Passend zur diesjährigen Halloween-Saison haben Focus Home Interactive und die Cyanide Studios mit “Call of Cthulhu” einen echten Horror-Klassiker am Start. Hier geht es jedoch weniger um den massentauglichen Mainstream-Horror, der sich irgendwann in einem Action-Shooter verliert, sondern mehr um eine klassische Gruselgeschichte im Pen & Paper RPG-Stil, inspiriert durch den von H.P. Lovecraft geschaffenen Mythos, der seit Jahrzehnten die Fans begeistert. Wir haben uns vorab schon einmal in diesen “Wahnsinn” gestürzt und verraten euch, ob das Spiel seiner Vorlage gerecht wird.
Zwischen Wahnsinn und Realität
In “Call of Cthulhu” geht es nicht um das klassische Gut gegen Böse oder um eine Helden-Story. Wer die Romane und Geschichten rund um den Mythos kennt, sollte wissen, was einen mit dem Spiel erwartet – fantastische Geschichten rund um Kulte, Kreaturen und kosmische Einflüsse, so auch in diesem Fall.
“In dieser Welt ist nichts so wie es scheint. Vernunft ist ein irregulärer Bettgenosse, allzu oft ersetzt durch das Flüstern im Dunkeln. Seltsame Kreaturen, seltsame Wissenschaft und schattenhafte Kulte beherrschen den Cthulhu-Mythos, um ihre verrückten Pläne zu verwirklichen und das Ende von allem herbeizuführen.”
In der neuesten Erzählung schlüpft ihr in die Rolle des Privatdetektivs Edward Pierce, der in der jüngsten Zeit eher erfolglos bei seinen Fällen war und inzwischen ein kleines Alkoholproblem hat. Er braucht dringend einen neuen Fall, um von der Kammer nicht vor die Tür gesetzt zu werden, als dieser glücklicherweise wie gerufen durch seine Tür spaziert kommt. Ein Mord muss aufgeklärt werden, jedoch nicht bequem vor der eigenen Haustüre in Boston, sondern auf dem mysteriösem und isolierten Dark Island vor der Küste der Stadt.
Dark Island war einst als Walfang-Station bekannt, mit der die Einwohner ihren Lebensunterhalt verdient haben. Doch mit der Zeit gingen hier immer merkwürdigere Dinge vor sich und alles hat sich verändert – und das nicht wirklich zum Positiven. Das merkt auch Pierce recht schnell bei seiner Ankunft auf der Insel, der eigentlich nichts anderes möchte, als den Mord an der Hawkings-Familie aufklären, mit dessen Ankunft, und insbesondere die der Ehefrau Sarah Hawkins und ihren Gemälden, die Ereignisse auf Dark Water in Gang gesetzt wurden. Zunächst trifft man dabei nur auf mürrische Fischer und verschlossene Einwohner, während man nach und nach immer mehr Ungereimtheiten aufdeckt, die schnell erkennen lassen, dass es hier nicht nur um einen Mord geht, sondern ihr selbst zum Spielball einer okkulten Sekte werdet. Vor euch liegt nun ein immer komplizierterer Fall, der mit unvorhersehbaren Wendungen, überraschenden Entdeckungen und interessanten Charakteren gepflastert ist, von denen man sich nie sicher sein kann, dass alles so ist wie es scheint.
Der Ruf des Cthulhu
Die Geschichte von “Call of Cthulhu” entwickelt sich vor allem durch eure Ermittlungen und Entscheidungen, die ihr dabei trefft und fällt dementsprechend individuell aus. Hierzu kann man die klassische Detektivarbeit verfolgen und nach Hinweisen suchen, Personen befragen und am Ende alles miteinander kombinieren, um voran zu kommen. Dennoch würde ich “Call of Cthulhu” nicht als das klassischste Detektivspiel bezeichnen, da die gebotene Spieltiefe doch etwas zu oberflächlich verläuft und man nur selten wirklich überlegen muss, wie jetzt etwas zusammenpasst. Vielmehr stolpert man immer über den nächsten Schritt, muss Dinge lediglich anklicken und folgt damit einer recht linearen Erzählung, die hier und da ein wenig durch Schicksalsentscheidungen gelenkt wird. Am Ende war es vielleicht ein Rätsel, wo man mal wirklich überlegen und kombinieren musste, um es zu lösen. Einmal gab es zum Beispiel lediglich einen kleinen Hinweis auf eine Tonspule, die wiederum auf eine Romanreihe verwies, die man finden musste, um auf die Lösung zu kommen. Davon hätte ich mir durchaus mehr gewünscht und nicht solch statisch wirkende Hinweise, die man nur der Reihe nach abarbeiten muss.
