TEST: A Plague Tale: Innocence – Ein rührendes Abenteuer mit viel Gefühl

Toni Add a Comment
10 Min Read

Eigentlich sind die Entwickler von Asobo Studio aus Bordeaux vor allem für die Game-Adaptionen erfolgreicher Pixar-Filme bekannt – mit A Plague Tale: Innocence zeigen sie aber, dass sie auch selbst eine filmreife Geschichte erzählen und inszenieren können. Ob das Abenteuer spielerisch überzeugt, haben wir für euch ausführlich getestet.

Geschwisterliebe

In A Plague Tale: Innocence übernehmen wir die Kontrolle über die junge Amicia de Rune. Als Teil einer französischen Wohlstandsfamilie führt sie ein unbeschwertes Leben. Das gerät aber schlagartig aus den Fugen, als Handlanger der Inquisition das Anwesen der de Runes aufsuchen und Teile der Familie und ihre Bediensteten brutal abschlachten. Schnell wird klar, wonach die Inquisitoren suchen: Sie wollen Amicias 5-jährigen Bruder Hugo gefangen nehmen. Warum, wissen wir und auch Amicia zu diesem Zeitpunkt nicht. Eines steht aber außer Frage: Wir müssen das verhindern. Also schlüpfen wir in die Rolle der großen Schwester und rennen mit unserem kleinen Bruder an der Hand um unser Leben, um den Fängen der Inquisition zu entkommen.

Der Prolog des Spiels macht schnell deutlich, in was für einem unerbittlichen Szenario sich die beiden Geschwister befinden. Als wäre das nicht schlimm genug, wüten neben der Inquisition auch die Pest, der Krieg gegen England und eine Rattenplage von apokalyptischem Ausmaß. In dieser düsteren Welt voller Gefahren kämpfen wir um unser Überleben und versuchen gleichzeitig herauszufinden, was die Inquisition von Hugo will. Mehr Details zur Story möchten wir an dieser Stelle nicht verraten, um der Geschichte nichts vorweg zu nehmen. Eines können wir aber sagen: Hugo ist etwas Besonderes.

Den kleinen Knirps schließen wir auch schnell ins Herz – das liegt vor allem daran, dass er sich sehr glaubhaft wie ein 5-jähriges Kind verhält und dadurch unseren Beschützerinstinkt erweckt: Lassen wir ihn allein, bekommt er nämlich Angst und macht auf sich aufmerksam – was zu Problemen führen kann, da wir die meiste Zeit schleichen und uns möglichst unauffällig verhalten müssen, damit uns die Inquisitoren nicht entdecken. Schon allein deshalb sollten wir ihn bestmöglich behüten und nicht von seiner Seite weichen, sofern es sich vermeiden lässt. Seine kindliche Naivität bringt uns auch in das eine oder andere moralische Dilemma, weil wir, sowohl wortwörtlich als auch im übertragenen Sinne, hin und wieder über Leichen gehen müssen, um zu überleben. Hugo sorgt mit seiner kindlichen Unbeschwertheit aber auch für schöne Momente, wenn er zum Beispiel am Wegesrand eine Blume entdeckt und sie pflückt, um sie seiner großen Schwester ins Haar zu stecken. Es sind diese ruhigen Momente, die uns immer wieder erden und nach und nach eine starke Beziehung zu den Charakteren aufbauen lassen.

Auch Amicia ist durchgehend authentisch: Als sie das erste Mal aus Notwehr einen Menschen tötet, leidet sie unter Schuldgefühlen – und wir leiden mit ihr. Auch wenn sie aus der Not heraus gezwungen ist, erwachsen zu werden und Verantwortung für ihr eigenes Leben und das ihres Bruders zu übernehmen, lässt sie das Geschehen um sie herum keinesfalls kalt. Das zeigt sich auch in den Dialogen zwischen den Charakteren. Die sind hervorragend geschrieben, durchgehend glaubhaft und lassen uns tief in die Geschichte eintauchen.

