Der renommierte Spieleentwickler Michel Ancel hat den Umgang von Ubisoft mit dem abgesagten PlayStation-Exklusivspiel Wild als „einen echten Skandal“ bezeichnet. Die Aussage macht deutlich, wie chaotische interne Prozesse und Managemententscheidungen die Entwicklung eines vielversprechenden Survival-Spiels beeinflussten.
Wild wurde ursprünglich 2014 angekündigt und sollte exklusiv für die PS4 erscheinen. Das Spiel wurde von Ancels neu gegründetem Wild Sheep Studio entwickelt, während Sony Interactive Entertainment als Publisher fungierte. Doch nach Ancels Rückzug aus der Spielebranche im Jahr 2020 wurde es still um das Projekt und wenig später wurde das Spiel als „abgesagt“ erklärt. Nun offenbart Michel Ancel die Hintergründe und kritisiert vor allem Ubisoft.
Wild wurde zwischen Managemententscheidungen zerquetscht
Im Interview mit Superpouvoir erläuterte Ancel, dass Wild „buchstäblich zerquetscht wurde“ durch die Übernahme durch Ubisoft Paris. Laut Ancel begann das Desaster nach dem Übergang des Spiels an Ubisoft und dem Verlust der ursprünglichen Vision durch unzählige Änderungen und interne Machtkämpfe.
„Wild hatte ein unglückliches Schicksal“, so Ancel. „2018 hatten wir eine spielbare Version, aber die PS5-Umstellung verlangsamte die Produktion. Sony durchlief große Managementwechsel und stoppte das Projekt. Ubisoft bot an, es zu übernehmen, und Sony entschied sich letztlich, das Spiel zurückzukaufen. Leider waren die Verträge mit Ubisoft schon zu weit fortgeschritten.“
Die Entscheidung, die Verträge nicht zu brechen, markierte den Beginn der Probleme. Ancel zufolge begann das Chaos, als Tommy François, ein wichtiger Ubisoft-Entscheider, das Projekt übernahm. François verließ das Unternehmen später aufgrund von Anschuldigungen wegen sexuellen Fehlverhaltens, was zusätzliche Spannungen innerhalb von Ubisoft verursachte. „Das Spiel fiel in die Hände von Ubisoft Paris, die sich zu dieser Zeit selbst im Chaos befanden“, so Ancel.
Eingriff in kreativen Prozess
Er kritisiert, dass das Spiel von Entwicklern und Managern verändert wurde, ohne es wirklich zu verstehen. „Es wurden alle möglichen Änderungen gefordert, ohne das Spiel wirklich zu spielen“, erklärt Ancel. Diese Willkür führte dazu, dass Wild nach zwei Jahren Entwicklung eingestellt wurde, da es angeblich nicht mehr dem ursprünglichen Konzept entsprach.
Ancel gibt zu, dass der mentale Druck durch die Probleme bei Wild und Beyond Good & Evil 2 zu einem persönlichen Burnout geführt hat. „Die Probleme haben mich völlig erschöpft“, sagt er. „Ende 2019 drifteten beide Projekte auseinander, und ich spürte, dass ich eine Pause hätte einlegen müssen. Aber ich arbeitete noch härter, bis ich am Ende beschloss, alles aufzugeben.“
Branche zu verlassen war die richtige Entscheidung
Heute denkt Ancel, dass seine Entscheidung, die Branche zu verlassen, notwendig war. Es sei wichtig, die eigene mentale Gesundheit zu schützen, insbesondere in einer so anspruchsvollen und stressgeprägten Industrie wie der Videospielentwicklung. Trotz seines Rückzugs hofft er, spielbare Demovideos von Wild und Beyond Good & Evil 2 aus dem Jahr 2018 zu teilen, die er als „vielversprechend“ bezeichnet.
Der Fall Wild zeigt einmal mehr, wie interne Machtkämpfe, Managemententscheidungen und fehlende Kommunikation große Spielprojekte gefährden können. Was hätte aus dem Spiel werden können, wenn es nicht durch interne Probleme und Mismanagement zerstört worden wäre? Die Antwort bleibt uns vorerst verwehrt, doch Michel Ancels Einblicke werfen zumindest einen kritischen Blick auf die komplexen Mechanismen der Branche.
Ubisoft hat bisher nicht offiziell auf Ancels Vorwürfe reagiert. Doch der ehemalige Designer bringt auf jeden Fall Licht in die tragische Geschichte eines Spiels, das eines der spannendsten Survival-Abenteuer hätte werden können.