TEST: EA Sports WRC – Das Next-Gen-Rallyespiel, das nicht ganz Next-Gen ist

By Jonas Herrmann Add a Comment
8 Min Read

Am 3. November ist Codemasters‘ mit Spannung erwartete neue Rallye-Simulation EA Sports WRC für die PS5, die Xbox Series X/S und den PC erschienen. Der Early-Access startete zwar schon am 31. Oktober, unsere Test-Version wollte aber erst zum Release so richtig Gas geben. Mittlerweile haben wir mehrere hunderte Kilometer über Schotter, Schnee und Asphalt abgespult und verraten euch im Test, wie das neue Rennspiel und der Emtwicklerwechsel so abschneidet.

Die Hochzeit zweier Marken

Das britische Studio Codemasters dürfte wohl jedem Rennspiel und vor allem jedem Rallye-Sim-Fan ein Begriff sein. Schon vor über 20 Jahren wurde dort nämlich die Colin McRae-Serie entwickelt. Den letzten Ausflug in den Rallye-Sport gab es 2019 mit Dirt Rallye 2.0. Das danach erschienene Dirt 5 (unser Test) ist deutlich arcadiger und setzt auch vor allem auf direkte Duelle auf der Rennstrecke statt auf den klassischen Kampf gegen die Stoppuhr.

Dirt Rally 2.0 ist bei Fans sehr beliebt und wurde bis zuletzt regelmäßig viel gespielt. Das Einzige, was im Grunde fehlte, war die Lizenz der WRC, also der wichtigsten Rally-Meisterschaft der Welt. Die lag bis 2022 bei Kylotonn bzw. KT Racing, die mit der WRC-Serie eine eigene Reihe auf den Markt brachten. WRC Generations war dabei im letzten Jahr sowohl der Höhe- als auch der Endpunkt. Die Lizenz ging nämlich an EA über, die mittlerweile auch die Besitzer von Codemasters sind. Nach all den Jahren kommt also endlich zusammen, was laut vielen Fans zusammengehört. Einzig die Rolle von EA ist vielen nicht ganz geheuer, dazu später aber mehr.

Fahrphyik zum Niederknien

Das Allerwichtigste direkt zum Start: EA Sports WRC steuert sich hervorragend und macht rein vom Gameplay her unheimlich Laune. Die Fahrphysik erinnert stark an Dirt Rally 2.0, ist aber in vielen Punkten nochmal besser und griffiger, speziell die Fahrten auf Asphalt sind spürbar besser als zuvor. Ob es sich nun um eine Simulation, eine Simcade oder einfach ein Rennspiel handelt, darüber dürfen gerne andere streiten. Fest steht, dass ich mich noch nie so sehr wie ein echter Rallye-Fahrer gefühlt habe wie hier. Und das dürfte für die allermeisten auch das wichtigste sein.

Die über 78 Fahrzeuge steuern sich allesamt unterschiedlich und man spürt auch ganz deutlich, auf welchem Untergrund man gerade unterwegs ist. Jede Etappe und jede Location wartet mit ganz anderen Herausforderungen, die zwar mitunter sehr fordernd, aber eben auch spaßig sind. Mal versuchen wir auf langen, aber engen Geraden bei voller Geschwindigkeit die Kontrolle zu behalten, dann driften wir gekonnt um Haarnadelkurven oder kämpfen uns durch verschneite Waldgebiete.

EA Sports WRC

Besonders die Physik der Fahrzeuge ist dabei wie schon im Quasi-Vorgänger besonders gut gelungen. Um möglichst schnell um enge Kurven zu kommen, müssen wir vorher das Gewicht auf die richtigen Reifen verlagern. Das fühlt sich mitunter an wie ein Tanz – nur eben bei 180 km/h und mitten im Wald!

Nur ein Hauch Next-Gen

Alles in Butter also? Leider nicht ganz. Es gibt einen ganz großen Kritikpunkt an EA Sports WRC: Die Technik. Das Spiel sieht trotz Umstieg auf die Unreal Engine höchstens Ok aus. Andere aktuelle Rennspiele wie Gran Turismo 7 oder The Crew Motorfest (unser Test) sind einfach noch mal eine Ecke hübscher und bieten auch Features wie Raytracing oder moderne Beleuchtung, die man auf der PS5 einfach erwarten würde. Codemasters und EA sprachen im Vorfeld von der „Next-Gen-Rallye-Sim“ und dieses Versprechen wird einfach nicht eingelöst. Grafik ist natürlich nicht alles und es gibt einige wirklich schöne Effekte und Landschaften, wirklich neu fühlt sich das Spiel aber einfach selten an.

