Square Enix und Platinum Games präsentieren in diesen Tagen mit „NieR: Automata“ ein Sequel zum dem 2010 erschienenen „NieR“, das seinerseits ein Spin-off der Drakengard Serie war. Eher mittelmäßig fielen damals die Reviews zu „NieR“ aus, auch wenn die Story durchweg gelobt wurde. Das eigentliche Problem fand sich im Gameplay, das eher durchwachsen und als Hindernis gesehen wurde. Dennoch musste es bewältigt werden, um zur nächsten Story-Sequenz zu gelangen. „NieR: Automata“ schneidet dank Platinum Games deutlich besser in diesem Bereich ab und schafft es durch Direktor Yoko Taro auch wieder durch die Geschichte zu überzeugen.
Androide gegen Roboter
„NieR: Automata“ spielt Jahrtausende nach den Ereignissen von „NieR“ und ist Inhaltlich eigenständig. Das Wissen um den ersten Teil kann allerdings dabei helfen, einige Anspielungen besser zu verstehen. Aliens griffen mit Robotern als Streitmacht die Erde an, die Menschheit kämpfte mit allen Mitteln gegen die Invasoren, musste sich aber geschlagen geben und auf dem Mond Zuflucht suchen. Von dort senden sie nun eine Armee von Androiden in den Kampf, in der Hoffnung, dass die Erde wieder zurückerobert werden kann.
Die Helden der Geschichte sind der 2B, 9S und 2A, Kampfandroide der YoRHa Einheit. 2B ist eine geradeaus gerichtete Heldin, die immer ihr Ziel vor Augen hat. Emotionen versucht sie wenn möglich zu unterdrücken, da diese die Mission gefährden und innerhalb der YoRHa Einheit nicht geduldet werden. 9S ist ein Scout, sammelt Feinddaten und arbeitet für gewöhnlich alleine. Im Gegensatz zu 2B hat 9S allerdings einen Sinn für Humor und nimmt es mit Emotionen nicht so eng, was bei 2B nicht immer auf Zustimmung stößt. A2 stellt indes unsere letzte Heldin dar, eine sehr durch Emotionen getriebene Androidin, die von YoRHa als Deserteur gesucht wird.2B und 9S verschlägt es zu Beginn ihres Abenteuers in ein Widerstandslager voller Androiden. Bald schon machen sich die beiden auf die Suche nach vermissten Widerstandskämpfern und finden dabei nicht nur feindliche Roboter, die Emotionen an den Tag legen und in ihrem Verhalten Menschen nacheifern, sondern auch ein Dorf voller Roboter, die für ein friedliches Zusammenleben mit Androiden und Menschen sind. Besonders aber 9S zweifelt an der Aufrichtigkeit der Roboter, da ihm und 2B immer eingebläut wurde, dass die Roboter nicht eigenständig denken und all ihre Taten nur willkürlich sind – Zeichen von Intelligenz seien daher nur sporadische Macken ihrer Programmierung.
Als sich allerdings herausstellt, dass das Widerstandslager schon seit Längerem mit dem Roboterdorf einen Handel betreibt und auch die YoRHa Leitung über die “lebendigen” Roboter Bescheid weiß, stellt sich die Frage, ob ihnen nicht noch mehr Informationen vorenthalten werden.
Gameplay-Mix
„NieR: Automata“ ist ein seltsamer Gameplay-Mix, der sich an vielen Spielen und Genres bedient. Schon in den ersten 30 Minuten wechselt „NieR: Automata“ nicht nur ständig die Kameraperspektive, sondern auch das Untergenre. Die erste Actionsequenz gibt euch die Kontrolle über eine YoRHa-Flugeinheit, in der ihr in einer Top-down Ansicht feindliche Einheiten abschießen müsst, nur fünf Minuten später wechselt das Spiel dann zu einem Twin-Stick-Shooter, kurz darauf zu einer Flugsequenz, die an die Star Fox-Serie erinnert, danach in eine seitliche Ansicht a la R-Type und abschließend zu einer 3rd-Person Actionszene, in der ihr dann 2B persönlich steuert. Beeindruckend ist, dass alle Übergänge nahezu nahtlos geschehen und dem Spieler praktisch alle Genres und Steuerungsschemata in einer knappen Einleitung präsentiert werden.
