerin Lara wird so schnell ein weiblicher Rambo, die mit Bogen und Napalm-Geschossen den Dschungel unsicher macht. Vielleicht ist es aber auch genau das, was ein Reboot in den Augen von Crystal Dynamics ausmacht, um somit nicht in alte Muster zurückzufallen.
Hier möchte man mal Urlaub machen …
Das Setting, rund um die mysteriöse Insel stimmt dennoch von vorne bis hinten und gestaltet sich vor allem abwechslungsreich und atmosphärisch. Gerade noch im düsteren Dschungel unterwegs, bahnt ihr euch euren Weg durch eine Festung, um am oberen Ende in einer eisigen und verschneiten Berglandschaft wieder herauszukommen. Genauso beeindruckend sind auch die alten Tempelanlagen, die direkt in die Felswände geschlagen wurden und diesen typisch japanischen Mythos wiederspiegeln, den man sich vorstellt. Hier wird der Abenteurer in einem geweckt und trotz des recht linearen Spielverlaufs, bieten sich immer Möglichkeiten, abseits vom Weg nach Relikten und verborgenen Schätzen zu suchen oder kleinere Gräber zu erforschen.
Darüber hinaus beeindruckt „Tomb Raider“ fast durchgehend mit einer technisch sehr anspruchsvollen Umsetzung. Vor allem optisch könnte man schon fast vergessen, dass man das Spiel noch auf der PlayStation 3 spielt. Man lehnt sich wohl nicht zu weit damit aus dem Fenster, wenn man behauptet, dass „Tomb Raider“ in vielen Dingen das bisher hochgelobte ‚Uncharted 3‘ in der visuellen Präsentation übertrifft. Vor allem die Charakterdarstellung wirkt deutlich lebendiger und realistischer, die Umgebungen weisen im Gegensatz zu „Uncharted 3“ einen fotorealistischen Charakter auf, der einem beim Blick über die Insel oder an der Küste entlang regelrecht vom Hocker haut. Wohlgemerkt, dass Crystal Dynamics dies auf einer Hardware umsetzt, die beinahe acht Jahre hinter sich hat. Man ist permanent von einer atmosphärischen Vegetation umgeben, durchstreift einen abenteuerlichen Schiffsfriedhof sowie verblüfft man überall mit der Liebe zum Detail. Nicht zu vergessen die erstklassigen Licht-, Schatten und Partikeleffekte, die euch überall umgeben. Hut ab vor dieser absolut beeindruckenden Kulisse, vor der „Tomb Raider“ spielt.
Wie schon in unserer Vorschau, bestätigt sich auch in der finalen Version, dass sich die Jungs bei Crystal Dynamics fürs Gameplay richtig ins Zeug gelegt haben, um die Mankos der vergangenen Ableger auszumerzen. Das komplette Gameplay läuft nun flüssiger und ungewollte Aktionen, wie das Herabstürzen von einem Felsvorsprung, obwohl man sich nur nach links oder rechts bewegen wollte, gibt es nicht mehr. Auch das Deckungssystem ist gut gelöst und kommt komplett ohne das Drücken eines Buttons aus. Bewegt sich Lara auf eine Kiste oder Mauer zu, geht sie automatisch dahinter in Deckung. Ebenfalls gut umgesetzt ist der Bogen als Waffe, der sich besser handeln lässt als zunächst befürchtet. Direkte Kopftreffer lassen sich mit diesem auch in hektischen Auseinanderumsetzungen gut bewältigen. Der Bogen ist ohne Frage eine der wirkvollsten und coolsten Waffen im Spiel, der sich vielseitig einsetzen lässt. Nahkampffähigkeiten hingegen lassen sich erst mit dem Spielverlauf nach und nach freischalten, die zudem immer brutaler werden. Da werden Pfeile in die Knie des Gegners gerammt oder ein tödlicher Axthieb mit nur einem Schlag vollzogen, während der Gegner blutend vor euch zusammenbricht.
Zu bemängeln wäre hier lediglich die unruhige Kameraführung im gesamten Spiel. Sicherlich wollte man damit die Authentizität etwas fördern, aber zum Teil ist es recht nervig, wenn die Kamera permanent am hin und her wackeln ist, selbst in Zwischensequenzen, wo man einfach nur die tolle Atmosphäre und Story genießen möchte. Weiterhin hätte ich mir gerne einen Soundtrack gewünscht, der das Abenteuergefühl eines solchen Spiels noch mehr unterstreicht. Zwar hat man ein passendes Theme hierfür gewählt, das an Schlüsselpunkten immer wieder eingespielt wird, einen richtigen Ohrwurm, wie es ihn in früheren Ablegern wie ‚Legends‘ gab, gibt es bei „Tomb Raider“ leider nicht.
Zum Schluss bleibt noch zu erwähnen, dass man nun auch ein kleines Charakterentwicklungssystem ins Spiel gebracht hat. Durch bestimmte Aufgaben, wie das Töten von Tieren, das Lösen von Rätseln oder Auffinden von Relikten, steigern sich Lara´s Fähigkeiten, die ihr in drei Bereichen (Jagd, Überleben und Kampf) mit Erfahrungspunkten aufwerten könnt. Auch Waffen lassen sich so verbessern, was euch mehr Munition, bessere Treffsicherheit usw. verleiht. Hierfür ist es notwendig, sich ständig nach Ressourcen und Bergungsgut umzuschauen und jede Kiste und jeden Stein auf eurem Weg umzudrehen, um diese zu entdecken.
Multiplayer Test folgt …