Vor mittlerweile 10 Jahren veröffentlichte Entwickler Infinity Ward das von Kritikern und Spielern hochgelobte „Modern Warfare“, das die „Call of Duty“-Reihe erstmals in die moderne Zeit brachte und dabei neue Standards setzte. Wohl kaum ein Spieler wird sich nicht gerne an die legendäre Tschernobyl-Mission erinnern, in der durch das verseuchte Gebiet geschlichen werden musste. Zwei erfolgreiche Nachfolger später, erschien mit „Ghosts“ vor drei Jahren eine Art Bindeglied zwischen Gegenwarts- und Zukunftssetting, was auch uns im Test überzeugen konnte. Es folgten zwei weitere „Call of Duty“-Spiele anderer Entwickler, die immer futuristischer wurden. Auch bei Infinity Ward beugte man sich diesem Trend und verfrachtete das Spielgeschehen des neuesten Teils „Infinite Warfare“ einfach mal zum größten Teil in den Weltraum. Ob dieser Sprung in den luftleeren Raum geglückt ist, oder ob die Luft doch auf halber Strecke ausgeht, lest ihr in unserem Test.
Die Kampagne
In einer nicht genauer definierten Zukunft sieht sich die Erde mit knappen Ressourcen konfrontiert, weshalb Kolonien auf anderen Planeten gegründet werden. Die ursprünglich zur Verteidigung dieser Kolonien gegründete Settlement Defense Force, kurz SDF, sah sich bereits vor den Ereignissen von „Infinite Warfare“ schnell als der Erde gegenüber übermächtig an und erkämpfte sich beispielsweise die Souveränität des Planeten Mars. Aus Gründen, die zumindest uns nicht wirklich klar wurden, wollen sie nun die Erde komplett unterjochen und somit die Herrschaft des gesamten Sonnensystems an sich reißen. Dabei schrecken sie nicht davor zurück die Erde anzugreifen und auch Zivilisten gezielt abzuschlachten. Eure Aufgabe ist es nun diesen Plan zu vereiteln, indem ihr die Pläne des gegnerischen Anführers, der von Kit Harrington (alias Jon Snow aus Game of Thrones) verkörpert wird, durchkreuzt. Hierfür steht euch ein mächtiger Weltraumkreuzer samt Flotte zur Verfügung, dessen Kommando ihr zu Beginn des Spiels übernehmen müsst. Eine ausgeklügelte Story ist definitiv etwas Anderes, zumal der starbesetzte Konterfeit fast ausschließlich über Videobotschaften als klischeebeladener Bösewicht auftaucht und damit weit hinter Kevin Spaceys Charakter aus „Advanced Warfare“ zurückbleibt.
Nahtloser Weltraumkampf
Trotz aller Mängel in der Story und typischem Heldenepos, vermag aber auch Infinite Warfare uns hin und wieder durch die Inszenierung der Action an den Bildschirm zu fesseln. Zudem merkt man dem Titel an, dass vor allem zu Anfang durchaus gezielt längere Passagen integriert wurden, in denen es um den Aufbau einer Verbindung zum eigenen Charakter und der Crew geht, anstatt um hirnlose Action. Besonders gelungen ist dabei die Verknüpfung der einzelnen Missionen, die fast übergangslos vonstattengeht. Zwischensequenzen wurden auf das Minimalste beschränkt und finden eher während einer Mission statt, als typisch zu Beginn oder erst am Ende. Dreh und Angelpunkt ist immer euer Kreuzer, von dem aus ihr mit eurem wendigeren Jäger (automatisch) zu euren Einsatzgebieten fliegt, anstatt einfach nur einen Ladebildschirm betrachten zu dürfen. Dabei könnt ihr beispielsweise die Brücke nach Belieben erforschen und auf eurem Computer Hintergrundinfos zur Story durchlesen. Sogar Nebenmissionen können gewählt werden, wodurch ein gewisses Gefühl von Freiheit vermittelt wird, die sich insgesamt aber natürlich in Grenzen hält. Die Level sind nach wie vor schlauchartig, bieten jedoch in der Breite Raum für Variationen. Rechts die Treppe hoch, ab durch die Mitte oder links durch das kleine Gebäude. Mehr Wahlmöglichkeiten dürft ihr leider nicht erwarten. Hier hätte es zahlreiche Möglichkeiten gegeben, die offeneren Ansätze noch deutlich auszubauen, was sicherlich erfrischend für die Reihe gewesen wäre. Auch an der Intelligenz eurer Gegner muss wieder gemeckert werden, da diese alles andere als klug und überraschend agieren.