Hinzu kommen sich weiterentwickelnde Fähigkeiten, wie Psychologie, Redegewandtheit oder Okkultismus, die oftmals in Gesprächen hilfreich sein können und womöglich mehr Optionen freilegen. Das gilt übrigens auch für gefundene Hinweise, die sich mit steigenden Fähigkeiten besser finden und einen in Gesprächen “geschickter” Antworten lassen. Andere Fähigkeiten wie Medizin für die eigene Stärke bleiben aber auch nach Abschluss des Spiels ein wenig unklar, da Pierce nicht wirklich auf Auseinandersetzungen angewiesen ist. Findet man sich mal in einem “Bosskampf” wieder, muss man meist einfach nur flüchten. Läuft man den wenigen Gegnern so über den Weg, ist der Tod so oder so gewiss, da man über keine Waffen verfügt und sich somit auch nicht verteidigen kann. Warum einen die Fähigkeit also stärker machen soll, erschließt sich somit nicht wirklich.
Ein interessanter Aspekt ist dafür, dass sich Pierce im Laufe seiner Arbeit auf der Insel dem dortigen Okkultismus nicht gänzlich entziehen kann, der euch sprichwörtlich in den Wahnsinn treibt. Dies geht oftmals soweit, dass man zwischen verschiedenen Dimensionen reist, Flashbacks erlebt oder Tatorte so noch einmal rekonstruieren muss. Das kommt unter anderem in einem späteren Kapitel in der Anstalt zum Tragen, in der man in einer Art geisterhaften Welt vermauerte Türen freilegen muss, um sie in der realen Welt durchqueren zu können. Oft obliegt es euch auch selbst, wie sehr man an diesen Wahnsinn glauben möchte, sich diesem hingibt oder versucht sein rationales Denken beizubehalten. Das passiert auch nicht alles von jetzt auf gleich, sondern wird gekonnt in die Erzählung eingeflochten, hinter Entscheidungen gelegt und an eure Handlungen geknüpft, so dass euch der Wahnsinn eher schleichend ereilt, bis hin zum Ende und dem ultimativen Ausgang der Geschichte.
Gruselig, dezenter Horror
Was die Kulissen von “Call of Cthulhu” betrifft, bedient man sich den klassischen Elementen, wie einem alten Herrenhaus, eine Anstalt oder ein Gefängnis. Gruselig und teils sehr düster gehalten, aber auch mit einem sehr künstlerischen Aspekt, was sich insbesondere bei dem alten Herrenhaus abzeichnet. Hier spielt man auch sehr viel mit psychologischen Ansätzen herum und setzt dazu verstärkt auf die Vorstellungskraft des Spielers. Hier einen Zirkel auf dem Boden, da eine Gestalt in der Ferne oder Monster in Gemälden und all solche Dinge, ohne aber, dass dann irgendetwas passiert, meistens jedenfalls. Das hält das Erkunden mit einer subtilen Spannung permanent hoch und zieht einen zunehmend in die Geschichte hinein.
Auf der technischen Seite merkt man mal wieder deutlich, dass die Spiele von Focus Home Interactive keinesfalls mit einem Triple-A Spiel wie z.B. von Sony konkurrieren könnten. Dafür wirkt es einfach noch zu grob umgesetzt, Animationen einfacher gehalten und sehr offensichtlich, dass das Budget nicht unbegrenzt war. Auf der andere Seite muss man aber auch feststellen, dass genau diese Art immer sehr gut zu dem Spiel und der Zeit darin passt und solche Aspekte schnell in den Hintergrund rücken. Das trübt dennoch darüber hinweg, dass man sich hier und da manchmal etwas mehr gewünscht hätte. Beeindruckend sind dafür wieder die cineastischen Ansätze von “Call of Cthulhu”, die gewählten Kameraeinstellungen und natürlich das gekonnte Einspielen der Musik im Eröffnungsszenen & Co., die echte Gänsehautmomente versprechen. Hier hat man an genau den richtigen Stellen investiert, um die äußerst spannende Geschichte mit klassischen und orchestralen Einlagen immer in die richtige Atmosphäre zu versetzen.