Mit „Final Fantasy VII Remake“ hat Square Enix den wahrscheinlich beliebtesten Klassiker aus dem eigenen Portfolio generalüberholt. In unserem Test erfahrt ihr, warum die Modernisierung in weiten Teilen gelungen ist, in einigen Bereichen aber auch hinter den hohen Erwartungen zurückbleibt.
Dystopie und Widerstand
In Final Fantasy VII Remake schlüpfen wir in die Rolle des ehemaligen Soldaten Cloud Strife, der sich als Söldner einer Gruppe von Widerstandskämpfern und Öko-Terroristen namens Avalanche anschließt. Deren selbsterklärtes Ziel ist, die Shinra-Company zu stürzen – ein Riesenkonzern, der dem Planeten zur Energiegewinnung die Leben spendende Ressource „Mako“ entzieht. Die Prämisse des Spiels ist also auch heute, 23 Jahre nach Release des Originals, noch brandaktuell. Sie weist – vor dem Hintergrund der drohenden Klimakatastrophe – deutliche Gegenwartsbezüge zur echten Welt auf.
In puncto Story haben sich die Entwickler um Creative Director Tetsuya Nomura die Freiheit genommen, vom Original mal mehr und mal weniger abzuweichen und die Midgar-Passage, die im Originalspiel lediglich den Startpunkt der Handlung markiert, so breit aufzufächern, dass sie das komplette Final Fantasy VII Remake füllt. Besonders positiv fällt die filmreife Inszenierung auf, mit smoothen Übergängen zwischen Cutscenes und Gameplay-Passagen, ohne Schwarzblende und – zumindest in weiten Teilen – störende Ladebildschirme.
Zudem machen die Sprecher der Protagonisten überwiegend einen guten Job. Die Dialoge sind allgemein auf einem hohen Niveau, auch wenn sie mit viel japanischem Pathos daherkommen und es einem zuweilen sogar schwer machen, die vermeintlichen Sympathieträger des Spiels (Stichwort: Barret) auch als solche anzunehmen.
Gameplay: Lob und Tadel
Die Entwickler haben das mittlerweile antiquierte Gamedesign des Originalspiels insgesamt erfolgreich in die Moderne übersetzt. Die rundenbasierten Kämpfe weichen einem dynamischen Echtzeit-Kampfsystem, das deutlich mehr Tempo ins Spiel bringt, den taktischen Kern aber beibehält. Positiv fällt auf, dass Spieler hier nach ihrem eigenen Gusto verfahren können. Das Spiel pausiert beim Aufrufen des Aktionsmenüs und lässt somit Zeit für kampfstrategische Entscheidungen. Echtzeit-Puristen können sich mithilfe von Schnellwahl-Tasten aber auch ohne Unterbrechungen bei der Aktionsauswahl in den Flow spielen. Durch hochwertige Animationen überzeugen die Kämpfe auch auf visueller Ebene. Trefferfeedback und Sounddesign verleihen ihnen den nötigen Wumms.
Allerdings weisen die Kämpfe auch Schwächen auf, die bereits aus anderen Ablegern der Reihe bekannt sind – fehlende Übersicht in den Kämpfen durch schlechte Kameraführung zum Beispiel. Auch sehr schade: Die Beschwörungen, die eigentlich das Herzstück der Final Fantasy-Saga sind, lassen sich wieder nur sehr situativ – in wenigen Bosskämpfen – einsetzen. Das war schon in Final Fantasy XV ein großer Kritikpunkt der Fans, den sich die Entwickler offensichtlich nicht zu Herz genommen haben. Und ein für die Reihe eher untypischer Makel kommt neu dazu: Die KI-gesteuerten Mitstreiter sind in den Kämpfen weitgehend nutzlos. Sie greifen sporadisch mit leichten Standardattacken an, verwenden aber in den seltensten Fällen ihre Fähigkeiten, sofern wir nicht selbst aktiv das Kommando übernehmen. Es gibt keine Möglichkeit, ihren Kampfstil im Menü anzupassen und der KI offensive oder defensive Strategien vorzugeben. Mit Hinblick auf die Final Fantasy-Historie ist dieser Schwachpunkt insofern bedauerlich, weil Final Fantasy XII seinerzeit die perfekte Blaupause für taktische KI-Steuerung geliefert hat. Für ein Rollenspiel, das als modernes Remake daherkommen möchte, ist das Fehlen strategischer Optionen für die Mitstreiter ein schwer nachvollziehbares Versäumnis.
Immer gut gerüstet?