Licht und Dunkel

Visuell ist A Plague Tale: Innocence für ein Spiel ohne Triple-A-Budget überaus beeindruckend: Das Design ist realistisch und erinnert ein wenig an Ninja Theorys Hellblade: Senuas Sacrifice. Die Charaktermodelle sind liebevoll und detailreich gestaltet und transportieren über ihre ausdrucksstarke Mimik glaubhaft Emotionen – auch wenn ihre Bewegungsanimationen gelegentlich etwas hölzern wirken.

Außerdem fällt die atmosphärische Belichtung und Farbgebung ins Auge: Das Spiel wechselt zwischen bunten Herbstfarben und desaturiertem Grau; zwischen weichen Lichtshadern und bedrückender Dunkelheit. Das dürfte vor allem Besitzer eines HDR-fähigen Fernsehers freuen – hier kommt das kontrastreiche Licht- und Farbspiel nämlich besonders gut zur Geltung.

Auch die Umgebung macht optisch etwas her: Egal, ob wir uns auf einem abgelegenen Waldpfad, in einem heruntergekommenen Armenviertel der Stadt, einem dunklen Kellergewölbe oder einer pompösen Kathedrale befinden – alles wirkt wie aus einem Guss. Zwar sind die Gebiete nicht besonders weitläufig, dafür aber ausreichend detailliert, um eine Immersion zu erzeugen.

Auf der PlayStation 4 Pro kommt das Spiel mit einer höheren Auflösung daher – gestochen scharf, wie man es von anderen Spielen gewohnt ist, ist das Bild aber trotzdem nicht. Vor allem in der Bewegung machen sich Artefakte bemerkbar, die charakteristisch für die Checkerboarding-Technik bei PlayStation 4 Pro-Spielen sind. Trotz kleiner Schönheitsfehler ist A Plague Tale: Innocence aber durchgehend hübsch anzusehen.

An dieser Stelle möchten wir auch den Soundtrack lobend hervorheben: Der Score von Komponist Olivier Derivière passt hervorragend zur Kulisse. Die mittelalterliche Musik ist authentisch und geht direkt ins Ohr. Vor allem kommt sie aber nur sehr sparsam zum Einsatz, wirkt nie zu dick aufgetragen und untermalt die Atmosphäre. Auch das Sounddesign überzeugt auf ganzer Linie: Umgebungsgeräusche sind hochwertig produziert, das ekelhafte Quietschen und Piepsen der Ratten bereitet uns regelrechtes Unbehagen – genau so sollte das sein.

In der Ruhe liegt die Kraft

Spielerisch ist A Plague Tale: Innocence ein Action-Adventure mit einem starken Fokus auf Stealth-Elementen: Hauptsächlich lösen wir Konflikte nämlich nicht durch direkte Konfrontation, sondern schleichen uns an unseren Widersachern vorbei. Die sind, zu unserem Glück, nicht besonders clever oder aufmerksam. Die K.I. lässt sich wesentlich leichter überlisten, als es in anderen Schleichspielen der Fall ist. Trotzdem müssen wir uns vorsehen – Amicia ist nämlich keine Kämpferin und eine Begegnung mit einem Handlanger der Inquisition kann schnell mal tödlich für sie enden. Die Schleichmechanik greift auf ein Repertoire zurück, das wir bereits von vielen anderen Vertretern des Genres gewohnt sind: Wir können zum Beispiel Steine aufsammeln und gegen metallische Objekte werfen, um Gegner abzulenken und an bestimmte Orte zu locken. Laufen wir gebückt durch hohes Gras, können wir uns ungesehen fortbewegen. Mit einer Steinschleuder hauen wir unseren Widersachern Geschosse um die Ohren, um sie außer Gefecht zu setzen. Das funktioniert aber nur, wenn diese nicht durch einen Helm geschützt sind.