EA Sports WRC

Noch viel schwerer wiegen dadurch die starken Performance-Probleme, unter denen das Spiel derzeit noch leidet. In manchen Locations wie Monaco, Kroatien oder Japan ist es besonders schlimm, aber auch an anderen Orten kommt es immer mal wieder zu spürbaren Einbrüchen bei der Framerate. Das ist nicht nur nervig, sondern in einem Rennspiel, in dem es teilweise um Milisekunden geht, auch wirklich problematisch. Codemasters hat schon Patches angekündigt und versprochen, das technische Niveau erhöhen zu wollen, aktuell bleibt aber ein fader Beigeschmack.

Es ist natürlich nicht ersichtlich, wo die Probleme in der Entwicklung gelegen haben. Der Wechsel von der über Jahre genutzten Ego-Engine zur Unreal Engine war sicherlich nicht einfach, aber man wird das Gefühl beim Spielen nicht los, dass die Entwickler einfach noch ein paar Monate Zeit gebraucht hätten. Weshalb man das Spiel unbedingt jetzt schon veröffentlichen wollte, kann ebenfalls nur spekuliert werden. Die WRC-Saison endet allerdings schon in wenigen Wochen und es ist gut vorstellbar, dass man diese noch mitnehmen wollte. Nächstes Jahr gibt es wieder neue Fahrer und Fahrzeuge und einen neuen Kalender. Ob die per Update eingebaut werden oder ob es schon 2024 einen Nachfolger gibt, ist aktuell nicht sicher.

Viel zu tun

Für die Entwickler gibt es also viel zu tun, aber auch den Spielern wird so schnell nicht langweilig werden. EA Sports WRC ist nämlich extrem umfangreich. Über 200 Etappen mit mehr als 600 Kilometern verteilt auf 18 Locations (von denen eine erst nach dem Release hinzugefügt wird) warten nur darauf, von euch erkundet zu werden. Die Varianz ist dabei groß und von Schweden über Sardinien und Kenya bis nach Chile oder Mexico ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.

EA Sports WRC

Hier kommt auch der große Vorteil der neuen Engine zum Tragen. Einige der Etappen sind nämlich über 34 Kilometer lang! Die allermeisten Etappen in Dirt Rally 2.0 waren um die 10 km lang und selbst in WRC Generations gab es nur Ausnahmen mit knapp mehr als 20 km Länge. Ein echter Gewinn und eine ordentliche Herausforderung, für die ihr teilweise 25 Minuten volle Konzentration braucht. Ein kleiner Fehler kann dabei das Ende bedeuten. So geht Rallye-Sport!

Neben dem klassischen Zeitfahren, bei dem eure Bestzeiten auch wieder online verglichen werden können, gibt es die Möglichkeit, in der Karriere mehrere Saisons inklusive Budget- und Team-Planung zu absolvieren. Ihr könnt aber auch einfach so eine Saison mit den offiziellen Teams starten oder eine eigene Championship starten.

EA Sports WRC

Im Moments-Modus werden historische Momente aus der WRC in täglichen Herausforderungen aufgegriffen und Einsteiger können in der Rallye-School erst mal fahren lernen. Cool ist das Feature, einen eigenen Rallye-Boliden aus einer Auswahl an Teilen zusammenzustellen. Lackierungen können dabei ebenfalls angepasst werden. Die Menüs und Spielmodi sind dabei zwar eher dröge und eintönig präsentiert, sollten euch aber trotzdem auf Monate bestens unterhalten.

Fazit

TEST: EA Sports WRC – Das Next-Gen-Rallyespiel, das nicht ganz Next-Gen ist
"EA Sports WRC hat fast alle Zutaten, die es zu einem echten Hit braucht, steht sich mit der schwachen Technik aber selbst im Weg. Das Fahrverhalten und der Umfang sind ein Traum für Fans des Genres und für Rallye-Enthusiasten führt im Grunde kein Weg am Titel vorbei. Wer aber auf ein Next-Gen-Rennspiel gehofft hat, dürfte schwer enttäuscht werden. Letztlich liegt es an den Entwicklern, die mit konstanter Arbeit ein gutes Spiel in den kommenden Wochen und Monaten in einen echten Kracher verwandeln könnten."
Pro
Fantastische Fahrphysik
Tolles Rallye-Gefühl
Umfangreiches Paket
Contra
Optisch nur auf mittelmäßigem Niveau
Große Probleme bei der Performance
8.4
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