Die Missionen im Weltraumjäger sind eine nette Abwechslung und durchaus gut in Szene gesetzt, wer allerdings schon richtige Genrevertreter gespielt hat, wie beispielsweise Eve Valkyrie, der wird über den spielerischen Aspekt leider nur müde lächeln können. Die Missionen und das Eliminieren von Gegnern sind schlicht zu simpel. Das Schiff steuert sich so wendig und das Zielen geht fast automatisch, sodass zumindest bei uns eher ein gewisses Schießbudengefühl vermittelt wurde, anstatt sich wirklich hinter dem Steuer eines futuristischen Jägers zu fühlen.
Wenig Neues im Multiplayer
Leider spielt sich der Multiplayer fast identisch wie zuvor. Änderungen müssen mit der Lupe gesucht werden, weshalb es mehr denn je wie ein simples Addon zu wirken scheint. Zwar werden durchaus neue Modi geboten, diese sind aber wenig innovativ und haben kaum Chancen, zu neuen Klassikern zu werden. So bietet „Front“ beispielsweise ein sehr schnelles Erlebnis auf den insgesamt recht klein geratenen Karten, bei dem ihr nach eurem Ableben sofort wieder im Geschehen seid und möglichst viele Gegner beseitigen müsst. Dabei haben beide Teams feste Einstiegspunkte, in dessen Umfeld das jeweilige Team einen Verteidigungsbonus hat. Gut gelungen ist das komplexe Erfahrungssystem, bei dem ihr nicht nur für euer Level, sondern auch für euren Rang in eurem wählbaren Team mit unterschiedlichen Boni und bei Benutzung für jede einzelne Waffe Erfahrung erhaltet. Dadurch werden nur die Waffen kompetitiv attraktiv, die ihr wirklich häufig benutzt, was die Dauermotivation fördert. Unverständlich ist hingegen die Entscheidung, dass die freispielbaren Loot-Boxen, die euch zufällige Waffen geben, in einem Vollpreistitel auch mit Echtgeld käuflich zu erwerben sind. Denn je nach Seltenheitsgrad der Waffe verfügt diese über spürbar bessere Werte oder gar Extras, wodurch eine Tendenz zum Pay-2-Win nicht abzustreiten ist.
Geheimtipp: Zombies in Spaceland
Positiv überrascht hat tatsächlich der Zombie-Modus „Zombies in Spaceland“. Hier kann man zahlreiche sinnvolle und durchaus innovative Neuerungen finden, die den Modus zu einem echten Spaß und mit drei Freunden sogar zur absoluten Pflicht machen. Das Setting ist stark an die 80er-Jahre angelehnt. Die vier abgedrehten Charaktere erwachen durch hollywoodreife Synchronisation sowie individuelle Kommentare zum Leben und stellen ein wunderbares Klischee dieses Jahrzehnts dar. Auch der Soundtrack beinhaltet bekannte Tophits aus der Zeit und machen den Schauplatz, einem Freizeitpark im Weltall, zu einer abgefahrenen Kombination aus Kult und Futurismus. Diesen gilt es schrittweise freizuschalten, um die überall verstreuten Gimmicks und Easter-Eggs zu entdecken. Wie immer stürmen in Wellen Zombies auf euch, die teils doch ziemlich schräg sind. So rennen zum Beispiel mit Sprengstoff bepackte Killerclowns auf euch zu und auch alienartige Wesen haben ihren Auftritt.