Der Großteil des Spiels wird allerdings in einer traditionellen 3rd Person Perspektive verbracht, Kameraperspektiven und Genres wechseln hier nur an festen Punkten, wie z. B. Platforming Sequenzen. „NieR: Automata“ schreckt allerdings auch nicht davor zurück seine Story in sehr sporadischen Text-Adventure-Sequenzen voranzutreiben, die überraschenderweise sehr interessant und unterhaltsam sind – für gewöhnlich kann ich persönlich jedoch nichts mit diesem Gameplay-Stil anfangen.Die Welt von „NieR: Automata“ ist dabei Semi-Open-World und erschließt sich im Laufe des Spiels immer weiter. In kleinen Niederlassungen lässt euch das Spiel immer wieder neue Nebenmissionen auswählen, während der nächste Punkt der Hauptmission jederzeit im Menü einsehbar ist. Sehr lobenswert ist zudem, dass fast alle Nebenmissionen auf der Karte vermerkt werden, daher muss man Siedlungen nicht ständig erneut aufsuchen, um nach sich nach neuen Missionen zu erkundigen. Relevante Punkte werden unterdessen immer auf der Karte vermerkt, wodurch man nicht erst nach einem Gegenstand oder Gegner-Typ suchen muss, der für eine Mission notwendig ist. Man begibt sich einfach zum Marker, erfüllt seine Aufgabe und kann innerhalb von fünf bis zehn Minuten die Mission beenden.
Das eigentliche Kampfsystem ist für ein Platinum Games-Spiel auf den ersten Blick erschreckend einfach. Getimte Kombos gibt es nur sehr wenige, stattdessen hat man pro Waffe eine starke und schwache Angriffskette, die durch das Verstärken der Waffe effektiver und länger wird. Zwei Waffen dürfen dabei pro Set ausgerüstet werden und können bequem im Kombo mit einem Tastendruck gewechselt werden. Für den Fernkampf steht euch unterdessen eine KI in einem “Pod“ zur Verfügung die euch je nach Typ mit Raketen, Lasern oder einer Gatling Gun unterstützt, sowie auch speziellen Programmen, die personalisiert werden können.
Mehr Tiefe bekommt „NieR: Automata“ durch das Chipsystem, das es uns erlaubt, die Androiden mit verschiedenen Fertigkeiten zu erweitern. Wie viele Chips ihr ausrüsten könnt, hängt dabei von eurer Speicherbegrenzung ab, die gegen einen Preis erweitert werden kann, sowie auch von der Qualität der Chips und deren Level. Chips können von Händlern erworben und von Feinden gelootet werden. Des Weiteren können Chips mit gleichem Level bei einem Händler gegen einen geringen Preis zu einem höheren Level verschmolzen werden.
Sterbt ihr, spawned ihr bei der nächsten Speichereinheit, müsst aber feststellen, dass sogar „Dark Souls“ gewisse Einflüsse auf „NieR: Automata“ hat. Eure Erfahrung, seit dem letzten Level-Up und Chips, zum Zeitpunkt des Todes, habt ihr verloren, wollt ihr diese zurück müsst ihr euren alten, zerbeulten, Körper finden, sterbt ihr erneut, verliert ihr diese natürlich. Findet ihr den Körper eines anderen Spielers, könnt ihr für diesen beten und ihm so seine Chips und Erfahrung zurückschicken und entweder den Körper wiederbeleben oder ausschlachten, um so kurzzeitig einen Verbündeten oder Buffs und HP zu erhalten.
Grafisch gewollt trist, aber hübsch
„NieR: Automata“ legt wie sein Vorgänger „NieR“ einen eher graubraunen Look an den Tag, der aber auch so gewollt ist. Ruinen und Trümmer alter Menschensiedlungen haben im ersten großen Gebiet die Vorherrschaft. Pflanzen und Bäume erobern die Ruinen zurück und machen klar, dass hier schon lange kein Mensch mehr seinen Fuß niedergesetzt hat. Weitere Gebiete, wie der Wald und die Wüste, machen dies sogar noch deutlicher. In der Wüste haben die Elemente den menschlichen Gebäuden noch stärker zugesetzt und diese teilweise bis auf ihre Grundmauern zersetzt, während im Wald ein verfallenes Schloss auf euch wartet, das anscheinend nicht von Robotern gebaut wurde.
