Es gilt als einer der innovativsten Spiele in diesem Jahr, in dem man das Zusammenspielen nicht einfach nur optional macht, sondern zur Pflicht. Nach dem fantastischen “Brothers: A Tale of two Sons” meldet sich Entwickler Hazelight in dieser Woche mit “A Way Out” zurück, das bereits seit seiner Ankündigung wahnsinnig interessant klang. Ob das Konzept tatsächlich so gut funktioniert oder sich letztendlich selbst auf die Füße fällt, das haben wir uns einmal persönlich angeschaut.
Eine erzwungene Freundschaft
So wie man im Spiel dazu gezwungen wird, gemeinsam zu spielen, so gezwungen ist zunächst auch die Freundschaft zwischen den beiden Protagonisten Leo und Vincent, die sich erstmals auf dem Gefängnishof über den Weg laufen. Beide haben sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die von aufbrausend und großspurig, bis hin cool und beherrschend reicht, was im Laufe der Story immer wieder eine Rolle spielen wird.
Beide sitzen für verschiedenste Verbrechen ein, natürlich zu unrecht, wie man selbst meint, sodass schnell klar wird, dass es nur einen Weg geben kann – den nach draußen. Kaum hat man sich irgendwie zusammengerafft, werden Pläne geschmiedet, wie man aus diesem Loch entkommen kann – es wird Werkzeug besorgt, Schleichwege ausgekundschaftet und Wärter bestochen. Etwas überrascht wird man aber feststellen, dass der eigentlich Ausbruch aus dem Gefängnis nur rund ein fünftel des gesamten Spiels ausmacht, während sich der Rest um die Flucht, filmische und rührselige Familiengeschichten und einen Racheplan dreht. Nach knapp 5 Stunden, die man bis zum Ende benötigt, fährt Hazelight darin alles auf, was man eigentlich aus einem typischen Hollywoodfilm erwartet. Höhen und Tiefen am laufenden Band, von emotionalen Momenten zu actionreichen Passagen, bis hin zu einem überraschendem Story-Twist.
In der Gänze ist man sich allerdings unsicher, ob man damit das gewünschte Ziel wirklich erreicht hat. Es beschleicht einen nämlich auch irgendwie das Gefühl, dass man damit vielleicht etwas zu viel wollte und sich bloß nicht zu sehr auf etwas festlegen. Gleichzeitig kratzt man mit allem nur an der Oberfläche und meidet einen wirklich Tiefgang, den man konsequent verfolgt. Bestimmte Passagen wirken dadurch auch mal aufgesetzt und unpassend, besonders zum Ende hin, wo man gleich mehrfach das Gefühl hat – jetzt wäre eigentlich der perfekte Moment für einen Ausstieg, da macht Hazelight einfach weiter und spannt den Storybogen immer mehr auf.
Nicht ohne meinen Partner
Wirklich gelungen ist dafür der kooperative Gameplay-Part, nicht nur deshalb, weil man wirklich dazu gezwungen wird es zu nutzen, sondern weil man sich intensiv Gedanken darum gemacht hat, wie man das aufeinander angewiesen sein auch gut und glaubhaft umsetzt. Dies sieht man schon wunderbar in der ersten Stunde, wo man mithilfe einer Feile durch die Rückwand seiner Zelle ausbrechen möchte. Während der eine die ganze Zeit Schmiere steht, macht sich der andere an der Wand zu schaffen und sollte rechtzeitig gewarnt werden, wenn sich die Wärter nähern oder wie sie am besten ablenken kann. Auch das vertikale Klettern durch den Versorgungsschacht ist da ein hervorragendes Beispiel, warum der kooperative Part hier so wichtig ist. Ob diese Aufgaben letztendlich nicht auch von einem KI Partner hätten übernommen werden können, sei mal dahingestellt.
Für Hazelight war es sicherlich auch riskant, auf diese KoOp-Pflicht zu setzen, denn um “A Way Out” spielen zu können, bedarf es zuvor gezielter Absprachen zum gemeinsamen Spielen. Spontane Spiele-Sessions sind eher weniger möglich, da auch ein Matchmaking-System derzeit fehlt. Wenigstens dieses sei aber angeraten, denn wer möchte für knapp 30 Euro erstmal nur auf den Startbildschirm blicken, bis sich ein passender Mitspieler findet, der das Spiel auch schon auf seine Konsole geladen hat? Das sind definitiv noch einige Hürden, die es zu überwinden gilt.
Zu einfache Gameplay-Mechaniken
Neben den gelungenen KoOp-Passagen wird man allerdings auch schnell feststellen, dass das Gameplay an sich recht einfach gestrickt ist. Schon der Storyverlauf gestaltet sich komplett linear und lässt kaum Freiheiten zu, viele Szenen sind komplett durchgescriptet und selbst offensichtliche Entscheidungen wirken sich nur dann aus, wenn es mal darum geht einen bestimmten Weg zu nehmen. Das Ziel wird immer dasselbe sein, während Entscheidungen auf menschlicher Ebene immer wieder übergangen werden und letztendlich auch egal sind.
Spielerisch hält man es ebenso einfach, sodass kaum mehr notwendig ist, als R2 oder Quadrat zu drücken oder mal kleine Geschicklichkeitspassagen zu bewältigen. Aber auch hier ist das Level derart niedrig angesetzt, dass man sich einfach nur unterfordert fühlt. Selbst bei heftigen Schusswechseln braucht man nur selten befürchten getroffen zu werden und kann einfach drauf halten. Hier hat man die Chance verspielt, “A Way Out” auch einem erfahrenen Publikum zugänglich zu machen, sodass selbst Gelegenheitsspieler das Ende im Schlaf erreichen werden. Blickt man einmal auf vergangene KoOp-Titel wie “Army of Two” zurück, weiß man eigentlich, was hätte möglich sein können.
Aufgepeppt wird das Ganze dafür immer wieder mit kleinen Minispielen, in denen Leo und Vincent gegeneinander antreten. Sei es beim Dart spielen, an einem Arcadeautomaten, Hufeisenwerfen und mehr. Das lockert die Atmosphäre definitiv etwas auf und sorgt mitunter auch für einen kleinen Schmunzler auf eurem Weg.
Interessanter Schlagabtausch
Die Gesamtpräsentation von “A Way Out” kann sich dafür umso mehr sehen lassen. Ein wirklich hübsch anzusehendes Spiel mit fantastischen Charaktermodellen, einer gelungenen Atmosphäre und einem interessanten Ansatz, wie man zwischen den Charakteren wechselt. Besonders bei der Flucht aus dem Krankenhaus setzt man hier ständig auf einen fließenden und cineastischen Kameraschwenk- und fahrten zwischen Leo und Vincent, die dem Ganzen eine fantastische Dynamik verleihen, die man selten so sehr genießt wie hier. Von der technischen Seite aus gesehen erlaubt man sich zudem nur minimale Schnitzer, bei denen Texturen mal zu spät nachladen oder es mal eine kleine Verzögerung bei der Synchronisierung der Charaktere gibt, was im Couch-KoOp allerdings auch deutlich besser funktioniert. Und obwohl das Spiel auf Standards wie HDR verzichtet, bekommt man durch den gewählten Grafik-Look und die Beleuchtungstechnik eine jederzeit stimmige Atmosphäre geboten, der man sich gerne hingibt. Unterstrichen wird das mit einem meist ruhigen Soundtrack, der spannende Momente gekonnt betont, gepaart mit einer ordentlichen Synchronsprecherleistung.