Beim Waffen-, Fähigkeiten- und Levelsystem beschreitet das Remake dafür erfrischend neue Pfade. Eine zentrales Novum: Mit den durch einen Levelaufstieg erworbenen Fähigkeitspunkten verstärken wir alle Waffen in unserem Besitz individuell. So behält jede Waffe im kompletten Verlauf ihre Daseinsberechtigung, weil sie mit unserem Charakterlevel wächst. Selbst unsere Standardausstattung – das ikonische Buster-Sword – wird also zu keinem Zeitpunkt obsolet. Vielmehr können wir unser Waffen-Repertoir dahingegend personalisieren, dass uns für jeden Charakter jeweils eine Waffe mit offensivem, defensivem oder magischem Schwerpunkt zur Verfügung steht, die – je nach Situation und Gegnertyp – individuelle Vorteile mit sich bringt.
Zudem können wir erworbene Fähigkeiten, sogenannte Materia, in unsere Waffenslots einsetzen und jederzeit austauschen. Der Vorteil: Wir müssen uns nicht auf bestimmte Skills und Zauber festlegen. Der Nachteil: Wir haben über einen längeren Verlauf des Spiels eine sehr begrenzte Anzahl von Fähigkeiten parallel im Einsatz, weil die Slots dafür sehr begrenzt sind. Das fällt vor allem bei den Bossgegnern auf, die überwiegend resistent gegen physische Attacken oder Nahkampf sind und uns spezielle Elementarzauber abverlangen. Durch die Verknappung ausrüstbarer Fähigkeiten können wir dem Zufall, beim ersten Encounter passend für den Kampf gerüstet zu sein, allerdings nur wenig auf die Sprünge helfen.
Unterwegs im Ghetto
Das „Final Fantasy VII Remake“ bleibt seinen Wurzeln insofern treu, dass es auf eine Open World verzichtet und weitgehend linear abläuft. Dadurch ist das Spiel zum überwiegenden Teil wirklich gut durchgetaktet und die Geschichte lässt keine übermäßigen Längen aufkommen. Parallel zur Hauptstory können wir auch Nebenaufgaben in den Slums von Midgar erledigen, die allerdings selten über klassische Fetch-Quests hinausgehen und eher generische Lückenfüller sind, als dass sie uns tiefer in die dystopische Welt von Final Fantasy 7 eintauchen ließen.
Und wo wir schon einmal bei der Spielwelt sind: Die hinterlässt sehr gemischte Gefühle. Der Auftakt des Spiels ist absolut grandios. Der erste Reaktor, den wir auch bereits in der Demo zerstören könnten, und die ersten beiden Kapitel des Spiels im Allgemeinen sind hervorragend ausgestaltet und mit vielen Details geschmückt. Die Ernüchterung folgt allerdings schon nach circa zwei Spielstunden, wenn wir in den Slums von Midgar ankommen: In diesen Spielbereich, in dem wir übrigens einen großen Teil der Spielzeit verbringen, ist offensichtlich wesentlich weniger Arbeit geflossen. Viele Stellen sind mit ultraniedrig aufgelösten Texturen gefüllt, teilweise fehlen diese sogar komplett. Dadurch entsteht ein bizarres und vor allem inkohärentes Gesamtbild, mit detaillierten Charakteren auf der einen Seite und altbackenen Umgebungen auf der Anderen.
Bei keinem anderen Spiel von dieser Wichtigkeit und mit diesem Budget in der kompletten PS4-Konsolengeneration haben sich Entwickler bisher eine solche Texturarmut erlaubt. Die Mängel sind so gravierend, dass sie den Verdacht nahelegen, es könne sich hierbei um einen Bug handeln. Allerdings wäre das mit einem Day One-Patch zu beheben gewesen. Möglicherweise sind die grauenhaften Texturen also auch damit zu begründen, dass den Entwicklern schlichtweg die Zeit gefehlt hat, die Welt adäquat auszugestalten. Teilweise bekommt das Spiel dadurch sogar eine unschön nostalgische Anmutung: In einem der Reaktoren können wir auf die Slums hinabblicken – und diese sind eine derart niedrig aufgelöste 2D-Fläche, dass sie unfreiwilligerweise wie ein Bitmap-Hintergrund aus dem PS1-Original wirken.
Dazu kommt: Texturen laden sehr langsam nach, ploppen sogar in Zwischensequenzen immer wieder unschön ins Bild. Und NPCs tauchen plötzlich aus dem Nichts auf. Eigentlich sind das typische Begleiterscheinungen von Open World-Spielen mit hoher Sichtweite. Dass das Final Fantasy VII Remake darunter leidet, ist mit Hinblick auf seine sehr eingeschränkte Schlauchlevel-Struktur dann doch etwas verwunderlich. Etwas mehr Politur hätte hier in keinem Fall geschadet. Im Verlauf des Spiels bekommen wir zwar immer wieder schöne Szenerien zu Gesicht, irgendwie machen diese aber auch ein bisschen wehmütig. Sie zeigen, was aus dem Remake mit etwas mehr Entwicklungszeit hätte werden können.