Allerdings sind die Inquisitoren nicht unsere einzige Gefahr – auch die riesigen Rattenschwärme sind Hindernis und Bedrohung zugleich. Kommen wir ihnen zu nahe, nagen sie uns innerhalb von Sekunden die Haut von den Knochen. Und da sie so zahlreich sind, können wir sie auch nicht mit der Steinschleuder erledigen. Nur eines schreckt sie ab: Licht. Und genau das machen wir uns zunutze. Mit Lichtquellen, wie zum Beispiel Feuer, können wir sie zurückdrängen und an ihnen vorbeikommen.

Nach und nach erhalten wir so immer mehr Mechaniken an die Hand, die uns dabei helfen, an den Ratten vorbeizukommen oder sie sogar zu unserem Vorteil zu nutzen: So erzeugen wir zum Beispiel aus Materialien, die wir in der Spielwelt finden, Substanzen, mit denen wir bestimmte Objekte in Brand setzen. Oder wir werfen den fiesen Nagern lebendige oder tote Lebewesen zum Fraß vor, um sie abzulenken. Später haben wir sogar die Möglichkeit, Flammen zu löschen oder Lockmittel einzusetzen, um die Ratten an bestimmte Orte zu bewegen oder sie gezielt zu menschlichen Gegnern zu lotsen, damit sie diese für uns ausschalten. Daraus ergeben sich regelrechte Umgebungsrätsel – wir müssen uns genau überlegen, wie wir taktisch vorgehen und unsere Werkzeuge am besten einsetzen. Besonders komplex sind die Rätsel zwar nicht, sie fügen sich aber gut in das spielerische Gesamtkonzept ein. Auch unseren Charakter können wir entwickeln: Mit gefundenen Materialien werten wir unsere Ausrüstung auf, um beispielsweise mehr Geschosse oder Gegenstände bei uns zu tragen oder schneller mit der Steinschleuder zu zielen. Durch die wachsende Anzahl an Mechaniken bleibt A Plague Tale: Innocence über seine circa 12-stündige Spielzeit durchgehend abwechslungsreich, auch wenn wir eigentlich immer wieder das selbe machen.

Die Spielwelt ist übrigens sehr linear: Meistens gibt es nur einen einzigen Weg und in welche Richtung wir müssen, ist immer offensichtlich. Das bedeutet zwar auch, dass es abseits des Pfades nur wenig zu entdecken gibt, allerdings hat das Spiel dadurch ein sehr angenehmes Pacing: Wir kommen zügig in der Geschichte voran, ohne, dass zwischendurch längere Leerläufe entstehen. Das ist insofern gut, da der Schwerpunkt von A Plague Tale: Innocence deutlich mehr auf seiner Narrative als auf dem Gameplay liegt. Und in dieser Hinsicht macht das Spiel eine ganze Menge richtig: Die Geschichte bleibt von Anfang bis Ende spannend, wird schön erzählt, zufriedenstellend aufgelöst und bleibt uns mit Sicherheit noch eine ganze Weile im Gedächtnis.

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TEST: A Plague Tale: Innocence – Ein rührendes Abenteuer mit viel Gefühl
A Plague Tale: Innocence ist ein visuell beeindruckendes, wenn auch spielerisch etwas seichtes Abenteuer. Wir können es jedem ans Herz legen, der Wert auf eine gute Story, dichte Atmosphäre und authentische Charaktere legt. Zwar sind die Spielmechaniken überschaubar, werden aber schön mit der Spielwelt und der Geschichte zusammengeführt. Kurzweilige und emotional mitreißende Singleplayer-Titel dieser Art würden wir gerne öfter sehen. A Plague Tale: Innocence ist daher eine echte Perle, die auf den Pfaden von Spielen wie The Last of Us wandelt – und dabei sehr viel richtig macht. Das ist ganz große Kunst!
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