Genial ist die Neuerung, dass ihr im Multiplayer nach dem Ableben im Jenseits in Form einer Spielhalle landet. Hier könnt ihr an vielen lustigen und klassischen Automaten und Jahrmarktspielchen Seelenpunkte ergattern, bis ihr euch selbst wiederbeleben könnt. Dies senkt den Frust nach dem Tod enorm, da ihr euch selbst auf lustige Art und Weise ins Leben zurückkämpfen könnt, anstatt euren Mitspielern in teils elendig langen Runden zusehen zu müssen. Zwar wird es dadurch insgesamt natürlich deutlich leichter, jedoch gibt es eine maximale Anzahl an möglichen Selbstwiederbelebungen, sodass euch am Ende nur der Blick durch den im Jenseits aufgebauten Fernseher bleibt, durch den ihr das Spielgeschehen weiterverfolgen könnt. Klasse Umsetzung! Zusätzlich warten unter anderem ständig rotierende Herausforderungen auf euch, durch die ihr euch Tickets verdienen könnt, um diese in nützliche Gegenstände zu investieren. Ihr werdet einige Runden brauchen, um euch mit den zahlreichen Neuerungen vertraut zu machen, doch gerade dies weckt den Entdeckungstrieb, der den Modus zum Geheimtipp von Infinite-Warfare macht. Der Zombie-Modus weist zudem das gleiche Levelsystem wie der normale Multiplayer auf, jedoch sind diese voneinander getrennt. Deshalb wird auch in dieser Hinsicht einiges an Wiederspielwert geboten, da ihr euch das Spiel von Mal zu Mal durch den Einsatz besserer Waffen vereinfachen könnt. Unterfordernd wird es dadurch aber nicht, denn spätestens nach zwanzig Wellen wird es bockschwer, für Herausforderung ist definitiv gesorgt!
Technisch durchwachsen
Vor allem im Vergleich mit der aktuellen Konkurrenz weiß die Grafik insgesamt nicht zu überzeugen. Zwar sieht vor allem auf der PS4 Pro alles gestochen scharf und vieles hin und wieder auch sonst beeindruckend aus, trotzdem vermittelt die Grafikengine mittlerweile einen altbackenen Eindruck. Auch die Synchronisation überzeugt nur im Zombie-Modus so wirklich. Es mag an der im deutschen Sprachraum ungewohnten Kriegsrhetorik liegen, auf Deutsch wirken viele Sprüche der Kampagne einfach aufgesetzt und damit nicht authentisch. Die Soundeffekte und die Musik sind hingegen wie immer bombastisch und erschaffen bei entsprechender Lautstärke ein beeindruckendes Spielszenario.
Highlight: Modern Warfare Remastered
Der Legacy-Edition von Infinite Warfare liegt eine aufbereitete Version des zu Beginn des Tests erwähnten „Modern Warfare“ bei. Wer mit Call of Duty halbwegs etwas anfangen kann und diesen Teil noch nicht gespielt hat, der sollte ihn sich keinesfalls entgehen lassen. Zumindest uns hat der grafisch ordentlich aufgemotzte Ritt in die Vergangenheit wieder daran erinnert, wie sehr wir uns wieder ein einigermaßen realistisches Call of Duty wünschen, das in der Gegenwart spielt. In einem realistischen Szenario böse Terroristen zu jagen wirkt eben doch deutlich authentischer, als im Weltall gegen fiktive Söldnertruppen anzutreten. Auch der Multiplayer verzichtet auf futuristische Extras und setzt viel eindringlicher auf gute Reaktions- und Zielfähigkeiten, als auf wildes Herumspringen und den Einsatz von zu starken Extras, die für Jedermann verfügbar sind. Daher sei hier nochmals eine unbedingte Kaufempfehlung für die Legacy-Edition ausgesprochen! In die Wertung fließt der Zusatz nicht, eine 9/10 hat das Remaster an sich allemal verdient.