„NieR: Automata“ läuft dabei zum Großteil in 60 FPS, sowohl auf der PS4 als auch auf der PS4 Pro, es kommt jedoch des Öfteren vor, dass das Spiel in die niedrige 50 FPS Grenze fällt. Dies beeinflusst das Gameplay zwar kaum, kann aber besonders bei Kameraschwenks unangenehm werden. Der große Unterschied zwischen der PS4 und der PS4 Pro ist jedoch die Auflösung und Bewegungsunschärfe. So stellt die Pro das Spiel in 1080p dar und bietet Bewegungs- und Objekt-Motionblur, während die PS4 nur 900p darstellt und über kein Blur verfügt. Auf der Pro hat das Spiel durch seine 1080p Auflösung ganz klar einen deutlich schärferen Look, während Kanten auf der PS4 schon mal unschön hervorstechen können. Ein weiteres Manko lässt sich in den Umgebungstexturen finden, diese können, wenn man sich schnell durch die Karte bewegt, ruckartig im Detailgrad wechseln und sind generell von mittelmäßiger Qualität.
Guter Ton, musikalisch atemberaubend
Wenn es um die Musik geht, ist „NieR: Automata“ ein Ausnahmespiel. Die Vielfalt und Kreativität, die hier an den Tag gelegt wird, ist absolut beeindruckend und von extrem hoher Qualität. Es wird dabei auch nicht davor zurückgeschreckt mit Elementen zu experimentieren. So geht z. B. Sprache aus einer Zwischensequenz direkt in einen Song über und bildet so den Chorus. Die Toneffekte sind dabei dezent aber effektiv, sodass in den Abwassersystemen z. B. ein leichter Hall über Soundeffekte gelegt wird. Effekte sind zudem gut gemixt und lassen sich auch mit Kopfhörern recht gut in Richtung und Distanz einschätzen. Als Sprachausgabe stehen zudem Englisch und Japanisch zur Auswahl, beide Optionen sind gelungen und bieten eine sehr emotionale Performance.
Brauchbar, aber nicht großartig, sind unterdessen die Deutschen Untertitel, die wiedermal Übersetzungsfehler aufweisen – zumindest wenn man die englischen Texte und Sprache als Grundlage nimmt. Im Deutschen wird der Punkt zum verbessern der Chips z. B. mit Sichere-Chipsübersetzt- vom englischen “fuse“ (die Elektrosicherung), gemeint ist aber “to fuse sth“, etwas verbinden/verschmelzen.
Umfang
Nach ca. acht bis zehn Stunden gelangt man am Ende des Spiels an, fühlt sich aber etwas leer. Das war das Ende? Nein!“NieR: Automata“ macht von einem System nutzen, welches Yoko Taro schon vermehrt in seinen Spielen genutzt hat. Beim erneuten Durchspielen wird die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel erzählt und offenbart völlig neue Ereignisse. Beim zweiten Anlauf schlüpft man so z. B. in die Haut von 9S und spielt praktisch dieselbe Geschichte, nur sieht man alles aus seiner Perspektive und erlebt was mit 9S geschieht, als 2B und er getrennt waren. Die letzte Hälfte des Spiels offenbart sich zudem erst nachdem zweiten Durchlauf und ist vom Inhalt völlig neu.
Für Komplettisten wartet das Spiel derweil mit 40 verschiedenen Waffen auf, die gekauft und gefunden werden wollen, etlichen Textdateien, mit Hintergrundinformationen, 60 Nebenquests und insgesamt 26 Enden, von denen 22 aber nur kleine, versteckte, Scherzenden sind.
Persönlich brauchte ich knapp 44 Stunden um das Spiel durchzuspielen, dabei habe ich ca 60 % der Nebenmissionen abgeschnitten. Wer 100% erreichen will, kann ca. mit 60 bis 80 Stunden Spielzeit rechnen.